29.01.2013 Aufrufe

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />

welches somit erst ein Erschließen globaler Perspektiven <strong>und</strong> Verschränkungssysteme – im Hi<strong>nb</strong>lick<br />

auf Veränderung(en) – zulässt.<br />

Demnach schließt Bildung eine bloße Stoffanhäufung aus. Im Gegenteil: Es sollen an exemplarischen<br />

Beispielen Problem- <strong>und</strong> Fragestellungen erarbeitet werden, die aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen<br />

Interessen <strong>von</strong> Kindern, vielseitige Antworten zulassen. „Allgemei<strong>nb</strong>ildung bedeutet in dieser Hinsicht,<br />

ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein <strong>von</strong> zentralen Problemen der Gegenwart <strong>und</strong> – soweit<br />

voraussehbar – der Zukunft zu gewinnen, Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts<br />

solcher Probleme <strong>und</strong> Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken.“ (Klafki 1996, S. 56)<br />

Zudem formuliert Klafki eine vielseitige Interessen- <strong>und</strong> Fähigkeitsentwicklungen als polare Ergänzung<br />

zur Konzentration auf Schlüsselprobleme. Bildung soll in allen Bereichen menschlicher<br />

Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten stattfinden (vgl. ebd., S. 63). <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> sind Bereiche des menschlichen<br />

Interesses. Klafki fordert diese polare Ergänzung, da er da<strong>von</strong> ausgeht, dass eine ausschließliche<br />

Konzentration auf epochaltypische Schlüsselprobleme mit hohen „[...] Anspannungen, Belastungen,<br />

Anforderungen intellektueller, emotionaler <strong>und</strong> moralisch-politischer Art verb<strong>und</strong>en [ist], die nicht<br />

zuletzt auch für junge Menschen zur Überforderung <strong>und</strong> zur Einschränkung ihrer gegenwärtigen <strong>und</strong><br />

zukünftigen Möglichkeiten werden könnten“ (ebd., S. 70). Demzufolge muss „Sachunterricht [...]<br />

auch Raum für Fragen nach der Gefühlswelt“ (Michalik 2005, S. 2) der Kinder lassen. <strong>Die</strong>sen Raum<br />

können die Themen <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> meines Erachtens schaffen.<br />

<strong>Die</strong>ser Bereich der klafkischen Bildungstheorie bleibt jedoch bis heute nicht klar umrissen <strong>und</strong> es<br />

scheint als sei er gegenüber den epochaltypischen Schlüsselproblemen weniger relevant, da er nicht<br />

genau zu konkretisieren ist. An Stelle <strong>von</strong> präzise bestimmbaren Inhalten handelt es sich dabei um<br />

Lernprozesse (vgl. ebd., S. 3). Es sollte demnach stärker betont werden, dass es nach Klafki möglich<br />

ist einer „Gefährdung der Identität entgegenzuwirken mit einer ‚die Entfaltung aller menschlichen<br />

‚Kräfte‘[...] umfassenden Menschbildung oder Bildung <strong>von</strong> ‚Kopf, Herz <strong>und</strong> Hand‘[...] oder Bildung<br />

der ‚Vielseitigkeit des Interesses‘“ (Klafki 1993, S. 30 nach Richter 2002, S. 112).<br />

Eva Gläser, Edith Glumpler, Astrid Kaiser <strong>und</strong> Brunhilde Marquardt-Mau unterstützen meines Erachtens<br />

diese These, indem sie das für meine Arbeit gewählte Themenfeld ‚<strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong>‘ explizit<br />

als Themen des Sachunterrichts benennen (vgl. Gläser 2002; Glumpler 1987; Kaiser 1998 <strong>und</strong> 2004b;<br />

Marquardt-Mau/Schreier 1998). Auch Hanna Kiper schließt sich dem an <strong>und</strong> formuliert, dass Kinder<br />

durch ein Thema wie den <strong>Tod</strong> zur Reflexion über die eigene Biografie angeregt werden, die ihrer<br />

Identitätsentwicklung zuträglich sein kann (vgl. Kiper 2000, S. 14). In einer Gesellschaft wie der<br />

unseren, wird die Bildung einer persönlichen Identität aufgr<strong>und</strong> der Pluralisierung nicht <strong>von</strong> außen<br />

vermittelt, sondern zur persönlichen Aufgabe jedes Menschen (vgl. ebd., S. 19). So formulieret auch<br />

Richter eine Selbst- <strong>und</strong> Identitätskompetenz, die es im Sachunterricht zu erlangen gilt, um Kindern<br />

angesichts einer pluralisierten Gesellschaft zu befähigen innere Stabilität zu entwickeln (vgl. Richter<br />

2002, S. 119).<br />

<strong>Die</strong> Kinder dabei zu unterstützen, ist meines Erachtens eine primäre Aufgabe des Sachunterrichts.<br />

In diesem Sinne ist auch Klafki zu verstehen, da seine „Begriffe [...] im Subjekt [fußen], denn es handelt<br />

sich einzig um Fähigkeiten, die das Subjekt ausbilden kann <strong>und</strong> muss, um eine – nennen wir es<br />

einmal zukunftsorientierte – Bildung einzulösen. Über das ‚Wie‘ ist damit indes noch nichts gesagt“<br />

(Pech 2005, S. 3). Bildung ist in diesem Verständnis immer der Zusammenhang <strong>von</strong> Subjekt <strong>und</strong><br />

Objekt im Kontext der Gesellschaft, so dass ausgehend vom Menschen, seine personalen <strong>und</strong> sozialen<br />

Kompetenzen gefördert werden sollen (vgl. Kaiser 2004a, S. 127).<br />

Für die Fragestellung dieses Kapitels bedeutet dies, dass die ‚<strong>Thematisierung</strong>‘ <strong>von</strong> <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong><br />

im Sachunterricht im Wesentlichen zu dieser Subjekt- beziehungsweise Identitätsentwicklung <strong>und</strong><br />

angestrebten gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann. Wie dieses möglich <strong>und</strong> sinnvoll sein<br />

könnte wird in Kapitel 5 dargestellt. Zunächst werden jedoch einige Beispiele aus der Praxis als exemplarische<br />

Träger des hier dargestellten theoretischen Gebäudes dargestellt.<br />

3.2 Warum die <strong>Thematisierung</strong> im Sachunterricht – ‚praktische‘ Ebene<br />

In einigen Gr<strong>und</strong>schulen fand in den letzten Jahren eine <strong>Thematisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> im Unterricht<br />

statt. <strong>Die</strong>se hängt jedoch sehr stark <strong>von</strong> Einzelpersonen ab, da die Erwähnung der Themen in<br />

den Rahmenrichtlinien für die Gr<strong>und</strong>schule des Landes Niedersachsen, die immer noch Verwaltungsvorschriften<br />

für den Unterricht sind – obwohl sie meines Erachtens aufgr<strong>und</strong> ihres Entstehungsdatums<br />

keinem aktuellen Forschungsstand genügen können – nur unzureichend benannt werden. Demzufolge<br />

werden die Themen <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> nur sehr selten im Unterricht der Gr<strong>und</strong>schule berücksichtigt.<br />

Immerhin werden sie in zwei Rahmenrichtlinien Niedersachsens – Sachunterricht <strong>und</strong> Religion –<br />

erwähnt. In den Rahmenrichtlinien für den Sachunterricht zum Beispiel als untergeordnete Themen im<br />

26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!