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Wein-Boulevard 2009 - Pro Stuttgart eV

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26<br />

<strong>Wein</strong>-<strong>Boulevard</strong><br />

Das wasser gibt dem<br />

ochsen kraft,<br />

dem menschen gibt’s<br />

der rebensaft. drum,<br />

bruder, trinke aus den<br />

wein, du willst doch<br />

wohl kein ochse sein.<br />

Sprichwort<br />

Eichenholzes alle anderen Düfte<br />

an Intensität. Wenngleich das Eichenaroma<br />

von manchen <strong>Wein</strong>genießern<br />

geschätzt wird, ist es<br />

streng genommen ein Fehler,<br />

wenn ein <strong>Wein</strong> nach seinem Gefäß<br />

riecht oder schmeckt. Einigermaßen<br />

geübte Verkoster finden sogar<br />

am Duft heraus, ob das entsprechende<br />

Fass bei seiner Herstellung<br />

mehr oder weniger stark ausgebrannt<br />

wurde. Starke Kaffee-, Kakao-<br />

oder Karamellaromen weisen<br />

auf das Herstellungsverfahren hin.<br />

Pferdeschweiß durch Brett<br />

Mikroorganismen hinterlassen<br />

ebenfalls verräterische Duftspuren<br />

im <strong>Wein</strong>. Wenn der <strong>Wein</strong> eine<br />

Butternote aufweist, so ist das<br />

ein Resultat der Aktivitäten von<br />

Milchsäurebakterien. Die sogenannte<br />

Milchsäuregärung ist bei<br />

den meisten <strong>Wein</strong>en ein durchaus<br />

erwünschter natürlicher Vorgang,<br />

bei dem ein Teil der aggressiven<br />

Äpfelsäure des <strong>Wein</strong>s in<br />

milde Milchsäure umgewandelt<br />

wird. Der <strong>Wein</strong> schmeckt nach<br />

der Milchsäuregärung weicher,<br />

voller und ist obendrein bekömmlicher.<br />

Allerdings gibt es<br />

eine ganze Reihe verschiedener<br />

Milchsäurebakterienarten, die<br />

neben Milch- und Kohlensäure<br />

unterschiedliche Aromen produzieren.<br />

Am liebsten sind den<br />

Winzern die Stämme, welche ihre<br />

Arbeit mit weitgehender Duftneutralität<br />

ausführen. Meist<br />

bleibt dennoch eine mehr oder<br />

weniger zarte Butternote zurück.<br />

Auch die Aromen von Joghurt,<br />

Käse und sogar Sauerkraut zählen<br />

zum Repertoire einiger Milchsäurebakterienstämme.<br />

Obwohl<br />

Letztere allgemein als unpassend<br />

empfunden werden, gibt es<br />

durchaus unterschiedliche Auffassungen<br />

über das aromatische<br />

Ergebnis der Tätigkeit des Hefepilzes<br />

Brettanomyces bruxellensis,<br />

in der <strong>Wein</strong>sprache international<br />

„Brett“ genannt. Diese<br />

kleinen Kerle mögen warme Keller<br />

und halten sich gern in den<br />

Poren von Holzfässern auf. Oft<br />

geht ihrem Auftreten mangelnde<br />

Hygiene voraus, manchmal hat<br />

der betroffene Winzer einfach<br />

Goldene Nase: Der <strong>Stuttgart</strong>er Sommelier Bernd Kreis Wulf Wager<br />

nur Pech, wenn er Brett in seinem<br />

<strong>Wein</strong> feststellen muss. Dann<br />

riecht er nämlich mehr oder weniger<br />

stark nach Pferdeschweiß.<br />

Es gibt tatsächlich Liebhaber dieser<br />

animalischen Noten, darunter<br />

sogar namhafte <strong>Wein</strong>kritiker.<br />

Doch im eigentlichen Sinne ist<br />

das Auftreten des Pferdeschweißaromas<br />

als <strong>Wein</strong>fehler zu werten.<br />

Höchstens in kaum wahrnehmbarer<br />

Dosis kann es zur aromatischen<br />

Vielfalt eines Rotweins<br />

beitragen.<br />

Sensorik trainieren<br />

Der menschliche Geruchssinn ist<br />

weitaus leistungsfähiger, als allgemein<br />

bekannt ist. Wenige Moleküle<br />

reichen aus, um eine<br />

Wahrnehmung zu treffen, und oft<br />

sogar, um ein Aroma eindeutig zu<br />

identifizieren. Natürlich gibt es<br />

Menschen, die über eine besondere<br />

Begabung zur Verkostung verfügen,<br />

doch kann jeder mit ein<br />

wenig Übung seine Geruchsnerven<br />

soweit schärfen, dass schon<br />

in kurzer Zeit eine erhebliche Verfeinerung<br />

der Geruchswahrnehmung<br />

feststellbar ist. Zur Schulung<br />

des Geruchssinns werden<br />

Sortimente mit Aromenlösungen<br />

angeboten. Meist ist die Auswahl<br />

der Riechfläschchen thematisch<br />

geordnet. So kann man die Wahrnehmung<br />

typischer Düfte anhand<br />

der leider teuren Baukästen systematisch<br />

trainieren.<br />

Das geht allerdings auch viel<br />

günstiger. Denn allein ein bisschen<br />

Aufmerksamkeit für die un-<br />

endlich vielen Duftquellen im<br />

Alltag genügt, den Geruchssinn<br />

auf Vordermann zu bringen. Die<br />

Umgebung ist voll von Düften,<br />

von denen überraschend viele im<br />

<strong>Wein</strong> vorkommen. Darüber hinaus<br />

sind die originalen Düfte<br />

viel näher an den Aromen des<br />

<strong>Wein</strong>s als die synthetischen Essenzen.<br />

Atmen Sie einfach beim<br />

Anziehen Ihrer Schuhe den Duft<br />

des Leders ein, schnuppern Sie<br />

konzentriert am Obst und Gemüse<br />

bei der Zubereitung des Essens<br />

oder riechen Sie gelegentlich Ihre<br />

Gewürzsammlung ab. Die Welt<br />

ist voll von faszinierenden Aromen,<br />

man muss sie nur wahrnehmen<br />

wollen. Die bewusste Beschäftigung<br />

mit Düften erweitert<br />

das Riechvermögen in überraschender<br />

Geschwindigkeit. Dabei<br />

wird gleichzeitig das Aromengedächtnis<br />

trainiert. Denn nur ein<br />

gut funktionierendes Aromengedächtnis<br />

ist in der Lage, die einzelnen<br />

Düfte aus dem komplexen<br />

Bukett eines <strong>Wein</strong>es zu erkennen.<br />

Wenn es nicht gleich auf Anhieb<br />

klappt, die Vanille aus dem Barriquewein<br />

herauszuriechen oder<br />

den Pfeffer aus dem Grünen Veltliner,<br />

ist das nicht so schlimm. Einfach<br />

locker weiterüben und vorallem<br />

die Degustation entspannt<br />

angehen. Setzt man sich nicht<br />

selbst unter Leistungsdruck und<br />

sieht man die <strong>Wein</strong>verkostung<br />

als entspannende Beschäftigung,<br />

werden sich die Fortschritte beim<br />

Verkosten zügig einstellen.<br />

Bernd Kreis

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