Kinder Stärken erleben lassen
GSa165_Feb24_ES
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Thema: <strong>Kinder</strong> <strong>Stärken</strong> <strong>erleben</strong> <strong>lassen</strong><br />
stärken, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
anerkennend begleiten und ein Klima<br />
des Respekts untereinander unterstützen.<br />
<strong>Kinder</strong> aus benachteiligten Familien<br />
so zu unterstützen, dass sie die ihnen<br />
zustehenden Bildungschancen auch nur<br />
annähernd bekommen und nutzen können,<br />
erfordert, bezogen auf Verantwortung,<br />
auch einen Blick auf das politische<br />
Handeln.<br />
Die mit der Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
der PISA-Studie 2022 verbundenen<br />
politischen Erklärungsversuche<br />
und Forderungen beinhalten ein Tableau<br />
von vermuteten Ursachen für den<br />
Abfall der registrierten Leistungen. Das<br />
schlechte Ergebnis der 15-Jährigen wird<br />
auf Mängel in der frühkindlichen Bildung<br />
zurückgeführt, auf eine zu heterogene<br />
Schülerschaft, auf unzureichende<br />
Grundkompetenzen im Schreiben, im<br />
Rechnen und besonders im Lesen, auf<br />
Sanierungsstau bei Schulgebäuden, fehlende<br />
Kita- und Schulgebäude und den<br />
Mangel an Erzieher*innen und Lehrkräften.<br />
Diskutiert wird ebenso das Für<br />
und Wider der Digitalisierung. Als Ursache<br />
diagnostiziert werden zudem unzureichende<br />
sprachliche Kompetenzen<br />
bei deutschsprachig und besonders bei<br />
mehrsprachig aufwachsenden <strong>Kinder</strong>n.<br />
All das kann eine Rolle spielen. Daher<br />
ist die Fokussierung auf die Basiskompetenzen,<br />
insbesondere das Lesen, und<br />
evidenzbasierte Förderprogramme unzureichend.<br />
Es braucht eine grundsätzlich<br />
deutlich bessere Ausstattung von<br />
Schulen in herausfordernder Lage.<br />
Gehandelt werden muss an vielen<br />
Stellen. Drei Handlungsebenen bzw.<br />
Baustellen sollen hier kurz skizziert<br />
werden: die politische, die pädagogische<br />
und die Ausgangslage der <strong>Kinder</strong>.<br />
● Politisches Handeln<br />
Insbesondere die ökonomische<br />
Ungleichverteilung von Familieneinkommen<br />
wirkt sich auf die Bildungsbe(nach)teiligung<br />
von <strong>Kinder</strong>n aus.<br />
<strong>Kinder</strong> zu stärken verlangt daher, ihre<br />
ökonomische Ausgangslage zu verbessern<br />
und barrierefreier zu gestalten,<br />
wie es die geplante <strong>Kinder</strong>-Grundsicherung<br />
ab 2025 leisten soll. Mit der<br />
Grundsicherung wird nicht die <strong>Kinder</strong>armut<br />
abgeschafft werden können, aber<br />
es können individuelle psychische, physische<br />
und gesundheitliche Belastungen<br />
gemindert werden.<br />
Um Bildungschancen zu erhöhen,<br />
braucht es daneben eine grundsätzlich<br />
bessere Ausstattung der Bildungseinrichtungen.<br />
Schulen mit einem hohen Anteil<br />
von <strong>Kinder</strong>n aus armen Familien müssen<br />
zusätzliche Ressourcen zugewiesen bekommen,<br />
um über ausgleichende Angebote<br />
im künstlerischen, kreativen, sprachlichen,<br />
praktischen und bewegungspädagogischen<br />
Bereich <strong>Kinder</strong>n Erfahrungen,<br />
die ihnen ansonsten verwehrt bleiben, zu<br />
ermöglichen. Das bereits in der Umsetzung<br />
befindliche Startchancenprogramm<br />
wird sich auf Schulbau und Schulsanierung<br />
sowie Sozialarbeit konzentrieren.<br />
Es reicht bei Weitem nicht aus, um Schulen<br />
so auszustatten, dass sie familiale Bildungsbenachteiligungen<br />
besser kompensieren<br />
könnten. Auch schafft das zwischen<br />
den Bundesländern ausgehandelte<br />
Verteilungsverfahren der Gelder eine tatsächlich<br />
bedarfsgerechte Verteilung nicht.<br />
Von größtem Interesse für die Politik<br />
muss sein, dass <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />
über ihre Schulen möglichst viel Weltwissen<br />
und Fähigkeiten erhalten, damit ihre<br />
Potenziale gefördert, ihre Beteiligung ermöglicht<br />
und ihre Chancen erhöht werden;<br />
sie werden später für eine demokratische<br />
Gesellschaft und als Fachkräfte für<br />
das Gemeinwohl aller gebraucht.<br />
● Pädagogisches Handeln<br />
Nicht alle Verantwortung, die den<br />
Bildungseinrichtungen zugeschrieben<br />
wird, kann von diesen allein gemeistert<br />
werden. Die Heterogenität der Schülerschaft<br />
hat sich zunehmend vergrößert<br />
u. a. durch den hohen Anteil an <strong>Kinder</strong>n,<br />
die zweisprachig und in unterschiedlichen<br />
kulturellen Zusammenhängen<br />
aufwachsen, die Unterschiedlichkeit<br />
der Familienkonstellationen<br />
(weg vom traditionellen Familienbild)<br />
und die veränderten Möglichkeiten der<br />
Eltern, ihre <strong>Kinder</strong> zu unterstützen. Von<br />
den Grundschulen fordert das eine hohe<br />
Anpassungsleistung, die mit zusätzlichen<br />
Ressourcen unterstützt werden muss.<br />
Diese Unterschiedlichkeit anzunehmen<br />
und die Bedürfnisse des einzelnen<br />
Kindes zu erkennen liegt in der Verantwortung<br />
der Pädagoginnen und Pädagogen<br />
und verlangt diagnostische Kompetenz<br />
und Zeit. Als wichtiger Schritt<br />
in der Unterstützung der <strong>Kinder</strong> gilt es,<br />
pädagogische Beziehungen zu intensivieren,<br />
ihr Vertrauen zu gewinnen, Geborgenheit<br />
zu geben und damit ihre Zuversicht<br />
zu erhöhen. Um die Schule als<br />
Ort der Lebens- und Lernfreude zu gestalten,<br />
als Ort der Sicherheit und Zugehörigkeit,<br />
wie es der Grundschulverband<br />
fordert (vgl. Hecker u. a. 2020), braucht<br />
es eine starke Schulgemeinschaft. Sozial<br />
ausgerichtete Aufgaben abzutrennen<br />
und an die Sozialarbeit zu „delegieren“<br />
wird dem Anspruch nicht gerecht.<br />
● Familie und Wohnumfeld –<br />
individuelle Ausgangslage<br />
Die ökonomische Ausgangslage der <strong>Kinder</strong><br />
bzw. der Familien im Wohnquartier<br />
ist insbesondere den Grundschulen<br />
meist bekannt. Aus der Wohnlage lässt<br />
sich ableiten, an welchen Erfahrungen<br />
es den <strong>Kinder</strong>n mangeln könnte, was<br />
ihnen das Leben schwer macht, woran<br />
sie nicht teilhaben können (vgl. Heft 107<br />
von Grundschule aktuell zum Thema<br />
„allen <strong>Kinder</strong>n gerecht werden“).<br />
Dafür Ausgleiche zu schaffen ist die<br />
eine Seite der Herausforderung.<br />
Schwieriger ist der Blick auf die Sorgen<br />
von <strong>Kinder</strong>n, ihre Ängste und<br />
Hemmnisse im Zusammenleben, gerade<br />
in der schwierigen Zeit während und<br />
nach der Pandemie sowie vielfältiger<br />
Krisen und Kriege in der Welt, die auch<br />
vor unseren <strong>Kinder</strong> nicht haltmachen.<br />
<strong>Kinder</strong>n über ein vertrauensvolles und<br />
respektvolles Miteinander und ehrliche,<br />
ernst gemeinte Beziehungen Zuversicht<br />
und Verlässlichkeit zu vermitteln, wird<br />
sie grundsätzlich ermutigen, ihre Ideen<br />
und Überlegungen in die Gemeinschaft<br />
einzubringen, weil sie Blamage nicht<br />
fürchten müssen. Ein vertrauensvolles<br />
Klima kann <strong>Kinder</strong>n helfen, offener zu<br />
werden und trotz wenig gesicherter Voraussetzungen<br />
einen selbstbewussteren<br />
Weg einzuschlagen. Dafür braucht es<br />
Lehrkräfte und andere Erwachsene, die<br />
ihre Fähigkeiten erkennen, ihnen Beteiligung<br />
ermöglichen, Ziele aufzeigen und<br />
verlässliche Begleitung anbieten.<br />
Weitere Unterstützungsangebote<br />
– das Dorf<br />
Alle <strong>Kinder</strong> und besonders diejenigen, die<br />
Unterstützungsbedarf signalisieren, in den<br />
Unterricht und in das soziale Miteinander<br />
der Klasse und der Schulgemeinschaft<br />
einzubinden ist eine herausfordernde<br />
pädagogische Aufgabe, die sowohl tragende<br />
pädagogische Beziehungen<br />
braucht wie auch ein „Klima“ für diesen<br />
4 GS aktuell 165 • Februar 2024