Alnatura Magazin August 2023
Lasst uns kochen: Sommerliche Asia-Küche // Alnatura bewegt: Fairer Reis, bio sowieso // Naturdrogerie: Gepflegtes Sommerhaar
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Die Steinzeitmenschen kannten keine<br />
Farbtuben: Im Feuer brannten sie aus<br />
Ton braune, aus Ocker gelbe und aus<br />
Sand sowie eisenhaltigem Lehm rote<br />
Pigmente. Moose und Bürsten aus<br />
zerfaserten Zweigen und den<br />
Schweifhaaren von Tieren nutzten sie<br />
zum Auftragen der Farben. Und sie<br />
bliesen die Pigmente durch Schilfrohre<br />
oder ausgehöhlte Knochen, ihre Hände<br />
dienten dabei manchmal als<br />
Schablonen.<br />
Die Höhle von Lascaux enthält<br />
mit einer Gesamtausdehnung<br />
von über hundert Metern Bilder<br />
von zahlreichen Pferden,<br />
Rindern, Wisenten, Katzen<br />
und Steinböcken. Sie kann<br />
heute zu ihrem eigenen<br />
Schutz nicht mehr besichtigt<br />
werden. Stattdessen werden<br />
die Besucherinnen und Besucher<br />
in eine originalgetreue<br />
Kopie der Höhle geführt.<br />
W<br />
ir treffen Gitta Sievert in ihrer<br />
Altbauwohnung in Potsdam.<br />
An den Wänden und auf dem<br />
Boden hängen und lehnen zahlreiche ihrer<br />
Werke, die sie in den letzten 20 Jahren<br />
gemalt hat. »Als ich Kind war, haben alle<br />
bemerkt, dass ich Talent zum Malen habe.<br />
Als einziges von fünf Kindern. Dann habe<br />
ich 50 Jahre nicht mehr daran gedacht, bis<br />
ich in Rente gegangen bin.« Damals wohnte<br />
Gitta Sievert noch in München. »Ich<br />
habe mich gefragt, was ich nun mit meiner<br />
Zeit anfange, und erinnerte mich an das<br />
Malen in meiner Kindheit. Deshalb besuchte<br />
ich schließlich Kurse an der Volkshochschule<br />
im Gasteig.« Was hat ihr das Malen<br />
gegeben, wollen wir von ihr wissen. »Ich<br />
habe beim Malen die Zeit vergessen. Das<br />
hat sich immer sehr gut angefühlt. Normalerweise<br />
lese ich viel. Aber so war mein<br />
Kopf wie ausgeschaltet.«<br />
EINE REISE ZU SICH SELBST<br />
Das Vergessen von Zeit ist das, was Mallehrerinnen<br />
und -lehrer sowie Kunsttherapeutinnen<br />
und -therapeuten immer wieder<br />
dem Malen zuschreiben: »Manchmal geht<br />
man in den kreativen Raum und weiß<br />
noch nicht, was man macht«, sagt Christian<br />
Badel. Der in Gotha geborene Künstler<br />
malt seit seiner Kindheit, zeichnet und gibt<br />
Workshops in Berlin, in denen Teilnehmende aus ganz anderen<br />
Berufen von ihm an die Staffelei geholt werden. »Das ist ja auch<br />
immer eine Reise zu sich selbst.« Eine Konfrontation, die viele<br />
Menschen aus Gewohnheit scheuen. »Oft ist es aber genau das,<br />
was fehlt«, erklärt Badel. Vor einem leeren Blatt zu sitzen sei<br />
für viele beängstigend. Diese Angst vor der Leere zu besiegen,<br />
schaffe Raum im Kopf – davon ist er überzeugt.<br />
Malen gehört zu jenen Tätigkeiten, in denen wir einfach wir<br />
selbst sein dürfen, uns nicht anpassen oder unter Druck setzen<br />
lassen müssen. Malen hilft uns dabei, unsere Gefühle, Emotionen<br />
und Gedanken auszudrücken; oft auch dann, wenn uns dazu die<br />
Worte fehlen. Wir können uns<br />
ganz auf unsere Gefühle einlassen<br />
beim Spiel mit den Farben.<br />
Und das Tolle daran: Im Laufe<br />
des Malprozesses verändern<br />
sich unsere Gefühle oft. Wir<br />
können spüren, wie sich etwas<br />
in uns löst. Malen befreit,<br />
macht leichter und kann<br />
Blockaden auflösen.<br />
»Ich habe beim Malen<br />
die Zeit vergessen.«<br />
Gitta Sievert,<br />
Hobbymalerin<br />
VERSCHÖNERUNG DER UMGEBUNG<br />
Aber Malen ist nicht nur Therapie, Malen scheint ein Bedürfnis<br />
des Menschen zu sein, sich zu artikulieren. Wir<br />
möchten von Gitta Sievert wissen, was sie glaubt, warum<br />
bereits die Steinzeitmenschen in ihren Lebensräumen wie<br />
Grotten oder Höhlen großflächige Malereien geschaffen<br />
haben (bei Lascaux spricht man von »Sixtinischer Kapelle<br />
der frühen Menschheit«): »Die Menschen konnten im<br />
Winter vielleicht nicht viel tun und ich könnte mir vorstellen,<br />
dass sie das ausdrücken wollten, was sie beispielsweise<br />
im Sommer erlebt haben, was sie bewegt hat. Und sie<br />
wollten es sich sicher auch schön machen.«<br />
Da dürfte viel Wahres dran sein: Zum einen drücken<br />
Menschen über Malen das aus, was sie beschäftigt – denken<br />
wir nur an Picasso, der den Schrecken der Zerstörung<br />
einer Ortschaft im spanischen Bürgerkrieg mit dem berühmten<br />
Bild Guernica verarbeitet hat, oder denken wir<br />
an Franz Marc, der, in Oberbayern auf dem Land lebend,<br />
immer wieder Pferde gemalt hat. »Sie waren wesentlich<br />
in seinem Leben«, so Gitta Sievert. Zum anderen ist auch<br />
die Verschönerung der Umgebung ein zutiefst menschlicher<br />
Zug, wie viele Funde von bemalten Muscheln, verzierten<br />
Gefäßen oder anderen Gebrauchsgegenständen<br />
aus der Steinzeit belegen. Die Höhle von Lascaux wurde<br />
übrigens vor ewigen Zeiten durch einen Erdrutsch luftdicht<br />
versiegelt, sodass die herrlichen Galerien an den<br />
weißen Kreidewänden und Decken seit über 17 000 Jahren<br />
erhalten geblieben sind. Sie wurde erst 1940 durch<br />
Zufall entdeckt. Pablo Picasso soll bei der Besichtigung<br />
ausgerufen haben: »Ich habe endlich meine Meister gefunden.<br />
Wir haben nichts dazugelernt.« mf<br />
<strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>August</strong> <strong>2023</strong><br />
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