Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...
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www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />
Es ist festzustellen, „dass für Kinder der <strong>Tod</strong> wie selbstverständlich zum Leben dazu gehört“ (Freese<br />
2001, S. 116). Häufig ist die Verschlossenheit <strong>von</strong> Erwachsenen auch durch die Angst in Konfrontation<br />
mit dem Thema <strong>Tod</strong>, an den eigenen <strong>Tod</strong> erinnert zu werden, begründbar (vgl. Spiecker-<br />
Verscharen 1982, S. 49). <strong>Die</strong>ses Verhalten bedeutet für die Kinder meistens, dass sie lernen, keine<br />
Fragen zu stellen <strong>und</strong> dass Erwachsene sie mit ihren Fragen <strong>und</strong> diffusen Gefühlen alleine lassen (vgl.<br />
ebd., S. 6). Kinder respektieren beziehungsweise bemerken die Tabus der Erwachsenen <strong>und</strong> sprechen<br />
folglich nicht über ihre eigenen Sorgen, Ängste <strong>und</strong> Vorstellungen vom <strong>Tod</strong> (vgl. Leist 1993, S. 154).<br />
Trotz aller Gewöhnungseffekte, beispielsweise durch die Medien, scheint es zu einer Tabuisierung<br />
im persönlichen Bereich gekommen zu sein (vgl. Daum 2003, S. 25). Entgegen dieser Tabuisierung<br />
wollen Kinder „[...] einerseits keinen Abschub <strong>von</strong> Erklärungen [...] auf die Zukunft [...] <strong>und</strong> andererseits<br />
keine philosophischen Erklärungsansätze [...]“ (Freese 2001, S. 116).<br />
2.3 Sind Kinder in der Lage den <strong>Tod</strong> zu verstehen?<br />
In Kapitel 2.2 wurde erläutert, wie Kinder in unserer Gesellschaft mit dem <strong>Tod</strong> konfrontiert werden<br />
<strong>und</strong> welche Probleme dabei entstehen können. In diesem Teil der Arbeit wird dargestellt, zu welchem<br />
Entwicklungszeitpunkt Kinder überhaupt die Bedeutung des <strong>Tod</strong>es realisieren können.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung eines so genannten <strong>Tod</strong>eskonzepts beim Kind ist durch die Komplexität der vorherrschenden<br />
Vorstellungen vom <strong>Tod</strong> in der Erwachsenenwelt besonders kompliziert (vgl. Ramachers<br />
1994, S. 13). Das <strong>Tod</strong>eskonzept der Kinder wird durch diese äußeren <strong>und</strong> eigene innere Einflussfaktoren<br />
geprägt. Das heißt, dass nicht nur kognitive Reifungsprozesse, sondern auch Sozialisationseinflüsse,<br />
Erfahrungen (vgl. Plieth 2002, S. 38) <strong>und</strong> der Umgang der Erwachsenen mit diesen Themen dabei<br />
eine entscheidende Rolle spielen (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S. 144). Corr beschreibt dazu vier Faktoren,<br />
welche die Vorstellungen <strong>von</strong> Kindern über den <strong>Tod</strong> beschreiben: „(…) there are at least four<br />
considerations pertinent to the way in which a particular child will interpret death: developmental<br />
level; individual personality; life experiences; and patterns of communication and support.” (Corr<br />
1984, S. 16)<br />
Dabei wird deutlich, dass die in Kapitel 2.2 genannten Verhaltensweisen <strong>von</strong> Erwachsenen, beispielsweise<br />
die unüberlegte Kommunikation im Beisein <strong>von</strong> Kindern nicht hilfreich sein können.<br />
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich ein <strong>Tod</strong>eskonzept nicht entwickelt, sondern im Laufe der<br />
Sozialisation erlernt wird (vgl. Ramachers 1994, S. 29). Der Begriff der Entwicklung soll in diesem<br />
Zusammenhang so verstanden werden, wie es Ramachers ausdrückt: „Das Kind muss etwas lernen,<br />
was die Erwachsenen, die Kultur insgesamt nicht verbindlich lehren können. Wahrlich eine spannende<br />
Variante eines Sozialisationsprozesses!“ (ebd., S. 7)<br />
2.3.1 Was ist ein <strong>Tod</strong>eskonzept?<br />
„Das <strong>Tod</strong>eskonzept bezeichnet die Gesamtheit aller kognitiven Bewusstseinsinhalte (Begriffe, Vorstellungen, Bilder),<br />
die ein Kind oder einem Erwachsenen zur Beschreibung <strong>und</strong> Erklärung des <strong>Tod</strong>es zur Verfügung stehen.“ (Wittkowski<br />
1990, S. 44)<br />
<strong>Die</strong> Subkonzepte eines ‚reifen‘ <strong>Tod</strong>eskonzepts sind:<br />
• <strong>Die</strong> Universalität, welche das Verstehen der Unvermeidbarkeit des <strong>Tod</strong>es, für alle Lebewesen<br />
beschreibt.<br />
• <strong>Die</strong> Irreversibilität definiert die Akzeptanz der Unwiderruflichkeit des <strong>Tod</strong>es.<br />
• <strong>Die</strong> Nonfunktionalität, ist die Vorstellung des Verlustes aller Lebensfunktionen mit dem Eintritt<br />
des <strong>Tod</strong>es.<br />
• <strong>Die</strong> Kausalität, die ein realistisches Verständnis <strong>von</strong> den Ursachen des <strong>Tod</strong>es beschreibt (vgl.<br />
Ramachers 1994, S. 14-16; Wittkowski 1991, S. 317).<br />
Aus den Subkonzepten wird bereits ersichtlich, dass der Erwerb eines so genannten ‚reifen‘ <strong>Tod</strong>eskonzepts<br />
für Kinder schwierig sein kann, da selbst Erwachsene Probleme dabei haben, beispielsweise<br />
die Irreversibilität des <strong>Tod</strong>es zu akzeptieren, wie aus den religiösen Theorien des Weiterlebens nach<br />
dem <strong>Tod</strong> ersichtlich wird 10 .<br />
2.3.2 Reifungsprozesse zur Bildung des <strong>Tod</strong>eskonzepts bei Kindern<br />
Das Verständnis der Subkonzepte eines ‚reifen‘ <strong>Tod</strong>eskonzepts hängt besonders <strong>von</strong> der Entwicklung<br />
der Objekt- beziehungsweise Personenpermanenz – <strong>von</strong> der Erkenntnis, dass eine Person oder ein<br />
Gegenstand noch existent ist, obwohl sie/er gerade nicht sichtbar ist <strong>und</strong> der Unterscheidung zwischen<br />
belebt <strong>und</strong> u<strong>nb</strong>elebt – ab. Außerdem ist das Zeitverständnis im Sinne einer Vorstellung <strong>von</strong> Dauer,<br />
10 vgl. Kapitel 1.1<br />
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