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Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

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www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />

5 Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen des Konzepts ‚Death Education‘ im Sachunterricht?<br />

Dass <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> bildungswirksame Themen des Sachunterrichts sein könn(t)en, wurde bereits im<br />

Kapitel 3 gezeigt. Der Titel dieser Arbeit impliziert jedoch zudem die Frage nach den Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Grenzen des Konzept der ‚Death Education‘ im Kontext sachunterrichtlicher Bildung.<br />

In diesem Kapitel wird die Relevanz des Konzepts ‚Death Education’, wie es in dieser Arbeit für<br />

Kinder dargelegt wurde 38 , bezüglich seiner Bedeutung als didaktisches Konzept der Themen <strong>Tod</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Trauer</strong> im Sachunterricht dargestellt.<br />

5.1 Das ‚Konzept Death Education’ im Bildungsauftrag des Sachunterrichts 39<br />

Das Konzept ‚Death Education‘ könnte der im Sachunterricht angestrebten Entwicklung einer sozialen<br />

<strong>und</strong> insbesondere einer personalen Kompetenz zuträglich sein. Es geht dabei um den Erwerb einer<br />

inneren Stabilität durch ein Nachdenken über das Leben beziehungsweise über Verlusterfahrungen<br />

<strong>und</strong> den <strong>Tod</strong>, dementsprechend um den Erwerb einer persönlichen Ich-Stärke, die hilft (Lebens-)<br />

Krisen bewältigen <strong>und</strong> mit eigenen Gefühlen umgehen zu können. Außerdem soll durch das Konzept<br />

Perspektivübernahme als Basis <strong>von</strong> Empathie geübt werden, da diese Voraussetzung für jegliches<br />

soziales Handeln ist (vgl. Kahlert 2004, S. 39). <strong>Die</strong> Kinder sollen lernen, ihre Gefühle zu zeigen <strong>und</strong><br />

Gefühle anderer zu verstehen. Sie sollen erkennen welche Funktion <strong>Trauer</strong> hat <strong>und</strong> das es hilfreich ist<br />

diese zu leben <strong>und</strong> zu zeigen.<br />

Das Konzept soll demnach auf einer Metaebene dazu beitragen eine Gesellschaft der ‚Wärme‘<br />

durch das Zulassen <strong>von</strong> Empfindungen, Perspektivübernahme <strong>und</strong> Empathie zu initiieren. Nach Lichtenstein-Rother<br />

(1981) bedeutet dies gr<strong>und</strong>legendes Lernen für das individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Leben – meines Erachtens gesellschaftliche Bildung durch Identitätsentwicklung. Eine ‚Gefährdung<br />

der eigenen Identität‘ soll so ausgeschlossen werden (vgl. Richter 2002, S. 63) <strong>und</strong> somit die<br />

,Gefährdung einer nicht reflektierenden Gesellschaft‘. In diesem Zusammenhang verweist „der Begriff<br />

Identität [...] auf ein Bewusstsein <strong>von</strong> persönlicher Einheit <strong>und</strong> Kontinuität, die Überzeugung,<br />

ungeachtet aller möglichen Veränderungen im Wesentlichen derselbe zu bleiben. Er verweist auf die<br />

Gesamtheit charakteristischer Eigenschaften, die nach Ansicht des Individuums sein ‚Selbst‘, seine<br />

unverwechselbare Identität, ausmachen“ (Abram 2001, S. 2).<br />

Das Konzepts ‚Death Education‘ bietet eine didaktische Struktur <strong>und</strong> dennoch eine große Offenheit<br />

bei der konkreten Inhaltsauswahl, die es ermöglicht, die Vorerfahrungen <strong>und</strong> das Vorwissen der Kinder<br />

in den Unterricht zu integrieren <strong>und</strong> somit im Hi<strong>nb</strong>lick auf Identitätsentwicklung zum Ausgangspunkt<br />

des Vorgehens zu konkretisieren. <strong>Die</strong> Verschränkung <strong>von</strong> Erfahrungs- <strong>und</strong> Interessenorientierung<br />

mit den Fachwissenschaften scheint dabei zentral zu sein. Der im Sachunterricht geforderte<br />

Spannungsbogen zwischen den Erfahrungen der Kinder <strong>und</strong> fachwissenschaftlichen Perspektiven<br />

bekommt durch das Konzept eine didaktische Form, die ein beliebiges Vorgehen vermeiden soll.<br />

<strong>Die</strong> Thanatopsychologie <strong>und</strong> auch die Thanatologie 40 bieten den Lehrenden einen fachwissenschaftlichen<br />

‚Backro<strong>und</strong>‘, der ihnen helfen kann, die Themen <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> wissenschaftlich f<strong>und</strong>iert<br />

zu thematisieren. Zudem wird der Anspruch des integrativen Arbeitens im Sachunterricht durch<br />

die Struktur des Konzepts gestützt.<br />

Überdies wird Bildung als Prozess verstanden, der in einem Kompetenzerwerb münden soll. Dabei<br />

sind primär die Kommunikationsfähigkeit <strong>und</strong> das Zusammenhangsdenken gemeint, die sich in der<br />

klafkischen Bildungstheorie manifestieren <strong>und</strong> dem Sachunterricht zu Gr<strong>und</strong>e liegen. <strong>Die</strong>se Ziele<br />

versucht das Konzept ‚Death Education‘, obwohl es vor einem anderen wissenschaftlichen Hintergr<strong>und</strong><br />

entstand, zu initiieren. <strong>Die</strong> <strong>von</strong> Klafki formulierte <strong>und</strong> nach Michaliks Ansicht vernachlässigten<br />

Lernprozesse einer Interessen- <strong>und</strong> Fähigkeitsförderung könnten durch das Konzept ‚angeregt‘ werden.<br />

<strong>Die</strong> Bildungsaufgaben des Sachunterrichts <strong>und</strong> des ‚Konzepts Death Education‘, wie zum Beispiel<br />

Identitätsentwicklung, Kommunikationsfähigkeit <strong>und</strong> daraus resultierende soziale <strong>und</strong> personale<br />

Kompetenzen, die über den Inhalt hinausreichen, scheinen durch das Konzept realisierbar zu sein. Es<br />

geht um Aufklärung <strong>und</strong> die Befähigung selbstständig entscheiden zu können, dieser Welt reflektiert<br />

gegenüber zu stehen <strong>und</strong> das eigene Selbst zu stärken.<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt des ‚Konzepts Death Education‘ ist auch der Versuch, gesellschaftliche<br />

Zusammenhänge ‚zu entschlüsseln‘ – wie zum Beispiel bei der Frage nach möglichen Gründen<br />

des eigenen Verhaltens in Bezug auf die Themen <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong>. „Kinderfragen werden nicht in<br />

38 vgl. Kapitel 4.4.1<br />

39 vgl. Kapitel 3.1<br />

40 vgl. Reuter 1994<br />

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