BOKU Magazin 4/2023

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Verpackungssammlung in Transformation Einführung des Einwegpfandsystems in Österreich Von Astrid Allesch und Peter Beigl FOTOS: ABF-BOKU D ie bevorstehenden Herausforderungen für die Transformation der Sammlung von Haushalts- und gewerblichen Verpackungen, insbesondere dem Einwegpfandsystem für Kunststoffund Metallgetränkeverpackungen, sind gewaltig. Grundlegende Systemänderungen auf Veranlassung von EU- und Bundesvorgaben ergeben sich durch die bundesweit einheitliche Sammlung von Kunststoff- und Metallverpackungen aus Haushalten sowie die für abfallerzeugende Betriebe neuerdings kostenlose Verpackungssammlung im Gewerbebereich ab 2023, erstmals verpflichtende Sammelquoten für Mehrweggetränkeverpackungen ab 2024 sowie die Einführung eines Pfandsystems für Einwegkunststoffflaschen sowie Metallgetränkegebinde (kurz: Einwegpfand) ab 2025. PFAND ALS ANREIZ Die EU-Richtlinie zur Verringerung von Einwegplastik sieht vor, dass Kunststoffgetränkeflaschen bis zum Jahr 2029 zu zumindest 90 Prozent zum Zwecke des Recyclings getrennt gesammelt werden. Damit soll insbesondere das achtlose Wegwerfen (Littering) hintangehalten und die Verschmutzung der Umwelt verringert werden. Ein wesentlicher Anreiz für Bürger*innen, gebrauchte Getränkeflaschen geordnet abzugeben, ist das Einheben eines Pfandes. Internationale Erfahrungen zeigen, dass dies derzeit die einzige realistische Maßnahme darstellt, Kunststoffgetränkeflaschen zu zumindest 90 Prozent getrennt zu sammeln. Seitens der Universität für Bodenkultur (Institut für 8 BOKU Magazin 4 | 2023
Abfall- und Kreislaufwirtschaft) wurde der Prozess von der Entscheidung, ob ein Pfandsystem nötig ist, bis hin zur Ausgestaltung des Pfandsystems im Auftrag des BMK wissenschaftlich begleitet. ALLE STAKEHOLDER EINGEBUNDEN Der Einführung des Einwegpfandsystems kann höchste umweltpolitische Relevanz zugeordnet werden. Nach der politischen Entscheidung, ein Einwegpfand einzuführen, war die Frage der Ausgestaltung essenziell. Dafür wurde in den Stakeholdergruppen (I) Abfüller, (II) Handel, (III) Abfallwirtschaft, (IV) Sammel- und Verwertungssysteme und (V) Zivilgesellschaft eine mögliche Ausgestaltung eines Einwegpfandsystems diskutiert. In jeder dieser Stakeholdergruppen wurden sogenannte Gestaltungselemente eines möglichen Einwegpfandsystems erarbeitet. Entscheidungsfelder für die Gestaltung und Umsetzung des Einwegpfandsystems sind breit und erstrecken sich vom Management der Materialflüsse, insbesondere Rücknahme, Zugriff auf die Sammelware, über die Finanzierung und Geldflüsse (z. B. Clearing) bis zu Fragen zu Registrierung und Datenmanagement. Obwohl inzwischen Erfahrungen von etablierten, europäischen Einwegpfandsystemen, insbesondere aus Skandinavien und dem Baltikum, vorliegen, stellte und stellt sich die Frage, wann bestehende Lösungen übernommen und angepasst werden sollen beziehungsweise, wann es sich lohnen kann, neue Wege einzuschlagen. Die wichtigsten Eckpunkte für Kund*innen sind: • Pfand gilt für alle Getränkearten mit Ausnahme von Milch und Milchmixgetränken und für alle Gebinde mit einem Volumen zwischen 0,1 und 3 Liter. • Die Pfandhöhe beträgt einheitlich 25 Cent, unabhängig vom Material oder der Größe des Gebindes. • Letztvertreiber*innen sind zur Rücknahme von leeren Gebinden verpflichtet; jene Verkaufsstellen, die Leergebinde manuell (ohne Rücknahmeautomaten) zurücknehmen, müssen nur solche Gebinde zurücknehmen, die sie hinsichtlich Material und Größe auch anbieten und auch nur so viel, wie sie üblicherweise an einzelne Kund*innen verkaufen. Die Gestaltung der Rücknahme, insbesondere eine Rücknahmeverpflichtung, ist essenziell für die zu erreichende Sammelquote, wobei genauso wie im internationalen Vergleich ein Kompromiss zwischen einer verständlichen, flächendeckenden Rücknahmelösung und den Limitationen von kleinen, manuellen Rücknehmern zu finden war. Für die automatisierte oder manuelle Erfassung der abgegebenen Gebinde sind die genannten Rücknehmer eigenverantwortlich zuständig, wobei die entstehenden Kosten für die Bereitstellung und Lagerung an der Rücknahmestelle (z. B. im Filiallager) mit einheitlicher Aufwandsentschädigung (handling-fee), differenziert nach Packstoff und Art der Rücknahme (manuell bzw. automatisiert), abgegolten werden. Grundsatz hierfür ist die Kostenneutralität des Einwegpfandsystems, der mittels prozessorientierter Kostenabgrenzung gegenüber dem Mehrwegpfandsystem umzusetzen war. Die Ermittlung der handling-fee erfolgt dabei nach internationalem Vorbild der skandinavischen und baltischen Systeme. ABF-BOKU SHUTTERSTOCK VORKAUFSRECHT Das logistische Management sowie die Sortierung der Sammelware obliegt einer zentralen Stelle als Eigentümer der Sammelware. Die wesentliche Neuerung bei der österreichischen Pfandlösung ist das Vorkaufsrecht für sortierte Einweggetränkeverpackungen, wobei jedem Inverkehrsetzer (Abfüller oder Importeur) die sortierte Ware anteilig nach Material und Farbe anzubieten ist. Dieses Modell soll den Zugriff der Inverkehrsetzer auf das verkaufte Material erlauben, um die erforderlichen Substitutionsquoten mittels Wiedereinsatz von sekundärem Material zu ermöglichen und auch Marktungleichgewichte zwischen Abfüllern hintanzuhalten. Betreffend Finanzierung verbleiben Materialerlöse und nicht ausbezahlte Pfandbeträge nach internationalem Standard bei der zentralen Stelle. Die dritte Finanzierungssäule der zentralen Stelle, die generell als Non-Profit-Organisation zu betreiben ist, stellt die Produzentenbeiträge dar. Nach dänischem und norwegischem Vorbild ist eine Differenzierung der Produzentenbeiträge nach ökologischen Gesichtspunkten, entsprechend der Ökomodulation, vorzunehmen. Bei der Berechnung der Produzentenbeiträge sind neben den genannten Einnahmen die Kosten für Rücknahme (handling-fee), Sammlung, Sortierung und Transport, unter anderem auch Abfallvermeidungs- und Reinigungskosten zu berücksichtigen, wobei ein negativer Produzentenbeitrag nicht zulässig ist. FÜR ÖSTERREICH ADAPTIERT Zusammenfassend orientiert sich das österreichische Einwegpfandsystem an internationalen schon etablierten Systemen. Einige Gestaltungselemente mussten allerdings neu definiert werden, um österreichische Gegebenheiten zu berücksichtigen, aber auch um neue Entwicklungen abzubilden. Die Einwegpfandverordnung wurde im September 2023 veröffentlicht, womit das Pfandsystem für Einweggetränkeverpackungen plangemäß am 1. Jänner 2025 startet. W DI in Dr. in Astrid Allesch ist Universitätsassistentin am ABF, DI Mag. Peter Beigl forscht dort als Senior Scientist. BOKU Magazin 4 | 2023 9
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