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Kinder Stärken erleben lassen

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Thema: <strong>Kinder</strong> <strong>Stärken</strong> <strong>erleben</strong> <strong>lassen</strong><br />

GSa: … der kümmert sich zum Beispiel<br />

um die kleinen Geschwister oder<br />

hilft bei Streitereien …<br />

AS :… ja, all solche Dinge. Da wäre toll<br />

zu merken, da ist die Wertschätzung<br />

auf einer anderen Ebene, die vielleicht<br />

auch gar nicht benotet werden muss,<br />

weil dann die Kiddies ein ganz anderes<br />

Erfolgserlebnis hätten. Aber nur, weil du<br />

auf deine Geschwister aufpasst, heißt<br />

das nicht, dass du kein Deutsch lernen<br />

musst oder kein Mathe oder so. Prinzipiell<br />

wäre es vielleicht was Schönes,<br />

wenn man den Blick so erweitert …<br />

GSa: … und vielleicht nicht nur was<br />

Schönes. Denn wenn jemand sich als<br />

Mensch anerkannt fühlt, traut er sich<br />

vielleicht auch eher, an seiner Schwäche<br />

zu arbeiten, weil er sie sich eingestehen<br />

kann, was er nicht kann, wenn diese<br />

Schwäche nicht zum Anlass wird, ihn<br />

als Person abzuwerten.<br />

AS: Genau! Aber dazu noch eine<br />

Anmerkung. Es heißt immer, wir müssen<br />

auch die Schwachen mitnehmen,<br />

und das unterschreibe ich. Aber bitte<br />

frag die doch vorher, soweit das ein<br />

Kind schon entscheiden kann, ob es<br />

mitgenommen werden möchte. Vielleicht<br />

sagt es: Das ist ja schön, dass du<br />

mir das Lesen nahebringen willst. Aber<br />

ich möchte, ich brauche das jetzt überhaupt<br />

nicht. Ich habe diese Diskussion<br />

mit Eltern häufig. Wenn die dann sagen:<br />

„Schreiben Sie doch da was, damit mein<br />

Kind liest.“ – „Und warum möchten Sie<br />

das denn gerne, dass Ihr Kind liest?“ –<br />

„Ja, damit das dann zum Beispiel später<br />

Zeitung lesen oder Internet und<br />

HYPNOSE: Wenn etwas oder jemand<br />

anderes dir seinen Willen aufzwingt. Du<br />

musst dann tun, was von dir verlangt<br />

wird, und kannst dich nicht wehren.<br />

Zum Beispiel guckst du einen Schokoriegel<br />

an und er zwingt dich, ihn sofort<br />

zu essen. Vom Schokoriegel ist das natürlich<br />

dumm. Denn erstens hat er nach<br />

dem Essen keine Macht mehr über dich,<br />

und zweitens hättest du ihn ja auch freiwillig<br />

verputzt.<br />

(Aus: Rico, Oskar und das<br />

Vomhimmelhoch, S. 10)<br />

sich eine eigene Meinung bilden kann.“<br />

Ich sage dann, okay, aber aktuell ist Ihr<br />

Kind ja der Meinung, dass es nicht lesen<br />

möchte. Was ist denn jetzt daran falsch?<br />

GSa: Sind Ihnen Ihre Buchfiguren<br />

in dieser Komplexität<br />

eigentlich von Anfang an vor<br />

Augen oder entwickeln diese<br />

ein Eigenleben, während Sie<br />

schreiben?<br />

AS: Eigentlich ist beides da. Da<br />

ist schon so eine recht deutliche<br />

Vorstellung, zumindest von den<br />

Hauptfiguren, wie ich sie gerne<br />

hätte. Ich kaue gerade an einem<br />

anderen Stoff, wo ich mit der Hauptfigur<br />

zum Beispiel noch gar nicht klar bin,<br />

und merke, ich würde gerne anfangen<br />

zu schreiben, aber es hat überhaupt keinen<br />

Sinn, solange diese Figur emotional<br />

nicht richtig ausgestattet ist. Und dann<br />

kommen während des Schreibens die<br />

Feinheiten noch dazu, die mich manchmal<br />

selbst überraschen.<br />

VERB: Wort für Dinge, die man tut, deshalb<br />

heißt es auch Tuwort. Zum Beispiel<br />

schlafen, stehen, sitzen. Das Getue kann<br />

man zusätzlich noch beugen, das nennt<br />

man dann Grammatik und die ist ziemlich<br />

kompliziert, denn beim Schlafen,<br />

Stehen, Sitzen tut man ja gar nichts,<br />

schon gar nichts mit Verbeugungen. Es<br />

müsste also eigentlich Lasswort heißen,<br />

aber das ist leider auch so ein Gegenteilwort,<br />

das es nicht gibt.<br />

(Aus: Rico, Oskar und das<br />

Vomhimmelhoch, S. 10)<br />

Anfangs gebe ich jeder Figur drei<br />

Eigenschaften mit, und der Rest ergibt<br />

sich dann von alleine. Und zwar<br />

möglichst drei Eigenschaften, die nach<br />

außen nicht gut zusammenpassen, die<br />

also sehr vielfältige oder auch disparate<br />

Persönlichkeiten charakterisieren, in<br />

denen sich ganz viele Dinge vereinen.<br />

Das macht uns ja so spannend als ein<br />

Gegenüber. Das ist so ein bisschen Menschenkunde,<br />

die auch die <strong>Kinder</strong> betreiben<br />

dürfen und können. Was eben die<br />

Lehrer erkennen sollen, das sollten <strong>Kinder</strong><br />

schon auch erkennen dürfen.<br />

<strong>Kinder</strong> können, das wissen wir, zum<br />

Beispiel echt eklig sein, auch kleine<br />

Mobber. Und dann hilft es demjenigen,<br />

der gemobbt wird, gar nicht, dass dieses<br />

Mobbing-Kind selber Probleme zu Hause<br />

hat. Wenn ich eins auf die Mütze kriege,<br />

dann kriege ich das auf die Mütze,<br />

und dann ist mir egal, warum der andere<br />

das macht. Der hat sie dann einfach<br />

nicht mehr alle.<br />

Aber es wäre schön, <strong>Kinder</strong>n zu eröffnen:<br />

Irgendwie sind wir alle etwas<br />

schräg. Du denkst vielleicht, du hast ein<br />

komisches Leben, aber wir haben alle<br />

ein komisches Leben. Jeder von uns.<br />

GSa: Mich haben in Ihren Rico-<br />

Bänden immer die Einschübe mit<br />

Ricos persönlichen Erklärungen<br />

unbekannter Begriffe fasziniert (s.<br />

einige Beispiele in den Kästen). Haben<br />

Sie sich die ganz ausgedacht, oder<br />

sind Sie zum Teil auch von <strong>Kinder</strong>äußerungen<br />

inspiriert worden?<br />

AS: Die sind komplett ausgedacht.<br />

Ursprünglich wollte ich nur aus der<br />

Perspektive des hochbegabten Oskar<br />

schreiben, aber das hat überhaupt nicht<br />

funktioniert. Und dann habe ich den<br />

kleinen „Tiefbegabten“ dazugeholt. Der<br />

war anfangs einfach der Doofe, der war<br />

für die Gags zuständig, aber die Gags<br />

gingen auf seine Kosten. Da habe ich<br />

schnell gemerkt: Das geht gar nicht, ich<br />

will nicht ein Kind, das ich lächerlich<br />

mache. Aber da war immer die Angst,<br />

dass er trotzdem irgendwie als zu doof<br />

rüberkommen könnte. Also habe ich<br />

die Story kurzerhand aus seiner Perspektive<br />

verfasst, und da entstand dann<br />

auch die Idee hinter den Kästchen: Dass<br />

man sieht, Rico kann zwar nur geradeaus<br />

laufen, aber er kann super um drei<br />

Ecken denken! Denn darin offenbart<br />

sich ja seine Intelligenz, dass er in der<br />

Lage ist, ganz toll psychologisch Dinge<br />

zu durchschauen, und diese dann nur<br />

eben anders formuliert, als wir sie formulieren<br />

würden.<br />

GSa: Vielen Dank, lieber Herr Steinhöfel,<br />

für diesen anregenden Austausch!<br />

<br />

GS aktuell 165 • Februar 2024<br />

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