baby&co 05/2023

Interview
„HÖREN SIE AUF DEN RAT
IHRES BAUCH-HIRNS“
Eva-Maria Chrzonsz ist frei berufliche Hebamme und Mitglied im Landesverband
der Hessischen Hebammen e. V. (www.hebammenpraxis-fulda.de)
Gebern war: Unsere Geschwister und
Freunde wollten uns nie erziehen oder
missionieren. Wir konnten Fragen stellen,
und sie sagten uns, wie das bei ihnen
so gelaufen ist. Oder wir schauten uns
bei ihnen einfach ein paar Tricks ab, von
denen wir glaubten, dass sie auch gut zu
unserer Familie passen.
Verlässliche und respektvolle Antworten
auf die vielen Fragen, die während der
Schwangerschaft und nach der Geburt
auftauchen, finden Eltern heute auch
außerhalb von Familie und Freundeskreis.
Fachärzte, Hebammen und Familienberaterinnen
geben ihr Wissen an
junge Eltern weiter und besprechen mit
ihnen möglichen Risiken. Dabei klären
sie natürlich auch über Gefahren von
Rohmilchkäse, Alkohol oder Katzen auf
– aber zum Glück sachlich korrekt, einfühlsam
und ohne Panikmache.
Geniessen Sie die
spannende Zeit!
„Eltern, die eine solche Unterstützung
wahrnehmen, dürfen die 1000 Tipps
von der Straße überhören und sich ganz
entspannt auf sich selbst konzentrieren“,
sagt die Expertin Saskia zur Nieden.
Denn schließlich ist eine Schwangerschaft
ja keine Krankheit – sondern eine
spannende, intensive Zeit voller Vorfreude
und neuer Erfahrungen, die Sie
genießen sollten.
Dürfen sich Schwangere und junge Mütter auf ihre Intuition
und ihren Instinkt verlassen?
EVA-MARIA CHRZONSZ: Oh ja! Denn bei ihnen funktioniert das
sogenannte Bauch-Hirn ganz fantastisch. Sie werden besonders
sensibel und empfänglich für die feinen Botschaften ihres Körpers.
Diese wunderbare Gabe der Natur haben wir Menschen
eigentlich von Geburt an, das kann jeder beobachten, der viel mit
Kindern zusammen ist. Mit wachsendem Lebensalter schenkt
unser Kopf-Hirn unserem Bauch-Hirn allerdings in der Regel
immer weniger Beachtung. In der Schwangerschaft werden die
Signale des Körpers aber zum Glück wieder so laut vernehmbar,
dass selbst Frauen, die wenig auf ihre Bauchgefühle vertrauen,
sie kaum mehr überhören können.
Warum misstrauen Frauen denn ihren Gefühlen?
Das liegt meiner Meinung nach an unserem Zeitgeist, der Zahlen,
Daten und Fakten einen hohen Wert beimisst und Gefühle
eher verpönt. Wir trainieren uns unsere Gefühle darum im Laufe
unseres Lebens immer mehr ab. Dabei ist es gerade bei der
Begleitung von Schwangeren wichtig, dass sich eine moderne
Geburtsmedizin und eine einfühlsame Geburtshilfe sinnvoll ergänzen.
Unsere Aufgabe als Hebamme ist es, die Frauen immer
wieder zu ermutigen, auf den Rat ihres Bauch-Hirns zu hören und
ihrem Körpergefühl zu vertrauen. Das vermitteln wir in
unseren Geburtsvorbereitungskursen, bei der Nachsorge und
Stillberatung. Außerdem haben Frauen die Möglichkeit, die
Schwangerenvorsorge bei einer Hebamme durchzuführen – entweder
als reine Hebammenvorsorge oder im Wechsel mit ihrem
Gynäkologen. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut Frauen
spüren, was das Beste für sie und ihr Baby ist, wenn man ihnen
diese Kompetenzen zubilligt.
Aber gibt es nicht Situationen, in denen das Bauch-Hirn
ein schlechter Ratgeber ist?
Das kommt auch vor. Zum Beispiel, wenn bei einer ärztlichen Untersuchung
schlechte Befunde festgestellt werden. Unser Bauch
reagiert auf solche negativen Neuigkeiten meist erst einmal mit
Angst und Abwehr. In solchen Fällen darf darum gern der Verstand
die Leitung übernehmen und den ängstlichen Bauch mit
ganz pragmatischen Fakten und Lösungen beruhigen. Ziel ist
es schließlich, im Leben stets eine gute Balance zwischen Kopfund
Bauch-Ratgeber zu finden.
FOTOS: NATURE, ALEXANDER RYABINTSEV, VASYL DOLMATOV, MANGOSTAR_STUDIO: ISTOCK (4)
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