Kinder Stärken erleben lassen
GSa165_Feb24_ES
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Praxis: <strong>Kinder</strong> <strong>Stärken</strong> <strong>erleben</strong> <strong>lassen</strong><br />
darum, dem Kind zu spiegeln, was es<br />
bereits gut kann, wo es sich verbessert<br />
bzw. persönlich weiterentwickelt hat<br />
und wo noch „Baustellen“ bestehen.<br />
Aktuelle Studien belegen die lernunterstützende<br />
und Leistungsmotivation<br />
fördernde Wirkung professionellen<br />
Feedbacks im Kontext von Lerngesprächen<br />
zwischen Lehrkraft und<br />
Kind sowie von Lernentwicklungsgesprächen,<br />
an denen auch die Eltern beteiligt<br />
sind (Dollinger 2019). Solche<br />
Gespräche sollten auch dem Kind die<br />
Möglichkeit geben, seine Perspektiven<br />
zu verdeutlichen und der Lehrkraft beispielsweise<br />
rückzumelden: Hier sehe<br />
ich es anders!<br />
Auf diese Weise wird Deutung von<br />
beobachteten Situationen gemeinsam<br />
kon struiert. Wenn <strong>Kinder</strong>n (und Eltern)<br />
Mitbestimmung an der Interpretation<br />
wie auch an Schlussfolgerungen<br />
für künftige Lern- und Entwicklungsprozesse<br />
ermöglicht wird, können sie<br />
als informierte und involvierte Akteur*innen<br />
auch verantwortlich in die<br />
Planung und Nutzung anknüpfender<br />
Bildungs- und Lernangebote eingebunden<br />
werden. Dies bildet den Kern<br />
einer partizipativen Bildungsdokumentation<br />
(vgl. Büker/Ogrodowski/Antenbrink<br />
2020).<br />
Schritt 4<br />
Beobachtungen<br />
analysieren und im Team<br />
interpretieren<br />
Welche „Normalvorstellungen“<br />
von <strong>Kinder</strong>n<br />
allgemein, von einem typischen<br />
Verlauf einer solchen<br />
Situation, von angemessenem<br />
Verhalten oder gutem<br />
Unterricht liegen der Beobachtung<br />
zugrunde? Sind<br />
dadurch ggf. Verzerrungen<br />
entstanden?<br />
Wie sorgen wir dafür, dass<br />
Beobachtungen und Dokumentationen<br />
zunächst<br />
möglichst offen diskutiert<br />
werden, ohne dass vorschnell<br />
interpretiert wird?<br />
Wie sorgen wir als Schule<br />
für die Umsetzung der<br />
datenschutzrechtlichen<br />
Vorgaben im Umgang mit<br />
den erhobenen Daten und<br />
den entstandenen Dokumentationen?<br />
Schritt 5<br />
Beobachtungen mit<br />
<strong>Kinder</strong>n und Eltern<br />
validieren und reflektieren<br />
Was möchte ich aus dieser<br />
Beobachtung an das Kind<br />
rückmelden und wie<br />
kann diese Rückmeldung<br />
kindangemessen und<br />
<strong>Kinder</strong> stärkend gestaltet<br />
werden? Wie kann ich<br />
sicherstellen, dass die<br />
Persönlichkeitsrechte des<br />
Kindes gewahrt bleiben?<br />
Haben wir als Team<br />
Konzepte und Strategien,<br />
um Ergebnisse aus der<br />
Bildungsdokumentation<br />
an Eltern rückzumelden?<br />
Welche Ziele sind mit einer<br />
solchen Rückmeldung an<br />
die Eltern verbunden?<br />
Wie können wir als<br />
Schulleitungsteam bei<br />
Konflikten mit Eltern<br />
unterstützen?<br />
Schritt 6: Anschließende Lernangebote<br />
professionell planen und gestalten<br />
Idealerweise werden in gemeinsamen<br />
Gesprächen über Beobachtungen und<br />
Dokumentationen Interessen, Lernbedarfe<br />
und Lernbedürfnisse von <strong>Kinder</strong>n<br />
deutlich, die in einen Zusammenhang<br />
gesetzt werden können mit den<br />
für die jeweilige K<strong>lassen</strong>stufe ausgewiesenen<br />
Kompetenzzielen. Die Auseinandersetzung<br />
hiermit führt unmittelbar<br />
zur Planung des pädagogischen Alltags,<br />
z. B. zur Frage nach spezifischen<br />
Anregungen und Anleitungen oder zum<br />
Aufgaben- und Materialangebot.<br />
Erst über den Transfer der Beobachtungsergebnisse<br />
in den pädagogischen<br />
Alltag können die Ansprüche, die an Bildungsdokumentationen<br />
gestellt werden,<br />
tatsächlich erreicht werden: individuelle<br />
Bildungsbegleitung und -förderung im<br />
Sinne einer interessenbezogenen und ressourcenorientierten<br />
Arbeit mit dem Kind.<br />
Anregungen zur Umsetzung<br />
im pädagogischen Alltag<br />
Schritt 6<br />
Anschließende Lernangebote<br />
professionell<br />
planen und gestalten<br />
Wie sehe ich meine zukünftige<br />
Aufgabe in der<br />
Begleitung und Unterstützung<br />
dieses Kindes und<br />
wie fühle ich mich dabei?<br />
Wie können andere <strong>Kinder</strong><br />
von der Förderung des<br />
Kindes profitieren? Wie<br />
schätze ich die Möglichkeiten<br />
bei mir persönlich<br />
und in unserer Schule ein,<br />
um das Kind adäquat zu<br />
begleiten?<br />
Welche Ziele möchten wir<br />
mit dem Austausch über<br />
Beobachtungen erreichen?<br />
Wo ergeben sich ggf. neue<br />
Kooperationen im Team?<br />
Wie können wir als Schulleitung<br />
das Kollegium bei<br />
der Weiterentwicklung<br />
pädagogischer Qualität<br />
unterstützen?<br />
Abb. 3: Ausgewählte Reflexionsfragen für Einzelpersonen, Teams und Leitungskräfte<br />
(Beobachtungsschritte 4–6)<br />
Der Aufbau und die Etablierung von<br />
Beobachtungs- und Dokumentationsstrukturen<br />
in Verbindung mit einer<br />
„Reflexion im Dialog“ erfordern Expertisen<br />
sowie zeitliche und personelle Ressourcen.<br />
Indes gehören Beobachtung<br />
und Dokumentation zum Alltagsgeschäft<br />
von Lehrkräften und sind insbesondere<br />
im Kontext von Elterngesprächen,<br />
Lernstandsberichten, Zeugnissen<br />
etc. ohnehin unerlässlich. Es<br />
ist daher wichtig, innerhalb der Schule<br />
verlässliche zeitliche Strukturen für<br />
den kollegialen Austausch in Teams wie<br />
auch für die Einrichtung von <strong>Kinder</strong>sprechstunden<br />
zu schaffen – hier sind<br />
vor allem die Leitungskräfte gefragt.<br />
Bezüglich einer ressourcenschonenden<br />
Gestaltung von Beobachtung und Dokumentation<br />
können – unter Einhaltung<br />
datenschutzrechtlicher Bestimmungen –<br />
digitale Möglichkeiten genutzt werden wie<br />
z. B. Fotos und Sprachmemos anstelle von<br />
schriftlicher Dokumentation. In größeren<br />
Einrichtungen macht es ggf. auch Sinn, das<br />
Amt einer/eines Beauftragten für die Bildungsdokumentation<br />
zu schaffen – diese<br />
Person könnte die verschiedenen Ebenen<br />
systematisch zusammenführen und die<br />
Etablierung der Strukturen begleiten und<br />
sichern. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung<br />
anregender Reflexionsfragen,<br />
beispielsweise an einem pädagogischen<br />
Tag mit dem gesamten Kollegium.<br />
Resümee<br />
In unseren Ausführungen wird deutlich,<br />
dass Beobachtung und Dokumentation<br />
eine wesentliche Grundlage für pädagogisch<br />
professionelles Handeln der einzelnen<br />
Lehrkraft sind, über die sich gleichzeitig<br />
ein enger Zusammenhang für die<br />
Personal- und Schulentwicklung eröffnet.<br />
Zudem ergeben sich durch gemeinsam<br />
geplante, durchgeführte und reflektierte<br />
Beobachtung und Dokumentation<br />
Potenziale mit Blick auf die institutionenübergreifende<br />
Kooperation von <strong>Kinder</strong>tageseinrichtung<br />
und Grundschule<br />
im Kontext der Übergangsgestaltung.<br />
Der gemeinsame Austausch über und<br />
mit <strong>Kinder</strong>n zu ihren Kompetenzen, ihrer<br />
Lern- und Bildungsentwicklung und die<br />
Auseinandersetzung mit den produktiv irritierenden<br />
Reflexionsfragen führt neben<br />
individuellen Reflexions- und Professionalisierungsprozessen<br />
zu dem gemeinsamen<br />
Anspruch, „<strong>Kinder</strong>stärken (wieder)<br />
sichtbar werden zu <strong>lassen</strong>“.<br />
Literaturangaben zum Artikel können<br />
Sie von unserer Website herunterladen:<br />
https://t1p.de/GSa165Lit<br />
GS aktuell 165 • Februar 2024<br />
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