Kinder Stärken erleben lassen

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Thema: Kinder Stärken erleben lassen Grundbedürfnisse Körperliche Integrität Grundbedürfnisse Körperliche Integrität Existentielle Sicherheit 7 6543210 Geborgenheit Existentielle Sicherheit 7 6543210 Geborgenheit Leistung Soziale Anerkennung Stellung Leistung Soziale Anerkennung Stellung Selbstentfaltung Abb. 3 (S. 355): Bedürfnisprofil von Jakob (Immobilienmakler) Selbstentfaltung Abb. 4 (S. 359): Bedürfnisprofil von Erika (Künstlerin) und Lernen“ und zur Aktion „Bildungswende jetzt!“ in diesem Heft). Für Largo reichen die Konsequenzen weit über die Schule hinaus. Er fordert ein Umdenken, das alle Bereiche unseres Lebens betrifft – auch im Erwachsenenalter (o. J./2023, 5): „Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb die heutige Gesellschaft und Wirtschaft es uns immer schwerer macht, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. So wird die Digitalisierung und Automatisierung in der Wirtschaft dazu führen, dass es zukünftig immer weniger Arbeit geben wird. (…) Immer mehr Menschen haben das Hamsterrad einer sinnentleerten Arbeit satt und suchen nach alternativen Lebensformen. Sie wollen Sinnvolles leisten, etwas, das sie befriedigt und der Gemeinschaft dient. Sie wollen vermehrt in stabilen Gemeinschaften leben, beispielsweise in Mehrgenerationenhäusern. Wir müssen uns daranmachen, Gesellschaft und Wirtschaft umzugestalten. Wenn das gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftssystem an seine Grenzen kommt, müssen wir alternative Lebensformen geschaffen haben. Ein sozialer und wirtschaftlicher Zusammenbruch oder gar ein Krieg, Ereignisse, wie sie früher immer dann aufgetreten sind, wenn ein System an seine Grenzen kam, können wir uns nicht mehr leisten. Wir müssen das scheinbar Unmögliche denken.“ Damit anfangen können und sollten wir in der Grundschule! Literatur Hecker, U., u. a. (Hrsg.) (2020a): KINDER LERNEN ZUKUNFT: Anforderungen und tragfähige Grundlagen. Beiträge zur Reform der Grundschule, Bd. 150. Grundschulverband: Frankfurt. Hecker, U., u. a. (Hrsg.) (2020b): KINDER LERNEN ZUKUNFT: Über die Fächer hinaus – Prinzipien und Perspektiven. Beiträge zur Reform der Grundschule, Bd. 151. Grundschulverband: Frankfurt. Largo, R. (o. J./2023): DAS FIT-PRINZIP. Download: https://www.largo-fitprinzip. com/fit-prinzip.html (Abruf: 8.12.2023) Largo, R. (2017): Das passende Leben. Was unsere Individualität ausmacht und wie wir sie leben können. S. Fischer: Frankfurt. Largo, R./ Beglinger, M. (2009): Schülerjahre. Wie Kinder besser lernen. Piper: München. „Schularchitektur und Lernraumkultur“ Der Band 157 „Schularchitektur und Lernraumkultur“ zeigt mit einer Vielfalt an Texten und Fotos Möglichkeiten für eine Planung von Schulen sowie Neugestaltung von Lernräumen auf, die sowohl Schulbauplaner:innen als auch Kollegien Perspektiven und Impulse bieten. Eine Reise zu den interessantesten Grundschulen in anderen Ländern und auch bei uns in Deutschland mit unserem Fotoband im DINA 4 Format aus der Buchreihe „Reform der Grundschule“ erscheint im März. 8 GS aktuell 165 • Februar 2024
Thema: Kinder Stärken erleben lassen „Irgendwie sind wir alle etwas schräg …“ Für Kinder schreiben, Eltern und Lehrkräfte berühren – aber nicht pädagogisieren Der Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel (AS) im Videogespräch mit Hans Brügelmann und Erika Brinkmann (GSa), begleitet von Gabi Klenk und Maresi Lassek als Dokumentatorinnen GSa: Herr Steinhöfel, heute ist der „Tag der Kinderrechte“. Sie sind ja zu einer Zeit in die Schule gegangen, die weit vor der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention lag. Wie haben Sie damals in den 1960er-Jahren den Umgang der Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen erlebt? AS: In der Grundschule hatte ich selbst großes Glück. Ich bin in eine Klasse gekommen mit einem sehr jungen Lehrer, der hat als allererste Amtshandlung verfügt, dass ich weiter mit der linken Hand schreiben durfte. Ich hatte schon angefangen zu schreiben, weil ich neugierig war. Ich selbst habe ihn als extrem aufgeschlossen empfunden als Kind. Man konnte ihn alles fragen. GSa: Und wie war das bei den anderen Kindern? AS: Ich hatte zwei Mitschülerinnen, die kamen aus ganz, ganz schwierigen sozialen Verhältnissen, aus einem Ortsteil, wo jedem klar war, dass sie es schwer haben würden. Sie kamen zum Beispiel häufig ohne Hausaufgaben und SUBTIL: Wenn etwas so unauffällig ist, dass man es fast nicht bemerkt. Neulich auf dem Rixdorfer Weihnachtsmarkt hat mir zum Beispiel der Bühl einen Crêpe gekauft, der auffällig subtil mit Nutella bestrichen war. Vermutlich bestellt man besser Nutella mit Crêpe. (Aus: Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch, S. 71) In den Kästen haben wir Definitionen eingestreut, mit denen sich der „tiefbegabte“ Rico aus Steinhöfels Buchreihe „Rico, Oskar und …“ schwierige Begriffe erklärt und zu merken versucht. dann hat der Lehrer ihnen dieses Hausaufgabenheft um die Ohren geschlagen. Das war körperliche Misshandlung aus heutiger Perspektive. Als Kind nimmst du so etwas erst mal an und denkst: Ja selber schuld! Ich habe ja auch Prügel gekriegt zu Hause, wenn ich Mist gebaut habe. Ich weiß aber, dass ich das damals als so ungerecht empfunden habe, weil ich ja wusste, den Mädchen geht es doch sowieso nicht so gut. Warum werden die jetzt auch noch gehauen? Ich hab mich nicht getraut, etwas zu sagen, keiner hat sich getraut. Erst viele Jahre später habe ich den Lehrer bei einem Treffen darauf angesprochen. GSa: Hat sich die Schule denn aus Ihrer Sicht seitdem verändert? AS: Ich habe eine Nichte, die gerade 15 geworden ist, die andere Nichte kommt nächstes Jahr in die fünfte Klasse. Beim Übergang erleben wir bei den Tagen der offenen Türe sehr viel Zuwendung von den Lehrern. Und das ist erfreulich. Aber in der Grundschule beobachte ich zum Teil eine extrem enge emotionale Bindung an die Lehrer und Lehrerinnen, das geht über so eine Art Freundschaftsebene. Erst mal finde ich es sehr gut, dass diese Nähe da ist. Aber gleichzeitig sehe ich es als problematisch an, weil ein kritischer Abstand zu dieser Person bei den Kindern völlig fehlt. Einen respektvollen Abstand in beide Richtungen finde ich notwendig für diese Institution. Mein Lehrer damals war nett, er hätte aber niemals eine solche Nähe zugelassen. GSa: Aber das ist etwas anderes als der Schulalltag in den 1960ern, da war das nicht wechselseitiger Respekt, sondern einseitiger Autoritätsanspruch, oder? Andreas Steinhöfel Andreas Steinhöfel, *1962, Autor von Kinder- und Jugendliteratur und Drehbüchern sowie Übersetzer, erhielt im November 2023 gemeinsam mit Maresi Lassek und anderen für Bildung und Demokratie engagierten Bürgerinnen und Bürgern im Schloss Bellevue aus der Hand des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz. Aus der Begründung: Mit dem unterschiedlichen Freundespaar „Rico und Oskar“ hat er zwei der seit Jahren bekanntesten Kinderbuchhelden geschaffen. Die beiden gehören zur vielgestaltigen Welt seiner Figuren, die oftmals Außenseiter oder Benachteiligte sind. Voller Empathie und Sinn für Spannung erzählt Andreas Steinhöfel die Geschichten dieser Alltagshelden, mit denen er junge Menschen ermutigt, an sich selbst zu glauben. Dabei macht er seinen jungen – wie auch den zahlreichen erwachsenen – Leserinnen und Lesern die Bedeutung von Werten wie Toleranz und Weltoffenheit eindringlich klar. AS: Ja, wir hatten damals in der ersten Klasse Kinder, deren Eltern Gastarbeiter waren. Damals hieß das noch „Gastarbeiterkind“, der erste, der kam, war ein spanischer Junge. Links von der Tafel stand der Tisch mit dem kleinen spanischen Jungen dran, der kein Deutsch konnte. Und er saß dann da und guckte die Wand an, vier Jahre lang. Das war eine Katastrophe. GS aktuell 165 • Februar 2024 9
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