schreibimpulse - Lesekultur macht Schule
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NACHGEFRAGT<br />
LESEKULTUR MACHT SCHULE bat Georg Bydlinski um die Beantwortung der Frage:<br />
Was unterscheidet „Lyrik für Kinder" von „Erwachsenenlyrik"?<br />
LESEKULTUR MACHT SCHULE | 2008<br />
Zwischen Gedichten für Kinder und der<br />
Erwachsenenlyrik kann man keine strikte<br />
Trennlinie ziehen, es gibt hier fließende<br />
Übergänge, eine tiefe Verwandtschaft. Eines nur:<br />
Wenn ich Gedichte für Kinder schreibe, sind mir<br />
der Rhythmus, der Reim und die mit den<br />
metrischen Elementen verbundene Emotion sehr<br />
wichtig. Allgemein machen Gedichte es möglich,<br />
Erfahrungen zu benennen, zu vertiefen und zu<br />
überdenken – sie aufzuheben, zu bewahren, für<br />
sich selbst, aber auch für andere. Die Formen<br />
können dabei so unterschiedlich sein wie die<br />
Vielfalt der Erfahrungen selbst. Auch das<br />
„sinnfreie" Spiel mit der Sprache, mit Worten,<br />
Silben und Klängen, gehört dazu, es ist ein<br />
wesentliches Element in der Lyrik für Kinder.<br />
„Gedichte", so der amerikanische Lyriker Robert<br />
Creeley, „sind sehr spezifische Arten des Tanzens."<br />
Schon kleine Kinder gehen auf die „tänzerischen<br />
Bewegungen" des Gedichts (Rhythmus, Reim,<br />
Wiederholung) ein, auch wenn sie noch gar nicht<br />
alle einzelnen Worte verstehen. Das Gedicht<br />
eröffnet einen Freiraum, eine Dimension, die über<br />
das reine Inhalte-Vermitteln hinausgeht und an<br />
den kreativen Kern jedes Menschen rührt.<br />
E-Mail: g.bydlinski@kabsi.at<br />
Homepage: www.georg-bydlinski.at<br />
www.lesekultur.ksn.at<br />
Bei Gedichten für Erwachsene könnte man es<br />
vielleicht so sagen: Lyrik ist eine Sprech-und-<br />
Schweige-Sprache. Das Ausgesparte ist für mich<br />
dabei oft genauso wichtig wie das<br />
Ausgesprochene, Angedeutete; Phantasie und<br />
Genauigkeit spielen zusammen. Diese Spannung<br />
verleiht dem Gedicht seine Vielschichtigkeit – und<br />
sie verlangt einfühlsame, kreative Leserinnen und<br />
Leser, die zu hören verstehen, zu deuten. Die ihre<br />
eigenen Erfahrungen, Gefühle, Vorlieben,<br />
Wünsche, Träume, Utopien einbringen in die<br />
Leerstellen des Gedichts. So entsteht eine<br />
Partnerschaft zwischen Autor/in und Leser/in, die<br />
meist wohl tiefer geht als bei der Lektüre einer<br />
Erzählung oder eines Romans, obwohl es<br />
natürlich auch dort nötig ist, die eigene<br />
Vorstellungskraft beim Lesen mit einzubringen.<br />
Aber beim Gedichtelesen wird das Gedicht auf<br />
eigentümliche Weise immer wieder neu<br />
hervorgebracht – von jeder Leserin, jedem Leser,<br />
und bei jeder Lektüre etwas anders!<br />
Georg Bydlinski<br />
LYRIK-PROJEKT<br />
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