Keith jarrett - SONO
Keith jarrett - SONO
Keith jarrett - SONO
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
adio.strin g.quarte t.vienna<br />
Rapid String Movement<br />
Das radio.string.quartet.vienna wagt den ästhetischen<br />
Neuanfang und kommt mit „radiodream“ seinem Ziel<br />
ein gutes Stück näher. von Paul Hammerthal<br />
Björk würde er gerne einmal treffen.<br />
Aber daraus wird wohl nichts, denn<br />
die isländische Künstlerin, die sich<br />
eben erst mit dem Album „Biophilia“ wieder<br />
einmal neu erfunden hat, gehört zu den<br />
am besten abgeschotteten Künstlerinnen der<br />
Netzwelt. „Es ist erstaunlich und auch ein<br />
bisschen frustrierend“, meint Bernie Mallinger,<br />
erster Geiger und Mitbegründer des<br />
radio.string.quartet.vienna. „Einen ganzen<br />
Tag lang habe ich das Internet abgesucht, aber<br />
nicht einen Hinweis gefunden, kein Kontakt,<br />
nichts, was man verwenden könnte.“ Dabei<br />
hätte er der Sängerin gerne ein Exemplar von<br />
„radiodream“ in die Hand gedrückt. Denn<br />
Mallinger ist der festen Überzeugung, dass<br />
eine Geistesverwandschaft zwischen dem<br />
besteht, was er in Wien mit seinen Freunden<br />
experimentiert, und dem, was die öffentlichkeitsscheue<br />
Sängerin im Land der Geysire<br />
imaginiert.<br />
Tatsächlich gibt es Gemeinsamkeiten,<br />
wenn auch vor allem konzeptioneller Natur.<br />
So schwer sich Björk in ein Schema der Popwelt<br />
einpassen lässt, so wenig sieht sich<br />
auch das r.s.q.v. noch als Statthalter einer<br />
festgefügten Tradition. „Ich glaube, wir<br />
sind schon ein Streichquartett. Aber<br />
wir entwickeln uns immer mehr<br />
in Richtung einer Art globalen<br />
Musik. Deshalb bleibt es nicht<br />
immer beim Streichquartett,<br />
sondern der Sound<br />
öffnet sich nach vielen<br />
Seiten. Natürlich<br />
lieben wir alle die<br />
ursprüngliche Form,<br />
und auch auf dem Album<br />
gibt es Passagen,<br />
die sich ganz klassisch<br />
im klanglich bekannten<br />
Rahmen bewegen. Aber<br />
26<br />
es ist eben nicht das Einzige. Ein weiterer<br />
Punkt: Wir dürfen, sollen und wollen über den<br />
Tellerrand schauen. Das ist bei vielen Kollegen<br />
anders, die sind aus unterschiedlichen<br />
Gründen festgelegter.“ Dieser Anspruch der<br />
latent Klangausweitung hat allerdings nicht<br />
nur Vorteile. Während traditionelle Streichquartette<br />
sich zwar in harter Konkurrenz,<br />
aber doch innerhalb eines klaren Rahmens<br />
von Repertoire, Interpretation und Rezeption<br />
bewegen, muss das r.s.q.v. mit der Vielfalt<br />
der Möglichkeiten kämpfen, um eine eigene<br />
Sprache zu finden.<br />
Grenzgänger<br />
mit Geigen und<br />
einem Faible<br />
fürs Konzeptuelle:<br />
das r.s.q.v<br />
Die musikalischen Ergebnisse dieser ästhetischen<br />
Auseinandersetzung fielen bislang<br />
sehr unterschiedlich aus. Während das Tribute<br />
an die Musik des Mahavishnu Orchestra<br />
in sich rund und stimmig wirkte, gelang<br />
ihnen mit den folgenden drei Alben kein<br />
wirklicher Treffer. Zwar führten auch diese<br />
Projekte durch unterschiedliche Gäste<br />
wie den Akkordeonisten Klaus Paier klanglich<br />
über den engen Stilzusammenhang des<br />
Genres hinaus. Im Kern jedoch verwiesen<br />
sie das Streichquartett auf den Platz der Begleitung,<br />
wohltönend und wenig charakteristisch.<br />
„Quartett mit Gast ist etwas ganz anderes.<br />
Natürlich waren die ganzen Kooperationen der<br />
vergangenen Jahre jede für sich großartig. Aber<br />
jetzt schien es uns dringend nötig, wieder einmal<br />
etwas nur als Quartett zu machen. Denn wir hatten<br />
das Gefühl, dass sich sehr viel verändert hat,<br />
was wir noch nicht festgehalten hatten und unbedingt<br />
mitteilen wollten.“<br />
Traumdeutung musikalisch<br />
Und so reifte ein Programm heran, mit dem<br />
das r.s.q.v. die Träume einer Nacht musikalisch<br />
nachvollziehen wollte. „Von Anfang an<br />
war klar, dass vieles von uns selbst geschrieben<br />
sein sollte. Aber es durften auch Stücke<br />
von anderen vorkommen, die irgendwie mit<br />
dem Thema zu tun hatten.“ Und so machten<br />
sich die Musiker und Musikerinnen des r.s.q.v.<br />
auf die Traumreise, ließen sich von Sigmund<br />
Freud und Salvador Dali, von Kinospektakeln<br />
wie „Inception“ und Henry Mancini inspirieren.<br />
Manches entwickelte sich schrill, anderes<br />
profitierte von der Transparenz der Streicherstimmen.<br />
Soundopulenz und Reduktion,<br />
Synthetik und Natürlichkeit stehen<br />
nebeneinander und ergänzen sich in 14<br />
Abschnitten zu einer Suite der akustischen<br />
Chimären. Aus den bisherigen<br />
Experimenten innerhalb der originär<br />
klassischen Klangwelt wurden<br />
Ausflüge bis hin in rockverwandte<br />
Gefilde. Für das r.s.q.v. jedenfalls<br />
ist „radiodream“ ein großer<br />
Schritt aus dem Lager der<br />
Puristen heraus. Und für die<br />
Szene womöglich ein Wegweiser<br />
in eine bislang kaum erforschte<br />
Richtung.<br />
Neu: das album<br />
„radio-dream“ (aCt/edel<br />
Kultur) des radio.string.<br />
quartet.vienna erscheint<br />
am 28. ok tober 2011.