Wein-Boulevard 2009 - Pro Stuttgart eV
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<strong>Wein</strong>-<strong>Boulevard</strong><br />
gute wirthin vieler<br />
zecher! So gefällt<br />
mir’s, flink und frisch;<br />
kommst du mit dem<br />
wein im becher, liegt<br />
das brot schon auf<br />
dem tisch.<br />
Ludwig Uhland<br />
Daimlers<br />
Wengerter<br />
Im Hauptberuf bei Daimler,<br />
im Nebenerwerb Winzer<br />
Durchs Neckartal in <strong>Stuttgart</strong> zieht sich das riesige Werksgelände der<br />
Daimler AG, vom Motorenwerk in Bad Cannstatt bis zur Gießerei<br />
in Esslingen-Mettingen. Fast parallel dazu an den Südhängen des<br />
Tals der Kontrast: <strong>Wein</strong>berg reiht sich an <strong>Wein</strong>berg, hinauf zur Grabkapelle<br />
auf dem Rotenberg und bis hinein nach Esslingen. Durch beide<br />
Wirtschaftszweige, den <strong>Wein</strong>- wie den Automobilbau, hat sich die<br />
Region einen guten Ruf erworben.<br />
Bevor die Industrie im Neckartal<br />
Einzug hielt, war die Landwirtschaft,<br />
besonders der <strong>Wein</strong>bau,<br />
die bedeutendste Erwerbsquelle<br />
in den Neckarvororten von<br />
<strong>Stuttgart</strong>; etwa in Untertürkheim<br />
und Obertürkheim, Uhlbach oder<br />
Rotenberg. Heute werden die Rebflächen<br />
meistens von größeren<br />
<strong>Wein</strong>baubetrieben bewirtschaftet,<br />
aber auch Nebenerwerbswinzer<br />
mischen kräftig mit. Darunter etliche,<br />
die in qualifizierten Berufen<br />
beim Autobauer Daimler arbeiten.<br />
So wie der Werkzeugmacher Erwin<br />
Kurrle aus Uhlbach, 53, und<br />
Kai-Uwe Fuchslocher aus Rotenberg,<br />
45 und als Teamleiter Facility<br />
Management tätig.<br />
Verantwortung<br />
für das Erbe<br />
Erwin Kurrles Vater war lange<br />
Jahre Kellermeister bei der <strong>Wein</strong>gärtnergenossenschaft<br />
in Uhl-<br />
bach. Nebenher bewirtschaftete er<br />
mit seiner Frau den eigenen kleinen<br />
<strong>Wein</strong>baubetrieb. Als der Senior<br />
1976 starb, hatte Sohn Erwin<br />
gerade seine Ausbildung bei<br />
Daimler abgeschlossen und musste<br />
sich der Frage stellen, wie es<br />
mit dem 70 Ar großen <strong>Wein</strong>berg<br />
weitergehen sollte. Erst wenige<br />
Jahre zuvor, 1970, war die Rebflurbereinigung<br />
in Uhlbach abgeschlossen<br />
worden. Endlich war es<br />
so weit, dass die <strong>Wein</strong>berge, die<br />
man nach der Flurbereinigung<br />
hatte neu bepflanzen müssen,<br />
wieder einen vollen Ertrag brachten.<br />
„Die Flurbereinigung hat<br />
unheimlich viel Geld und Arbeitskraft<br />
gekostet, da kannst du das<br />
nicht einfach hergeben“, sagte<br />
sich der zwischen <strong>Wein</strong>stöcken<br />
aufgewachsene Sohn. Zusammen<br />
mit seiner Mutter übernahm er<br />
den Kleinbetrieb. Später kam<br />
seine Frau hinzu. Kurrle erweiterte<br />
den Fuhrpark, etwa mit einem<br />
Schmalspurtraktor, um die <strong>Wein</strong>berge<br />
im Direktzug zu bewirtschaften.<br />
Mit <strong>Wein</strong>gärten, die ihm<br />
Vettern und Basen antrugen,<br />
wuchs der Betrieb auf 1,3 Hektar<br />
an. Tagsüber ging Kurrle weiterhin<br />
„zum Daimler“, wie auch heute<br />
noch.<br />
Kai-Uwe Fuchslocher dagegen<br />
hatte zunächst mit dem <strong>Wein</strong>bau<br />
nichts am Hut. Er war ebenso wie<br />
sein Umfeld, seine Freunde, in<br />
der Industrie tätig. Einen <strong>Wein</strong>berg<br />
betrat er erstmals, nachdem<br />
er sich in eine Winzerstochter<br />
verliebt hatte – den <strong>Wein</strong>berg<br />
seines späteren Schwiegervaters.<br />
Fuchslocher trank bis dahin nicht<br />
mal <strong>Wein</strong>; deshalb war es „ein<br />
Aha-Erlebnis, als ich zum ersten<br />
Mal mit meiner Frau bei einem<br />
<strong>Wein</strong>fest war. Da habe ich, als<br />
Biertrinker, den <strong>Wein</strong> so getrunken<br />
wie Bier.“ Das hatte Folgen;<br />
doch dieses Erlebnis hielt Fuchslocher<br />
keineswegs davon ab, zusammen<br />
mit seiner Frau den<br />
<strong>Wein</strong>baubetrieb weiterzuführen,<br />
als ihn der Schwiegervater nicht<br />
mehr bewirtschaften konnte. Inzwischen<br />
ist Fuchslocher Nebenerwerbswinzer<br />
mit 20-jähriger<br />
Erfahrung – und vom Biertrinker<br />
zum <strong>Wein</strong>genießer geworden.<br />
Auch er hat den Betrieb modernisiert<br />
und vergrößert, auf stolze<br />
2,5 Hektar.<br />
Die Familie<br />
hilft kräftig mit<br />
„Wir Daimlermitarbeiter“, sagt<br />
Fuchslocher offen, „wir müssen<br />
das nicht unbedingt wegen dem<br />
Geld tun. Da muss Überzeugung<br />
da sein.“ Beiden Männern ist klar,<br />
dass ihre Haupterwerbsarbeit<br />
nicht unter dem <strong>Wein</strong>bau leiden<br />
darf. „Wir haben anspruchsvolle<br />
Jobs, und wer heute im Nebenerwerb<br />
in den <strong>Wein</strong>bau einsteigt