Wein-Boulevard 2009 - Pro Stuttgart eV
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dem Collegium Wirtemberg; etwa<br />
95 <strong>Pro</strong>zent der in der Laube ausgeschenkten<br />
<strong>Wein</strong>e kommen von<br />
dort. Etwa der Acolon, ein fruchtig,<br />
herber, ganz dunkler Roter;<br />
vor allem jüngere Gäste bevorzugen<br />
diese Neuzüchtung aus<br />
Dornfelder und Lemberger. Oder<br />
Riesling und Trollinger vom Fass.<br />
Oder die neuen Kreationen des<br />
Collegiums Wirtemberg, die die<br />
Wirtsleute zum Schwärmen bringen:<br />
die „Alte Rebe“ von der Trollinger-<br />
bzw. von der Rieslingtraube.<br />
Diese <strong>Wein</strong>e werden aus<br />
den Trauben von über 30 Jahre<br />
alten Rebstöcken gemacht, die<br />
sehr tief wurzeln und viele Mineralstoffe<br />
aus der Tiefe aufnehmen.<br />
Sie bringen wenig Ertrag,<br />
aber einen ausgezeichneten, erlesenen<br />
trockenen Tropfen. „Beim<br />
Roten ... da werden Sie nie denken,<br />
dass Sie einen Trollinger<br />
trinken“, sagt Winkle. Ein besonderer,<br />
sehr trockener Weißwein,<br />
ebenfalls ein Riesling, heißt bezeichnenderweise<br />
„Sand“. Die Reben<br />
stehen am Fuß des Götzenbergs<br />
auf einem <strong>Wein</strong>berg, dessen<br />
Erde von Stubensandstein<br />
geprägt ist. Er erhitzt sich tagsüber<br />
und gibt nachts die Wärme<br />
an die Trauben ab. Dieser elegante<br />
Riesling ist ganz trocken,<br />
fruchtig, frisch und sehr mineralisch.<br />
Auf der Getränkekarte der<br />
Löwen-Laube stehen natürlich<br />
auch andere <strong>Wein</strong>e, wie Kerner,<br />
Grau- und Weißburgunder, Heroldrebe<br />
oder Dornfelder, auch<br />
Sektsorten, Bowle und Sommerschorle.<br />
Sogar die Trauben der<br />
Pergola über dem Gastgarten in<br />
Uhlbach landeten in den Gläsern<br />
auf dem <strong>Wein</strong>dorf – als frisch gepresster<br />
neuer <strong>Wein</strong>. „Die 90 Liter<br />
waren natürlich an einem Tag<br />
weg“, freut sich Winkle.<br />
Wer übrigens behauptet, auf dem<br />
<strong>Stuttgart</strong>er <strong>Wein</strong>dorf sei’s teuer,<br />
der wird vom Löwen-Wirt eines<br />
Besseren belehrt: „Wir verlangen<br />
dort für die meisten <strong>Wein</strong>e<br />
50 Cent weniger pro Viertel als in<br />
der <strong>Wein</strong>stube.“ Die <strong>Wein</strong>dorfgäste<br />
sind jedenfalls ganz nach<br />
dem Geschmack des Ehepaars<br />
Winkle: „Die <strong>Stuttgart</strong>er sind<br />
weinbewusst, sie wissen, was sie<br />
wollen, und sind auch Neuem gegenüber<br />
aufgeschlossen.“<br />
Ein Teil der servierten Gerichte<br />
wird in der Küche der <strong>Wein</strong>stube<br />
vorgekocht, etwa die Linsen oder<br />
das Sauerkraut. Rostbraten und<br />
Röstkartoffel kommen in der Lauben-Küche<br />
in die Pfanne, der<br />
Krustenbraten in den Ofen und<br />
sogar der Kartoffelsalat wird hier<br />
zubereitet. Allein ein Zentner<br />
Kartoffel, 25 bis 30 Kilogramm<br />
Fleisch für Krustenbraten, zwei<br />
bis drei Spanferkel à 20 Kilogramm<br />
werden für die Gäste der<br />
Löwen-Laube verarbeitet, und<br />
zwar täglich!<br />
Zuerst die<br />
Kartoffeln aufs Feuer<br />
Einige der acht Bedienungen sowie<br />
zwei, drei Küchenhilfen<br />
kommt aus Frankfurt bzw. Hamburg<br />
und übernachtet in den<br />
Fremdenzimmern des Löwen in<br />
Uhlbach. Jeden Morgen chauffiert<br />
Herbert Winkle seine Frau<br />
und die Mitarbeiterinnen mit dem<br />
Kleinbus aufs <strong>Wein</strong>dorf. Anschließend<br />
holt er die Ware, die<br />
vorgekochten Speisen und was<br />
sonst noch benötigt wird. Dann<br />
gilt Arbeitsteilung: Herbert<br />
Wink le kümmert sich um die<br />
<strong>Wein</strong>stube, während Christine<br />
Winkle Zepter und Kochlöffel in<br />
der <strong>Wein</strong>laube schwingt. Ihr stehen<br />
ein junger Koch und eine<br />
Köchin zur Seite. Nach der Ankunft<br />
auf dem <strong>Stuttgart</strong>er Schillerplatz<br />
gegen 8.30 Uhr werden<br />
erst einmal die Kartoffeln für den<br />
Kartoffelsalat auf den Herd gestellt,<br />
dann wird gefrühstückt.<br />
Anschließend helfen alle bei den<br />
Vorbereitungen mit, arbeiten<br />
also der Küche zu. Viel Zeit bleibt<br />
nicht, denn um elf Uhr, wenn das<br />
<strong>Wein</strong>dorf öffnet, stehen die ersten<br />
Gäste vor dem Tresen.<br />
Arbeiten im <strong>Wein</strong>dorf bedeutet<br />
zwölf Tage intensiver Einsatz: ab<br />
etwa neun Uhr morgens durch die<br />
Turbulenzen des Tages, und bis<br />
alles aufgeräumt ist, ist es Mitternacht.<br />
Herbert Winkle berichtet<br />
von drei Küchenhilfen, die so<br />
überfordert waren, dass sie bald<br />
<strong>Wein</strong>hock: In der blauen Stunde<br />
einer lauen Sommernacht ist das<br />
<strong>Stuttgart</strong>er <strong>Wein</strong>dorf am Schönsten.<br />
<strong>Stuttgart</strong> Marketing<br />
„die Segel streichen mussten, eine<br />
hat sogar einen Nervenzusammenbruch<br />
gekriegt“.<br />
Die Chefin dagegen scheint die<br />
Ruhe selbst zu sein, und ein Naturtalent.<br />
Christine Winkle ist<br />
zwar vor 50 Jahren in <strong>Stuttgart</strong><br />
geboren worden, doch ihre Wurzeln<br />
liegen in der einstigen DDR.<br />
Sie ist weder mit schwäbischer<br />
Kost aufgewachsen noch hat sie<br />
eine Ausbildung in der Gastronomie<br />
durchlaufen – und wurde<br />
doch eine Meisterin der schwäbischen<br />
Küche. Sie lässt sich’s nicht<br />
nehmen, die gut 250 Maultaschen,<br />
die während des <strong>Wein</strong>dorfs<br />
täglich in ihrer <strong>Wein</strong>laube verzehrt<br />
werden, nach einem alten<br />
Rezept in Uhlbach zu fabrizieren.<br />
Bei den schwäbischen Klassikern<br />
und den guten <strong>Wein</strong>en bleiben<br />
die Gäste gern unter den hellgelben<br />
Stoffbahnen der Laube sitzen;<br />
die in Orangetönen gehaltenen<br />
Tischdecken und Sitzpolster<br />
vermitteln Wärme und Behaglichkeit,<br />
die liebevolle Dekoration<br />
mit romantischen Puppen – einem<br />
Faible der Wirtin –, mit<br />
leuchtenden Stoffsonnenblumen,<br />
alten Leitern und Seilen geben<br />
dem Inneren eine ländlich-rustikale<br />
Note. Hier hält man sich gern<br />
an den Spruch, der auf einer<br />
Holztafel an der Wand zu lesen<br />
ist: Lieber meh essa als zwenig<br />
trenka!<br />
Monika Bönisch<br />
<strong>Wein</strong>-<strong>Boulevard</strong> 19<br />
Der wein kommt in<br />
seiner polarität von<br />
herber säure und<br />
fruchtiger süße dem<br />
gegensätzlichen charakter<br />
der schwaben<br />
entgegen.<br />
Thaddäus Troll