münchen - Münchner Stadtmuseum
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Hommage à Ulrike Ottinger<br />
Landschaften und Gesichter, Farben, Formen und<br />
Räume, vor allem die Schönheit fremder Kulturen und<br />
Mythologien prägen das einzigartige Werk von Ulrike<br />
Ottinger. Die Malerin und Fotografin, Kamerafrau, Autorin,<br />
Regisseurin und Produzentin von rund zwanzig großen<br />
Spiel- und Dokumentarfilmen erkundet seit vierzig<br />
Jahren einen eigenwilligen Bilderkosmos, der an die<br />
Moderne des frühen zwanzigsten Jahrhunderts anknüpft<br />
und beständig neu die Fragen nach Norm und<br />
Abweichung, Vorgefundenem und Inszeniertem, Objektwelt<br />
und Imagination stellt. Ulrike Ottingers Filme,<br />
ihre Fotografien, Installationen und Bücher feiern die<br />
Lust an Expeditionen ins Unbekannte, erforschen die<br />
Terrains möglicher Metamorphosen und dokumentieren<br />
mit unpathetischer Grandezza, wo auch in der Gegenwart<br />
die sieben Weltwunder zu finden sind.<br />
»Als Avantgardistin habe ich mich selbst nie gefühlt,<br />
aber die Reaktion eines Teils der Kritik hat mich dazu<br />
gemacht. Für mich war selbstverständlich, dass ich so<br />
gearbeitet habe«, beschreibt die siebzigjährige Künstlerin<br />
in einem Interview ihre Position innerhalb des deutschen<br />
Autorenfilms. Seit ihrem ersten experimentellen<br />
Spielfilm LAOKOON UND SÖHNE – DIE VERWAND-<br />
LUNGSGESCHICHTE DER ESMERALDA DEL RIO (1972)<br />
arbeitet Ulrike Ottinger an einem Gesamtkunstwerk, in<br />
dem sich ihre eigenen fotografischen, grafischen und<br />
collagierten Bilder mit ethnografischen, kunsthistorischen<br />
und literarischen Inspirationen kreuzen und<br />
durchdringen. Mit der Gender-Maskerade DIE BE -<br />
TÖRUNG DER BLAUEN MATROSEN (1975), dem Piratinnen-Märchen<br />
MADAME X – DIE ABSOLUTE HERR-<br />
SCHERIN (1977) und BILDNIS EINER TRINKERIN (1979)<br />
entwickelte Ulrike Ottinger, damals gemeinsam mit der<br />
Zeichnerin, Szenenbildnerin, Muse und Protagonistin<br />
Tabea Blumenschein, ihre eigene künstlerische Handschrift.<br />
Die Trilogie der Berlin-Filme BILDNIS EINER<br />
TRINKERIN, FREAK ORLANDO (1981) und DORIAN<br />
GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE (1984) ist<br />
als surrealistischer Kommentar auf die grotesken Freiräume,<br />
die das von der Mauer umgebene Westberlin<br />
darstellte, zu einem Klassiker des deutschen Autorenfilms<br />
geworden.<br />
Seit 1973 lebt die Künstlerin in Berlin. 1942 in Konstanz<br />
als Tochter eines Malers und einer Übersetzerin<br />
geboren, studierte Ulrike Ottinger zunächst in München<br />
Kunst und setzte danach bis 1969 ihre Arbeit als Malerin<br />
und Grafikerin in Paris fort, wo sie neben ethnologischen<br />
und kulturwissenschaftlichen Vorlesungen an<br />
der Sorbonne die Filmprogramme der Cinémathèque<br />
Française zur Schule ihrer ästhetischen Vorlieben<br />
machte. Die Gründung eines Avantgarde-Programm -<br />
kinos und einer Galerie Anfang der 1970er Jahre in<br />
ihrer frisch zur Universitätsstadt avancierten Heimatstadt<br />
Konstanz schärfte ihr Gespür für die Korrespondenzen<br />
zwischen Grafik, Fotografie und Film.<br />
Ulrike Ottingers bildmächtige Sehnsucht nach Expeditionen<br />
in die asiatischen Kulturen, die einen weiteren<br />
großen Zyklus ihrer Arbeit prägt, rekurriert auf Kindheitserzählungen<br />
und die Bücher-, Bilder- und Skulpturensammlungen<br />
ihrer ethnologisch interessierten Vorfahren.<br />
Lange vor dem heute zum Allgemeingut gewordenen<br />
Interesse an China zog sie zu ihren großen Reisen<br />
nach China, in die mongolische Taiga, später nach<br />
Japan und Korea aus. Filme über die west/östlichen<br />
Traditionsrouten auf dem Balkan und am Schwarzen<br />
Meer kamen hinzu. Ihre z. T. mehrstündigen Film -<br />
essays CHINA. DIE KÜNSTE, DER ALLTAG (1985) und<br />
TAIGA (1992), auch der Spielfilm JOHANNA D’ARC OF<br />
MONGOLIA (1989) und die dokumentarische Spurensuche<br />
nach dem Überleben jüdischer Holocaust-Flüchtlinge<br />
in EXIL SHANGHAI (1997) sind die markantesten<br />
Beispiele ihrer bis in die Gegenwart nicht versiegenden<br />
Faszination für die lebendige Tradition östlicher Lebenskunst.<br />
Ulrike Ottinger<br />
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