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münchen - Münchner Stadtmuseum

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Dreharbeiten BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA: Nuri Bilge Ceylan, Gökhan Tiryaki<br />

Retrospektive Nuri Bilge Ceylan<br />

Nuri Bilge Ceylan (geboren 1967) ist ein Filmemacher,<br />

der als Fotograf begann. Diese Tatsache wurde oft<br />

schon zu einem wesentlichen Schlüssel für sein Werk<br />

gemacht, aus guten Gründen. Denn in diesen sechs<br />

Langfilmen und einem Kurzfilm, die bisher vorliegen, ist<br />

ein Blick auf die Welt zu erkennen, der in zweierlei Hinsicht<br />

fotografisch strukturiert ist: die Bilder sind so verfasst,<br />

dass sie sich eher einer allmählichen Entzifferung<br />

preisgeben als einer sofortigen Erfassung (der<br />

Faktor Zeit wird gegenüber der Bewegung privilegiert);<br />

und der Ton tritt zu diesen Bildern in einer Weise hinzu,<br />

die ihrer ursprünglichen Stummheit noch zu entsprechen<br />

scheint. Nicht von ungefähr war sein erster (Kurz-<br />

)Film KOZA noch ohne Dialog – eine Meditation über<br />

das Verstreichen der Zeit, die von alten Fotografien<br />

ihren Ausgang nahm. Schon hier bleiben wesentliche<br />

Momente einer möglichen Geschichte unausdrücklich;<br />

man kann sich davon eine Vorstellung machen, aber<br />

die Hinweise sind spärlich. Überreich ist hingegen die<br />

Zeichenwelt in KOZA. Die Welt spricht, aber sie spricht<br />

in Rätseln. Sie ist durchlässig für die Träume, die in Bildern<br />

sprechen, die ein Rätsel darstellen, das Rätsel der<br />

jeweils eigenen Identität.<br />

Von KOZA bis zu BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA (ONCE<br />

UPON A TIME IN ANATOLIA) hat Nuri Bilge Ceylan eine<br />

enorme Entwicklung durchgemacht, ohne sein Vorgehen<br />

im Kern allzu stark verändert zu haben. Er hat nur<br />

die erzählerischen Möglichkeiten entscheidend erwei-<br />

tert: Das, was sich aus den vielen, für nicht-türkische<br />

Zuschauer häufig gar nicht erkennbaren, Details ergibt,<br />

sind Situationen, in denen das Universale des menschlichen<br />

Geschichtenerbes mit den konkreten Umständen<br />

der Türkei in der gegenwärtigen Epoche der Transformation<br />

vermittelt wird. Dass er schon im Titel seines<br />

jüngsten Films ausdrücklich Anatolien ins Spiel bringt,<br />

also das Hinterland der türkischen Metropolen Istanbul<br />

und Ankara, ist dabei ein Programm, das sich durch<br />

das Werk zieht. In einem Land ohne ein nennenswertes<br />

bürgerliches Milieu sind auch die meisten Intellektuellen<br />

und Künstler noch stark mit ihrer ländlichen Herkunft<br />

verbunden, durch Familienmitglieder (wie in<br />

UZAK) oder durch Projekte wie das des Filmemachers<br />

Muzaffer, der in MAYIS SIKINTISI (BEDRÄNGNIS IM<br />

MAI) in sein Dorf zurückkehrt, um dort einen Film zu<br />

machen. Dem Verhältnis von Film und Fotografie setzt<br />

Nuri Bilge Ceylan dabei noch ein anderes Bilderverhältnis<br />

entgegen: Die Provinz ist in der Türkei auch der Ort<br />

populärer Fernsehserien, in denen das Landleben idealisiert<br />

wird und die Traditionen, die in der Stadt brüchig<br />

werden, kulturindustriell noch einmal durchgearbeitet<br />

werden – als Beschwernisse in einer melodramatischen<br />

Erzählung, aber auch als Identitätsanker in<br />

schwierigen Genealogien.<br />

In IKLIMLER (JAHRESZEITEN) finden wir die weibliche<br />

Hauptfigur am Ende in einer winterlichen Landschaft<br />

weit im Osten bei den Dreharbeiten zu einer solchen<br />

Nuri Bilge Ceylan<br />

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