pro aurum Magazin 4/2023
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Marktbericht<br />
RÜCKENWIND FÜR DAS EDELMETALL<br />
GOLD IST GEFRAGTE<br />
KRISENWÄHRUNG TROTZ<br />
STEIGENDER ZINSEN<br />
Mit dem am 7. Oktober erfolgten Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel hat sich<br />
beim Goldpreis die geopolitische Risikoprämie beträchtlich erhöht. Dabei wurde<br />
das deutlich gestiegene Zinsniveau komplett ausgeblendet.<br />
GOLDPREIS IGNORIERT HOHES<br />
ZINSNIVEAU<br />
In den vergangenen Monaten herrschte<br />
unter den Entscheidungsträgern der EZB<br />
und der US-Notenbank Fed überwiegend<br />
die Ansicht, dass man das erhöhte Zinsniveau<br />
möglicherweise länger als ursprünglich<br />
geplant beibehalten könnte<br />
(„Higher for longer“). Normalerweise wird<br />
ein solches Marktumfeld aufgrund der für<br />
Goldbesitzer entstehenden hohen Opportunitätskosten<br />
(-> Zinsverzicht) als kontra<strong>pro</strong>duktiv<br />
eingestuft, schließlich boten<br />
US-Staatsanleihen mit zehn bzw. 30 Jahren<br />
Laufzeit im Oktober zeitweise Renditen<br />
von über fünf Prozent. Angesichts einer<br />
auf 3,2 Prozent gesunkenen Inflationsrate<br />
wurde zumindest in den USA die Phase<br />
negativer Realzinsen erst einmal beendet.<br />
Zur Erinnerung: Positive Realzinsen mindern<br />
normalerweise die Attraktivität von<br />
Goldinvestments.<br />
Ob die US-Renditen die Inflationsrate dauer-<br />
haft übertreffen werden, darf aber aus den<br />
folgenden Gründen bezweifelt werden.<br />
Erstens: Dauerhaft hohe Zinsen belasten<br />
den Staatshaushalt und damit die Schuldentragfähigkeit<br />
der USA. Von den drei<br />
großen Ratingagenturen haben Fitch und<br />
S&P die Bonität der USA bereits um eine<br />
Stufe reduziert. Nachdem Moody’s Mitte<br />
November den Ausblick für die Kreditwürdigkeit<br />
der USA von „stabil“ auf „negativ“<br />
herabgestuft hat, droht nun der nächste<br />
Verlust der Bestnote. Sowohl die Geldpolitik<br />
der Fed als auch die der EZB dürften in<br />
Zukunft verstärkt auf die Schuldentragfähigkeit<br />
ihrer Heimatländer achten und sich<br />
im Zweifel eher für eine inflationsbedingte<br />
Entwertung der Schuldenberge als für eine<br />
drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerländer<br />
entscheiden.<br />
Außerdem gilt es alles andere als sicher,<br />
dass sich die diesjährige Talfahrt der Inflation<br />
weiter fortsetzen wird. Angesichts der<br />
Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten<br />
herrscht vor allem im Energiesektor ein<br />
hohes Maß an Prognoseunsicherheit. Sollte<br />
sich der regionale Krieg zu einem Flächenbrand<br />
in der arabischen Welt entwickeln<br />
und die weltweite Ölversorgung gefährden,<br />
würde dies den Ölpreis – und damit auch<br />
die Inflation – wieder in die Höhe treiben.<br />
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