O+P Fluidtechnik 3/2024
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INTERVIEW<br />
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
über Arbeitskreise im VDMA oder direkt mit KMU durch Unterstützungsprogramme<br />
wie ZIM.<br />
Die Kooperation mit der Wirtschaft ist vielfältig und reicht von<br />
Grundlagenforschung mit Blick auf den späteren Industrienutzen<br />
bis hin zu anwendungsorientierten Projekten. Wir sehen es<br />
als unsere Aufgabe, Forschung zu betreiben, die nicht nur wissenschaftlich<br />
relevant ist, sondern auch einen klaren Mehrwert<br />
für die Industrie bietet. Das IFK ist ein perfektes Beispiel für<br />
diese enge Zusammenarbeit. Der Programmausschuss setzt sich<br />
größtenteils aus Industrievertretern zusammen, und das Format<br />
des Kolloquiums – mit Fachausstellungen und Vorträgen von<br />
Unternehmen parallel zu wissenschaftlichen Präsentationen –<br />
fördert den Austausch und das Aufspüren von Synergien zwischen<br />
Forschung und Industrie. Es zeigt auch, wie vital die Industriebeteiligung<br />
für den Erfolg von Initiativen wie dem IFK ist.<br />
Deutschland hat eine besondere Stellung, wenn es um die Kooperation<br />
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geht, gerade<br />
im Maschinenbau und in der <strong>Fluidtechnik</strong>. Seit 2020 wurden<br />
allein in der KMU-Förderung über 7.000 Unternehmen zusammen<br />
mit Forschungseinrichtungen in über 14.000 Projekten<br />
gefördert [1]. Dies unterstützt die Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit<br />
und stärkt gleichzeitig die Forschungslandschaft<br />
in Deutschland. Lassen Sie mich das mit meiner persönlichen<br />
Erfahrung untermauern. Diese Verbindung von Wirtschaft und<br />
Wissenschaft ist international nicht selbstverständlich. Ich habe<br />
während der Jahre meiner Industrietätigkeit als auch danach als<br />
Institutsleiter in keinem anderen Land eine so ausgeprägte und<br />
zielgerichtete Kooperation beobachtet und empfunden, wie wir<br />
sie in Deutschland praktizieren. Dass sie im Bereich der <strong>Fluidtechnik</strong><br />
und des Maschinenbaus so ausgeprägt ist, ist in hohem<br />
Maße auf die koordinierende Arbeit des VDMA und der dort<br />
organisierten Forschungsvereinigungen zurückzuführen. Es ist<br />
ein hohes Gut, wir dürfen stolz darauf sein und müssen es weiter<br />
pflegen und ausbauen.<br />
[1] https://www.vdi-nachrichten.com/wirtschaft/steuern/maschinenbau-nutzt-forschungszulage-am-staerksten/<br />
Mit Ihrem Blick auf Unternehmen: In welchen Bereichen besteht<br />
dort die größte Unsicherheit? Wo sind Wissenschaftler, ihre<br />
Methoden und Erkenntnisse in der Wirtschaft am meisten<br />
gefragt?<br />
Die Unsicherheit in Unternehmen wird aktuell von verschiedenen<br />
Faktoren beeinflusst. Zu den herausragenden Bereichen<br />
gehören disruptive Technologien, geopolitische Unsicherheiten,<br />
Umwelt- und Klimarisiken sowie politische Auflagen. Diese<br />
Aspekte beeinflussen nicht nur die kurzfristigen Wachstumsaussichten,<br />
sondern prägen auch die langfristige strategische Ausrichtung<br />
der Unternehmen.<br />
Insbesondere Technologien wie generative KI stellen eine große<br />
Herausforderung dar. Laut KPMGs CEO Outlook 2023/24 betrachten<br />
76 % der CEOs in Deutschland die Investition in generative<br />
KI als wichtige Priorität, was ihre Bedeutung im Unternehmenskontext<br />
unterstreicht. Daneben sehen sich Unternehmen<br />
insbesondere in der Baumaschinenbranche bzw. allgemein<br />
Hersteller mobiler Arbeitsmaschinen mit den technologischen<br />
Herausforderungen konfrontiert, ihre Systemarchitekturen auf<br />
klimafreundliche Antriebstechniken umzustellen. Mögliche<br />
Lösungsräume sind noch weit komplexer geworden als bisher,<br />
und es wird darauf ankommen, für eine neue Maschinengeneration<br />
quantifizierbare Kriterien zu bestimmen, die belastbare<br />
Entscheidungen gestatten. Das stellt die <strong>Fluidtechnik</strong> vor neue<br />
Herausforderungen, bietet aber auch attraktive neue Potentiale,<br />
wie durch die Erweiterung der Einsatz- und Drehzahlgrenzen<br />
von Pumpen, die Steigerung der Systemeffizienz zur Reduzierung<br />
von Batteriegrößen oder die Verringerung der Geräuschpegel<br />
durch den Wegfall von Dieselmotoren.<br />
02 Firmen und<br />
Institutionen nutzen<br />
die Ausstellung im<br />
Congress Center<br />
Dresden, um zu<br />
informieren<br />
Hier sind Wissenschaftler und ihre Methoden bzw. Erkenntnisse<br />
besonders gefragt, um Unternehmen bei der Navigation durch<br />
diese komplexen und sich schnell entwickelnden Herausforderungen<br />
zu unterstützen. Sie können durch ihre Forschung und<br />
Expertise dabei helfen, die Potenziale neuer Technologien zu<br />
erschließen und gleichzeitig Risiken zu minimieren.<br />
Insgesamt erfordert die aktuelle Wirtschaftslage ein hohes Maß<br />
an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen.<br />
Wissenschaftler können dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem<br />
sie ihr Wissen und ihre Methoden zur Verfügung stellen,<br />
um diese Herausforderungen zu meistern und langfristigen<br />
Erfolg zu sichern.<br />
Es ist noch nicht lange her, da legte sich ein Schatten auf die<br />
Branche – elektrische Antriebe wurden als große Gefahr für die<br />
<strong>Fluidtechnik</strong> identifiziert. Das hat sich meines Erachtens mittlerweile<br />
gewandelt und ein gewisser Optimismus ist wieder<br />
aufgetaucht. Teilen Sie diesen Eindruck? Worauf gründet die<br />
Positivität?<br />
Ihre Beobachtung, dass sich die Wahrnehmung elektrischer<br />
Antriebe in der <strong>Fluidtechnik</strong> gewandelt hat und ein neuer Optimismus<br />
entstanden ist, spiegelt sich tatsächlich in den aktuellen<br />
Entwicklungen und Trends der Branche wider. Die <strong>Fluidtechnik</strong><br />
hat sich nicht nur von der anfänglichen Herausforderung durch<br />
elektrische Antriebe erholt, sondern nutzt nun ganz offensiv die<br />
Chancen, die sich durch die elektrische Drehzahlvariabilität, die<br />
Digitalisierung bzw. Nachhaltigkeitsbestrebungen ergeben.<br />
Besonders bemerkenswert ist die Nutzung dieser Umstellung als<br />
Chance zur Entwicklung und Implementierung langjähriger<br />
Konzepte wie Verdrängersteuerung, dezentrale Kompakteinheiten<br />
und Digitalisierung der Systeme und Komponenten. Diese<br />
Entwicklungen zeigen, dass die <strong>Fluidtechnik</strong>branche, die traditionell<br />
als konservativ gilt, sehr wohl in der Lage ist, schnell und<br />
effizient auf Marktherausforderungen mit innovativen Technologien<br />
zu reagieren.<br />
Auch in der Pneumatik scheint sich ein Wandel in der Wahrnehmung<br />
vollzogen zu haben. Die noch vor 5-10 Jahren so oft geäußerte<br />
Befürchtung, die Pneumatik würde komplett durch die<br />
elektromechanische Antriebstechnologie ersetzt werden, hat<br />
sich nicht bewahrheitet. Dank modernsten Digitalisierungsan-<br />
32 <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> <strong>2024</strong>/03 www.oup-fluidtechnik.de