»Sequana« Mit Souad Massi stellt sich Algeriens prominenteste Sängerin vor Gänseblümchen hat sich Souad Massi auf dem Cover ihres neuen Albums über ihre geschlossenen Augen gelegt. Ein Zeichen, dass die Sängerin und Gitarristin sich von <strong>der</strong> Welt abwenden will? Keineswegs, die Begegnung mit <strong>der</strong> Natur gibt ihr nach eigenem Bekenntnis Kraft, engagiert Stellung zu beziehen gegen Krieg, Korruption und totalitäre Regime. Dabei bezaubert sie ebenso durch eine samtige, dunkle Stimme wie durch ihre poetischen Texte. Nun präsentiert sie sich mit ihrem Sextett erstmals in Köln. Ein Debüt, das man nicht verpassen sollte, gilt Souad Massi doch als prominenteste Sängerin Algeriens, die nun mit »Sequana« schon ihr zehntes Album vorstellt. Geboren wurde Souad Massi 1972 in Bab-el-Oued, einem Stadtteil von Algier. »Kulturell treffen sich in Algerien <strong>der</strong> Maghreb, Afrika, <strong>der</strong> Mittlere Osten und Europa«, sagt die Singer-Songwriterin. »Es ist ein Schmelztiegel. <strong>Das</strong> hat mich geformt und für einen freien Kopf gesorgt.« Aufgewachsen ist sie mit Chaabi, <strong>der</strong> Volksmusik ihrer Heimat, und den kayblischen Lie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Berber, aber auch mit Pop und Rockmusik. Schon früh griff sie zur Gitarre, um westliche Hits nachzuspielen. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie in einer Flamencogruppe und war Frontfrau einer algerischen Heavy Metal Band. Außerdem studierte sie Stadtplanung und arbeitete nach ihrem Diplom-Abschluss in einem Architekturbüro. Mit 27 Jahren verließ Souad Massi ihre Heimat – <strong>der</strong> sich zuspitzende Bürgerkrieg, die Bedrohung durch Fundamentalisten machten Auftritte immer schwieriger. In Paris landete sie mit ihrer ersten Kassette in <strong>der</strong> Tasche und wurde dort schnell von einem internationalen Plattenlabel entdeckt. Seitdem lebt sie im französischen Exil. »Singer-Songwriterin Souad Massi hat ihre Klangpalette stetig erweitert.« Hohe Eigenständigkeit, Kennerschaft und Gelassenheit wurden ihr schon nach dem zweiten Album attestiert. Es müsse ein eigenes Genre erfunden werden, um die Musik von Souad Massi zu beschreiben, hieß es in einer Rezension. Seitdem hat sie ihre Klangpalette stetig erweitert, integriert immer mehr Sounds in ihre Stücke, auf »Sequana« nun auch auch Calypso, Country Music und Bossa nova. Der Titel des Albums spielt auf die Göttin Sequana an. Zu dieser gallo-römischen Hüterin <strong>der</strong> Seine-Quellen pilgerten einst die Menschen, um Heilung zu erbitten. Im romantischen, von Streichern begleiteten Titelsong ruft Souad Massi die Göttin an, sie möge vor allem die Jugendlichen beschützen. Als Mutter zweier Töchter im Teenager-Alter hat sie selbst erlebt, wie verloren sich gerade junge Menschen in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Pandemie fühlten. Damals ist »Sequana« entstanden, fast alle Lie<strong>der</strong> hat Souad Massi selbst geschrieben: Weltmusik im besten Sinne, die sie auf Arabisch und Französisch singt. Grooven<strong>der</strong> Wüstenblues in »Mirage« wechselt sich ab mit einem luftigen Bossa wie »L‘espoir«, mit rockigen Rhythmen in »Twam« und einer eigenen Version des Johnny-Cash-Klassikers »Hurt«. Schmerz und Schönheit verbinden sich auch, wenn Souad Massi im Song »Dessine-moi un pays« die Utopie eines Landes entwirft, in dem man ohne Angst und in Frieden leben kann; geschrieben für Menschen, »die sich an Flugzeuge klammern«, um <strong>der</strong> Diktatur zu entgehen. An welch große Tradition die Sängerin politisch anknüpft, macht schließlich das letzte, lateinamerikanisch inspirierte Stück des Albums deutlich: »Victor« – eine ergreifende Hommage an den chilenischen Musiker Victor Jara, ermordet 1973 von den Schergen des Pinochet-Regimes. Souad Massi erinnert daran, dass er »für Freiheit und Integrität« sein Leben gelassen hat; und für diese Werte zu kämpfen, fühle sie sich selbst verpflichtet. Annette Schroe<strong>der</strong> 54 <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Souad Massi Konzerttermin Samstag, 28. Oktober <strong>2023</strong>, 20:00 »Sequana« Souad Massi lead voice, guitar Malik Kerrouche guitar Mokrane Adlani violin, banjo Guy Nsangue bass Rabah Khalfa percussions Maamoun Dehane drums <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 55