Marius Neset Glücksbringer Der norwegische Saxofonist, Komponist und Multitasker Marius Neset ist ein Grenzgänger, und das in mehr als nur einer Hinsicht. Er hat in seinem Ton zwar jene typisch boreale Transparenz und Naturverbundenheit verinnerlich, die man norwegischen Musikern gern und oft zu Recht nachsagt, doch er ist hauptsächlich in <strong>der</strong> britischen Szene aktiv und transportiert in seinem Idiom den Groove <strong>der</strong> Inseln. Erstaunlicherweise lebt er we<strong>der</strong> in Oslo noch in London, son<strong>der</strong>n hat sich genau in <strong>der</strong> Mitte eingerichtet und seine Zelte in Kopenhagen aufgeschlagen, wo er zu beiden Szenen kurze Wege hat. In Kopenhagen studierte Neset bei dem britischen Pianisten Django Bates, in dessen Band Human Chain er auch mehrere Jahre mitmischen durfte. <strong>Das</strong> erklärt einerseits die Affinität des Norwegers zum britischen Jazz, wirft aber auch ein Licht auf seinen Facettenreichtum. Wie sein Mentor ist <strong>der</strong> Allroun<strong>der</strong> nämlich ein leidenschaftlicher Mittler zwischen Jazz, Klassik und Pop. Und wie bei Bates gehen auch bei Neset Ernsthaftigkeit in <strong>der</strong> Grundhaltung und Humor in <strong>der</strong> spontanen Umsetzung Hand in Hand. Mit dem schwedischen Schlagzeuger Anton Eger hat er bereits in <strong>der</strong> Band Jazz Kamikaze zusammengespielt. Der ebenfalls aus Schweden stammende Pianist Ola Magnus Hjorth arbeitet gemeinsam mit Eger in dem renommierten Trio Phronesis, wie auch auch mit Eger und Neset in dem Quartett People Are Machines. Diese Gruppe bildet gewissermaßen die Grundlage für das Quintett, mit dem Neset im letzten Jahr das Album »Happy« aufnahm. Vervollständigt wird die Band von den beiden Briten Elliot Galvin an den Keyboards und Conor Chaplin am elektrischen Bass. Beide haben sich in <strong>der</strong> Londoner Band Dinosaur um die Trompeterin Laura Jurd einen Namen gemacht. Konzerttermin Samstag, 23. September <strong>2023</strong>, 20:00 Marius Neset Quintet Marius Neset saxophones Magnus Hjorth piano Elliot Galvin keyboard Conor Chaplin electric bass Anton Eger drums »Happy!« Auf »Happy« schöpft <strong>der</strong> Norweger aus den gewaltigen Möglichkeiten seines Klanguniversums, das nicht selten mit dem seines großen Landsmanns Jan Garbarek verglichen wird. <strong>Das</strong> Programm weist sehr verspielte und kleinteilige Momente auf, die durchaus an Nesets Mentor Django Bates erinnern. In an<strong>der</strong>en Augenblicken groovet die Band wie die Hölle, um in wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Songs auch sehr nachdenkliche Töne anzuschlagen. Da alle beteiligten Musiker nicht zuletzt in ihren Bands Phronesis und Dinosaur selbst gewiefte Gestalter sind, lässt Neset ihnen jeden erdenklichen Raum. Dies allerdings nicht weniger, um sich jeweils individuell solistisch auszutoben, son<strong>der</strong>n viel mehr, um ihren genuinen Beitrag zum ebenso dichten wie nach allen Seiten offenen Gruppensound zu leisten. Womit wir wie<strong>der</strong> beim innigen Naturverständnis des Skandinaviers wären. Seine Band klingt wie ein Wald, in dem es von allen Seiten hallt und wi<strong>der</strong>hallt, um ein organisches Ganzes zu ergeben, ebenso spontan wie in seiner Zusammensetzung genuin zwingend. Spätestens auf seinem Album »Birds« hat Neset 2013 seine Liebe zum Vogelgesang offenbart, die er mit Jazzgrößen wie Charlie Parker, Ornette Coleman, Albert Mangelsdorff o<strong>der</strong> Nils Wogram teilt. Singvögel, so scheint es zumindest aus <strong>der</strong> menschlichen Perspektive, sind immer glücklich und schreien dieses Glück unentwegt in die Welt heraus. Und Vogelgesang macht wie<strong>der</strong>um den Menschen glücklich. Jene verzwitscherte Unbekümmertheit hat Marius Neset bis heute auch in vielen an<strong>der</strong>en Kontexten an den Tag gelegt. »Happy« ist ein Programm, das gleichermaßen den Überschwang wie auch die stillen Momente des Glücks beschreibt. Beides will genossen werden, denn wer wüsste nicht, dass man das Glück ebenso wenig mit Händen greifen kann wie den Ton eines Saxofons o<strong>der</strong> den Gesang eines Vogels. Vor allem aber verleiht uns Marius Neset mit »Happy« auch in komplexen Zeiten den Mut zum Glücklichsein. Wolf Kampmann 48 <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Marius Neset <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 49