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Bayerische Laufzeitung 2024

Laufen, Nordic/Walken, Radeln und Triathlon in Bayern und Drumherum

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Lebensretter vor Ort erfolgreich<br />

Wie wichtig Rettungsdienste bei Veranstaltungen sind - Mitläuferin rettet ein Leben<br />

Von Erwin Fladerer<br />

Eine Natur zum Durchatmen, gut aufgelegte<br />

Läufer, der Startschuß für wahlweise 7, 11<br />

oder 21 Kilometer über Feldwege und Wiesen.<br />

Das Handy zum Fotografieren unterwegs<br />

habe ich als Genussläufer immer dabei. Sind<br />

es die frei gewordenen Emotionen, dass dieser<br />

„Naturfilm“mittendrin abrupt riss?<br />

Ich war quasi live vor Ort, als die Einsatzkräfte<br />

des BRK Baiersdorf/Kreisverband Erlangen-Höchstadt/Mfr.<br />

bereits erkennen, dass<br />

zwei Personen bei mir, dem kollabierten Läufer,<br />

die Herzdruckmassage durchführen. Eine<br />

davon ist eine Mitläuferin und Ärztin, ein<br />

Glücksfall! Auf die sofortige Rückmeldung<br />

„laufende Reanimation“ an den Einsatzleiter<br />

des Sanitätswachdienstes über Funk, folgte<br />

durch diesen die Anforderung eines Rettungstransportwagens<br />

sowie Notarzteinsatzfahrzeuges.<br />

Hier erwies sich eine gemeinsam<br />

für diesen Einsatz genutzte Digitalfunkgruppe<br />

als hilfreich, da so die Anfahrt in den Wald<br />

direkt abgesprochen werden konnte.<br />

Gerade der sofortige Beginn der Herzdruckmassage<br />

durch die Ersthelferin Dr. Lisa Marr<br />

und die zügige Fortführung der Maßnahmen<br />

durch die Einsatzkräfte des BRKs zeigten<br />

den Erfolg der Reanimation nach fünfzehn<br />

Minuten zwischen Leben und Tod. Der Läufer<br />

konnte durch schnelles Eingreifen in das<br />

Krankenhaus gebracht werden, wo er für fünf<br />

Tage in ein Koma gelegt wurde.<br />

„Diese Erfolgsmeldung kann nur möglich<br />

sein, wenn die Bevölkerung sich regelmäßig,<br />

z.B. über Erste Hilfe Kurse, in diesem<br />

Bereich schult und dann auch ohne zu zögern<br />

anwendet“, sagt Bereitschaftsleiter Michael<br />

Meyer. Heute ist der Läufer, der seit 40<br />

Jahren auf über eintausend Veranstaltungen<br />

unterwegs war, über dem Berg und aufgrund<br />

seiner bekannten Herzinsuffizienz mit einem<br />

implantierten Defibrilator versorgt.<br />

Der plötzliche Herztod<br />

Das Thema beherrscht seit geraumer Zeit<br />

die Bevölkerung, seitdem vor allem in der<br />

Öffentlichkeit bekannte Menschen auch außerhalb<br />

von Laufveranstaltungen daran verstorben<br />

sind. Der Schauspieler Elmar Wepper<br />

war 2023 einer von 65.000, die jährlich nach<br />

einem Herzstillstand am plötzlichen Herztod<br />

sterben.<br />

Aber auch das Schicksal des erst 14-jährigen-<br />

Nicolas May sorgte für Aufsehen. Der Direktor<br />

der Kinderkardiologie am LMU Klinikum<br />

München, Professor Dr. Nikolaus Haas,<br />

nahm sich dem tragischen Fall persönlich an.<br />

Das Ergebnis seiner Obduktion: es war eine<br />

Herzmuskelentzündung. Was Nicolas wahrscheinlich<br />

das Leben gerettet hätte, wäre eine<br />

Vorsorgeuntersuchung gewesen. „Es gibt so<br />

viele verschiedene Standard-Untersuchungen<br />

bei den Kinderärzten. Aber keine, die eine<br />

Bestandsaufnahme dieses wichtigen Organs<br />

beinhaltet.“ Um das kämpft nun die „Nicolas<br />

May Stiftung“ in Fürstenfeldbruck.<br />

Info: https://www.nicolas-may-stiftung.de/<br />

Leistungssportler sind wie die Siebenkämpferin<br />

Birgit Dressel, der Hammerwerfer Uwe<br />

Beyer, die Fußballer Bruno Pezzey oder Michael<br />

Klein vom plötzlichen Herztod nicht<br />

verschont geblieben. Wir erinnern uns an den<br />

dänischen Profi Christian Ericsen, der mitten<br />

in der Partie der Europameisterschaften 2021<br />

regungslos liegenblieb und durch den schnellen<br />

Einsatz eines Defibrilators gerettet werden<br />

konnte.<br />

Dank und Ehrung für erfolgreiche Lebensrettung<br />

an das BRK Erlangen-Höchstadt/Baiersdorf<br />

und Frau Dr. Lisa Marr<br />

Medizinische Hintergründe<br />

Eine Arbeitsgruppe um Daniel Schröder<br />

und Simon-Richard Finke hat anhand einer<br />

umfassenden Literaturrecherche notfallmedizinische<br />

Aspekte speziell für Laufveranstaltungen<br />

zusammengetragen und 2021 im<br />

Springer-Journal Notfall- und Rettungsmedizin<br />

publiziert.<br />

Die Inzidenz des Kreislaufstillstands bei Laufveranstaltungen<br />

liegt zwischen 1:15.000 und<br />

1:150.000. Die Datenlage zu Überlebensraten<br />

ist schwach, liegt aber bei einer Sterberate<br />

von 71 % der Teilnehmer eines Halbmarathons<br />

bzw. Marathons nach Kreislaufstillstand,<br />

was einer Inzidenz von einem Todesfall<br />

pro 259.000 Teilnehmer entspricht. Der<br />

Kreislaufstillstand betrifft vor allem Männer<br />

(93 %) mit einem Durchschnittsalter von 45<br />

bis 50 Jahren, ist in 65–70 % mit einer koronaren<br />

Herzkrankheit (KHK) vergesellschaftet<br />

und tritt gehäuft auf den letzten 5 km eines<br />

Marathons auf. Eine vorbestehende hypertrophe<br />

Kardiomyopathie, eine Muskelerkrankung<br />

des Herzens, geht mit einer hohen Mortalität<br />

bei Laufveranstaltungen einher und ist<br />

die Hauptursache für Kreislaufstillstände bei<br />

jüngeren Sportlern. Hyponatriämie, die durch<br />

Aufnahme von zu viel Flüssigkeit entstehen<br />

kann, Niereninsuffizienz und Hitzschlag sind<br />

seltene Gründe für einen Kreislaufstillstand.<br />

Ein früher Beginn der Wiederbelebungsmaßnahmen<br />

und initiales Kammerflimmern sind<br />

Prädiktoren für die Wiederherstellung eines<br />

Kreislaufs. Die Sicherstellung von Sanitätsund<br />

Rettungsdienstpersonal sowie die Möglichkeit<br />

der baldigen Defibrillation auf den<br />

letzten 10 km eines Marathons können die<br />

Überlebensrate steigern.<br />

Pathophysiologisch existieren verschiedene<br />

Erklärungsmodelle für die Entstehung eines<br />

Kreislaufstillstands bei Laufveranstaltungen.<br />

Durch Muskelfaserzerfall und Flüssigkeitsverlust<br />

kommt es zu Elektrolytverschiebungen,<br />

woraus hämodynamisch relevante kardiale<br />

Arrhythmien resultieren. Zudem begünstigt<br />

infolge körperlicher Aktivität freigesetztes<br />

Interleukin-6 das Syndrom der inadäquaten<br />

Ausschüttung von antidiuretischem Hormon,<br />

was wiederum die Natriumausscheidung fördert<br />

und eine Hyponatriämie begünstigt. Darüber<br />

hinaus trägt eine belastungsinduzierte<br />

Zytokinausschüttung zur Ruptur instabiler<br />

Plaques in den Herzkranzgefäßen bei, was<br />

durch steigende Troponinwerte abgebildet<br />

wird.<br />

Die Wiederbelebungsleitlinien empfehlen,<br />

dass der Kollaps eines Sportlers eine „unmittelbare<br />

Reaktion des medizinischen Teams“<br />

auslösen sollte. In diesem Rahmen müssen<br />

im Vorfeld Zugangswege zum Patienten für<br />

den Rettungsdienst geschaffen werden und<br />

bekannt sein. Die Möglichkeit zur (Laien-)<br />

Defibrillation muss jederzeit bestehen. Die<br />

Laienausbildung aller Sportler in Wiederbelebungsmaßnahmen<br />

soll gesteigert werden.<br />

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<strong>Bayerische</strong> <strong>Laufzeitung</strong> <strong>2024</strong><br />

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