29.01.2013 Aufrufe

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />

wähnt, die Aufgabe, sich an den Erfahrungen der Kinder <strong>und</strong> dem fachlich gesicherten Wissen zu<br />

orientieren – demnach zu einer gr<strong>und</strong>legenden Bildung beizutragen (vgl. Richter 2002, S. 102).<br />

Insbesondere für Themen wie <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> gilt, dass die <strong>von</strong> Erwachsenen als schwierig eingestuften<br />

Thematiken benannt werden sollten, um nicht die eigenen ‚Hemmungen‘ an Kinder weiterzugeben.<br />

Kinder müssen in dieser komplexen Welt sehr viel Wissen erwerben, so dass es unlogisch<br />

wäre ihnen erst ‚Falsches‘ beizubringen, welches später wieder revidiert werden muss (vgl. Elsche<strong>nb</strong>roich<br />

2001, S. 66) „Ein siebenjähriges Kind sollte schon einmal auf dem Friedhof gewesen<br />

sein.“ (ebd., S. 22)<br />

Demnach meint ‚Erschließen‘ den Spannungsbogen zwischen Lebenswelt <strong>und</strong> Wissenschaft für<br />

den Sachunterricht didaktisch zu konkretisieren.<br />

<strong>Die</strong>ses wurde <strong>von</strong> Kahlert (1998) durch seinen Entwurf der so genannten ‚didaktischen Netzte‘ <strong>und</strong><br />

theoretisch <strong>von</strong> der GDSU (2002) durch den Perspektivrahmen versucht, beziehungsweise eingefordert<br />

17 . Des Weiteren meint Erschließen in Bildungsprozessen eine Dialektik zwischen Prägung des<br />

Individuums durch Kultur <strong>und</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> dergleichen als Resultat der Entwicklung eines Individuums.<br />

Dementsprechend formulierte Klafki schon 1959, dass „Bildung [...] kategoriale Bildung in<br />

dem Doppelsinn [sei], dass sich dem Menschen eine Wirklichkeit ‚kategorial‘ erschlossen hat <strong>und</strong> das<br />

damit eben er selbst – dank der selbstvollzogenen ‚kategorialen‘ Einsichten, Erfahrungen, Erlebnisse<br />

– für diese Wirklichkeit erschlossen worden ist“ (Klafki 1959, S. 410/411). Darunter wird ein wechselseitiger<br />

Erschließungsprozess zwischen dem Mensch <strong>und</strong> seiner Welt, den subjektiven <strong>und</strong> objektiven<br />

Dimensionen, verstanden. „<strong>Die</strong> Erschlossenheit der Welt für jemanden heißt [...], dass er sieht,<br />

womit er zu tun hat; in der anderen Richtung ist derjenige erschlossen für die Welt, der sich auf das<br />

Begegnende einstellt.“ (Löffler 2005, S. 1) <strong>Die</strong>se wechselseitige Erschließung beschreiben auch Pech<br />

<strong>und</strong> Kaiser, indem sie diese als „Erschließen der Welt <strong>und</strong> das zunehmende Erschlossenwerden des<br />

lernenden Menschen für diese Welt“ (Pech/Kaiser 2004, S. 4) formulieren.<br />

Das so verstandene gr<strong>und</strong>legende Bildungsziel des Sachunterrichts, als ‚Erschließen <strong>von</strong> Lebenswelt‘<br />

konkretisiert sich im Bildungsbegriff <strong>von</strong> Klafki, der für diesbezügliches pädagogisches Handeln<br />

hilfreich erscheint.<br />

3.1.2 Was bedeutet Bildung im Sachunterricht? Was ist der Bildungsbegriff des Sachunterrichts <strong>und</strong><br />

welche Bedeutung hat er?<br />

Der Ausgangspunkt des hier verstandenen Bildungsbegriffs ist ein aufklärerischer, auf der Basis der<br />

klassischen Bildungsziele <strong>von</strong> Kant: Aufklärung, Emanzipation <strong>und</strong> Mündigkeit, die im Zuge des<br />

Emanzipationsprozesses der damaligen Stände gegen Klerus <strong>und</strong> Adel entstanden (vgl. ebd., S. 3).<br />

Mitscherlich versteht Bildung als ‚Ich-Stabilisierung‘, im Sinne des Treffens <strong>von</strong> eigenen Entscheidungen<br />

<strong>und</strong> deren Begründung. Sie sollte eine Mischung aus Affekt-, Sach- <strong>und</strong> Sozialbildung<br />

(vgl. Marotzki 1988, S. 313/314) <strong>und</strong> demnach eine Trias aus emotionalen, kognitiven <strong>und</strong> sozialen<br />

Lernprozessen sein. <strong>Die</strong> Selbsttätigkeit des Subjekts ist dabei, wie auch im Bildungsbegriff <strong>von</strong> Kant,<br />

zentraler Punkt <strong>von</strong> Bildung. Zudem handelt es sich vorrangig um die Ausprägung eines Selbstbewusstseins,<br />

welches die Fähigkeit der Selbstprüfung initiieren soll (vgl. ebd., S. 319/320).<br />

Für die Legitimierung des Bezugs dieses aufklärerischen Bildungsbegriffs auf heutige Bildungskontexte<br />

stellt sich die Frage, inwiefern dieser in unserer ‚schei<strong>nb</strong>ar‘ aufgeklärten Gesellschaft noch<br />

Gültigkeit beanspruchen kann. Marotzki beantwortet diese mit der Notwendigkeit desgleichen, durch<br />

die Beschreibung eines Individualisierungsschubs in der Gesellschaft, wobei er sich auf Becks These<br />

einer Risikogesellschaft stützt, in der dieser einen Stabilitätsverlust für das Individuum sieht. Demnach<br />

wird jeder zunehmend zum ‚Planungsbüro‘ seiner selbst, indem das Individuum mit der Vielfalt<br />

an Optionen seines gesellschaftlichen Kontextes umgehen können muss beziehungsweise dieses erlernen<br />

muss (vgl. Beck 1986). Somit ist nach Marotzki das „Ertragen <strong>von</strong> Unsicherheiten“ <strong>und</strong> ein Managen<br />

<strong>von</strong> diesen Ziel <strong>von</strong> Bildung (vgl. Marotzki 1988, S. 321).<br />

17 Beide Konzepte stellen keine standardisierten Schemata dar, sondern versuchen, ausgehend <strong>von</strong> den Erfahrungen der Kinder,<br />

einen flexiblen Orientierungsrahmen für Lehrer- <strong>und</strong> Lehrerinnen zu schaffen. Kahlert tut dieses, indem er mit konzentrischen<br />

Kreisen arbeitet, deren Mittelpunkt Erfahrungen – wie Freude, Blitz, Fre<strong>und</strong>schaft – sind, die in lebensweltliche Dimensionen –<br />

beispielsweise Formen <strong>und</strong> Vielfalt des Lebens – überleiten, um dann auf fachlich orientierte Perspektiven zu kommen (vgl.<br />

Kahlert 1998, S. 72). Der Perspektivrahmen dagegen arbeitet mit fünf festgelegten Perspektiven – der sozial- <strong>und</strong> kulturwissenschaftlichen,<br />

der raumbezogenen, der naturwissenschaftlichen, der technischen <strong>und</strong> historischen Perspektive. <strong>Die</strong>se repräsentieren<br />

einzelne Fachwissenschaften, die durch die im Perspektivrahmen vorgeschlagene Themen aus der Lebenswelt der Kinder,<br />

analysiert <strong>und</strong> in einem interdisziplinären Zusammenhang betrachtet werden sollen (vgl. GDSU 2002). Jedoch wird dieser<br />

Zusammenhang rekursiv eingeführt, da zunächst nur die einzelnen Perspektiven <strong>und</strong> ihr Gehalt für die jeweilige Thematik<br />

betrachtet werden <strong>und</strong> erst dann sozusagen ‚künstlich‘ in einen Zusammenhang ‚gezwängt‘ werden.<br />

24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!