münchen - Münchner Stadtmuseum
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Rosa von Praunheim<br />
EVA MATTES<br />
52<br />
KINGS OF PORN<br />
Brauner. Dies ist nicht ohne Grund Rosas Lieblingsfilm,<br />
der seinen Höhepunkt in der Synagoge bei der Bar<br />
Mitzwa der Zwillinge von Tochter Alice Brauner und<br />
dem anschließenden rauschenden Fest hat. Auch das<br />
Doppelporträt von Ulla und Karsten Klingbeil – er einst<br />
erfolgreich im Baugewerbe und Bildhauer, sie heute<br />
umtriebige Charity-Lady – ist unterhaltsam, informativ,<br />
lustig und berührend: »Der, der geliebt wird, ist nie tot«,<br />
lautet der letzte Satz und die sonst so taffe Frau bekommt<br />
Tränen in die Augen.<br />
Manchmal wünscht man sich, dass ein Film wie der<br />
über Eva Mattes länger dauert als 21 konzentrierte Minuten;<br />
manchmal reichen fünf Minuten voll und ganz,<br />
um ein Thema anzureißen. Aber auch wenn Gerd und<br />
Conny (MEINE NACHBARN) eine halbe Stunde vom Zusammenleben<br />
über Jahrzehnte und den am Down-Syndrom<br />
erkrankten Bruder Connys erzählen, kommt nie<br />
Langeweile auf, erlebt man die Dokumentation einer<br />
von Respekt, Liebe, Freiheit und feinem Spott getragenen<br />
Beziehung.<br />
Schrilles und Schräges, Saftiges (KINGS OF PORN) und<br />
Knallbuntes, ungemein Komisches (DER FRÖHLICHE<br />
SERIENMÖRDER), aber auch Anrührendes und Leises<br />
(EIN VATER STIRBT) findet sich unter den 70 Filmen.<br />
Sensible Künstler kommen zu Wort und wilde Vögel, introvertierte<br />
Menschen, Krawalltunten und ein schwuler<br />
Schornsteinfeger, der einen Beruf unter lauter Heteros<br />
und Privatleben, in dem er ein S/M-Festival organisiert,<br />
perfekt verbinden kann. Schauspieler und Sänger aller<br />
Couleur sind dabei, wie ein im Technostil Seemannslieder<br />
singender, bärtiger, tätowierter Prackl oder eine<br />
zarte Rumänin (Sanda Weigl), schwule Verlagsleiter wie<br />
Michael Merschmeier und der mit HIV lebende Dichter<br />
Mario Wirtz, der Schauspieler und Regisseur Peter<br />
Kern (AXEL UND PETER) oder der Theologe David<br />
Berger, der lange im Vatikan den »heiligen Schein«<br />
bewahren musste, bevor er sich als schwuler Katholik<br />
outete.<br />
Allein ein Drittel der Filme ist Schwulen, Lesben, Transgender<br />
gewidmet: Strichern, Pornodarstellern, Dragqueens,<br />
einer lesbische Sexualwissenschaftlerin, die<br />
lustvoll weibliche Genitalien zelebriert (MÖSENMONAT<br />
MÄRZ), Edith alias Ades Zabel, dem berühmtesten homosexuellen<br />
Komiker Berlins und einem SPD-Politiker<br />
wie Georg Härpfer, der sich lebenslang für schwule<br />
Rechte einsetzt. Aber auch Tabu-Themen wie männliche<br />
Prostitution oder Schwule im Alter (GAY NOT GREY)<br />
scheut Rosa von Praunheim nicht. Letzteres ist ein<br />
Halbstunden-Film, in dem der 85-jährige Gottfried und<br />
der 20-jährige Max samt ihrer Gemeinschaft in einem<br />
Haus mit 20 Wohnungen für alte Schwule und Lesben<br />
– eine Demenz-WG eingeschlossen – porträtiert werden.<br />
Und wenn Porno-Stars (PORNO PETO) ganz zärtlich<br />
eine Liebesszene spielen, dann widerspricht auch<br />
das allen Klischees.<br />
Meist hat Rosa die Gesichter der Menschen, mit denen<br />
er spricht, im Blick der Kamera, oder er schneidet alte<br />
Fotos dazwischen, Ausschnitte aus Theateraufführungen,<br />
mischt fließenden Verkehr darunter oder Architektur-Details.<br />
Oft filmt er die Interieurs, in denen die Gespräche<br />
stattfinden, aber auch mit Vorliebe Blumen –<br />
auf dem Balkon, am Grab (der Berliner Ex-Senatorin<br />
Anne Klein in EINE LESBISCHE WITWE) oder im verwunschenen<br />
Dachgarten von Eva Mattes. Das erzählt<br />
manchmal mehr als alle Worte. Schöne, sprechende<br />
Bilder ergeben sich da wie nebenbei und (fast) ohne<br />
Absicht.<br />
Der Großstadtdschungel Berlins, das Multikulturelle,<br />
überhaupt die Atmosphäre der Metropole ist Hintergrund<br />
und Würze vieler, ja fast aller Filme. Dezidiert<br />
»Berliner Luft« atmen so verschiedene Filme wie der<br />
über einen Luxus-Zahnarzt am Ku’damm, MEIN<br />
PREUSSENPARK, der in 30 Minuten den Mikrokosmos<br />
eines Parks auffächert, in dem Ausländer auf Berliner,<br />
Ordnungsmacht auf Laissez-Faire, Normalo auf Pa -