O+P Fluidtechnik 3/2024
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INTERVIEW<br />
Diese Frage kann man aus ganz verschiedenen Blickwinkeln<br />
betrachten. Je nachdem wird die Antwort recht unterschiedlich<br />
ausfallen. Aus Sicht der beiden genannten Standorte Aachen<br />
und Dresden handelt es sich natürlich um eine vorteilhafte Situation,<br />
da durch die enge Kooperation mit dem Forschungsfonds<br />
<strong>Fluidtechnik</strong> ein kontinuierliches wissenschaftliches Arbeiten<br />
auf breiter Basis, am Puls der Zeit und mit direkter Rückkopplung<br />
aus der Industrie möglich wird.<br />
Aus Sicht der Firmen könnte eine „buntere“ Forschungslandschaft<br />
jedoch einen Mehrwert bieten, da hiervon die thematische<br />
Breite und auch die schiere Menge neuer Ideen und technischer<br />
Ansätze profitieren würde. Ein weiterer Aspekt ist die<br />
Strahlkraft der Forschung hinein in die akademische Lehre und<br />
Ausbildung des so dringend benötigten künftigen Fachpersonals.<br />
In Deutschland hat nach unseren Beobachtungen über die<br />
letzten Jahre und ganz allgemein über die verschiedensten<br />
Hochschulen und Bildungseinrichtungen hinweg eine Ausdünnung<br />
der Lehrangebote zur <strong>Fluidtechnik</strong> stattgefunden. Insgesamt<br />
mehr Forschungsaktivitäten unter Einbindung vieler<br />
Akteure könnten helfen, diesen Trend umzukehren und das<br />
DIE HYDRAULIK NUTZT AKTIV<br />
DIE CHANCEN, WELCHE DIE<br />
ELEKTRIFIZIERUNG ERÖFFNET<br />
sätzen – siehe z. B. das Motion Terminal der Firma Festo – spielt<br />
die Pneumatik ihre bisherigen Stärken wie Robustheit oder einfache<br />
Inbetriebnahme nun umso stärker aus.<br />
Die Notwendigkeit zur Effizienz hat die Branche zu Innovationen<br />
geführt, die erstaunliche und zukunftweisende Lösungen<br />
hervorgebracht haben. Ich denke, dass diese Dynamik die <strong>Fluidtechnik</strong>branche<br />
selbst etwas überrascht hat und sich in einer<br />
ständig ändernden Marktlandschaft neu positioniert.<br />
Nachwuchsprobleme sind auch und gerade in der <strong>Fluidtechnik</strong><br />
immer wieder ein großes Thema. Nachwuchs kann auch unter<br />
Nachhaltigkeit/Sustainability fallen. Wie geht das IFK an das<br />
Thema heran?<br />
Das IFK kann zum Thema Nachwuchsprobleme in der <strong>Fluidtechnik</strong><br />
durch verschiedene Initiativen beitragen. Der Fokus liegt<br />
dabei auf der Unterstützung von Lehre und Forschung an deutschen<br />
Hochschulen und Universitäten, um junge Talente für die<br />
<strong>Fluidtechnik</strong> zu begeistern. Die Konferenz bietet eine gute Plattform,<br />
um eine Verbindung zwischen der Industrie und jungen<br />
Forschern herzustellen. Dies geschieht durch die gemeinsame<br />
Bühne, die sowohl erfahrenen Industrieexperten als auch jungen<br />
Talenten zur Verfügung gestellt wird. Eine solche Plattform fördert<br />
nicht nur den Wissensaustausch, sondern baut auch eine<br />
Bindung zwischen den Generationen auf. Es ist entscheidend,<br />
Talente nicht nur akademisch auszubilden, sondern sie auch<br />
durch spannende Projekte und zukunftsweisende Konzepte für<br />
die <strong>Fluidtechnik</strong>branche zu begeistern und zu gewinnen.<br />
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Universität und<br />
Unternehmen besteht auch im Forschungsfonds <strong>Fluidtechnik</strong>.<br />
Dort werden bestimmte Forschungsprojekte im Rahmen der<br />
vorwettbewerblichen Gemeinschaftsforschung gefördert.<br />
Projekte aus Dresden und Aachen sind dabei in der absoluten<br />
Überzahl. Ist die Konzentration auf wenige Standorte Fluch oder<br />
Segen für die Wissenschaft?<br />
Fachgebiet in der öffentlichen Wahrnehmung und insbesondere<br />
bei jungen Menschen bekannter und attraktiver machen. Ganz<br />
allgemein gilt es auch, die Interdisziplinarität der Forschungsthemen<br />
zu stärken und wichtige Trends in den Bereichen Digitalisierung<br />
und KI aufzugreifen und für die branchenspezifischen<br />
Belange zu adaptieren. Hier macht es Sinn, die entsprechenden<br />
Fachleute auf diesen Gebieten einzubeziehen. Dies<br />
fördert automatisch die Vernetzung innerhalb der Forschungslandschaft<br />
und wird sicherlich auch den einen oder anderen<br />
neuen Akteur in Erscheinung treten lassen, was aus meiner Sicht<br />
durchaus erstrebenswert ist.<br />
Wenn Sie sich einen wichtigen Durchbruch in der Forschung<br />
wünschen könnten – was würden Sie wählen?<br />
Ich würde mir ein umfassendes Maß an integrierter Intelligenz<br />
und Kommunikationsfähigkeit in unseren fluid-mechatronischen<br />
Systemen wünschen, sodass jedes Systemelement – sei es<br />
eine Pumpe, ein Ventil, ein Hydraulikspeicher oder sogar eine<br />
Dichtung – uns über seinen Betriebs-, Last- oder Gesundheitszustand<br />
berichten kann. In Verknüpfung mit intelligenten Algorithmen<br />
der Datennutzung auf verschiedenen Hierarchieebenen<br />
würde uns das weitere Potentiale im Bereich der Funktionalität,<br />
Automation bzw. Autonomie, Energieeffizienz, Sicherheit,<br />
Service und Prognostik usw. eröffnen. Ich weiß, es gibt bereits<br />
eine Vielzahl von Ansätzen, aber eine umfassende Nutzung aller<br />
Wechselwirkungen in fluidtechnischen Systemen ist nach wie<br />
vor nicht gegeben.<br />
Ich hätte noch einen zweiten Wunsch: Unsere heutigen Engineeringprozesse<br />
sind geprägt von enormer Komplexität und<br />
erfordern ein hohes Maß an ingenieurtechnischer Kompetenz.<br />
Oftmals empfinden wir moderne Technologien als etwas<br />
Selbstverständliches, ohne uns darüber Gedanken machen zu<br />
müssen, was sich dahinter verbirgt und mit welch ungeheurem<br />
Aufwand ihre Entwicklung verbunden war und ist.<br />
Ich würde mir ein höheres gesellschaftliches Bewusstsein dieser<br />
Wertigkeit wünschen, verbunden mit dem Anreiz für folgende<br />
Ingenieurgenerationen, sich den kommenden Herausforderungen<br />
zu stellen.<br />
Bilder: Juliane Weber, TU Dresden; Bild 01+02 André Wirsig für den DVF e.V.<br />
www.ifk-dresden.de<br />
www.oup-fluidtechnik.de <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> <strong>2024</strong>/03 33