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Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

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www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />

wendiger Reifungsschritt, den das Kind tun muß, auf die Allmachtsphantasien zu verzichten.“ (Leist<br />

1982, S. 15) Dennoch sollte dieses bei der Arbeit mit Kindern immer mitgedacht werden, um ihre<br />

Gefühle besser verstehen zu können.<br />

2.3.3 Das Gr<strong>und</strong>schulalter<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung der Kinder im Gr<strong>und</strong>schulalter <strong>von</strong> sechs bis zehn Jahren, die für die weiteren Überlegungen<br />

dieser Arbeit am relevantesten ist, wird im Folgenden noch einmal kurz zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> genauer dargestellt.<br />

Kinder diesen Alters haben bereits vielfältige Erfahrungen mit Abschieden, Verlusten <strong>und</strong> dem<br />

<strong>Tod</strong> gemacht oder annähernde Vorstellungen vom <strong>Tod</strong>, die sie versuchen zu vertiefen. <strong>Die</strong> Subkonzepte<br />

des ‚reifen‘ <strong>Tod</strong>eskonzepts werden in dieser Altersspanne erlernt. Sie werden nicht gleichzeitig<br />

erworben. <strong>Die</strong> Irreversibilität <strong>und</strong> die Universalität scheinen im Allgemeinen zu erst erworben zu<br />

werden, während die Nonfunktionalität <strong>und</strong> die Kausalität erst später verstanden werden (vgl. Ramachers<br />

1994, S. 65).<br />

<strong>Die</strong> Kinder dieses Alters können zwischen belebten <strong>und</strong> u<strong>nb</strong>elebten Objekten unterscheiden <strong>und</strong><br />

auch zunehmend zwischen Leben <strong>und</strong> <strong>Tod</strong>. <strong>Die</strong> Endlichkeit kann durch ein entwickeltes Zeitverständnis<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich verstanden werden. <strong>Die</strong>s bedeutet jedoch nicht, dass die Kinder automatisch die<br />

Irreversibilität des <strong>Tod</strong>es akzeptieren. Der <strong>Tod</strong> wird noch stark als <strong>von</strong> außen verursacht betrachtet,<br />

beispielsweise durch einen Unfall oder eine Krankheit. <strong>Die</strong>se Tatsache kann ein Gr<strong>und</strong> dafür sein,<br />

warum die Kinder den <strong>Tod</strong> häufig personalisieren (vgl. Plieth 2002, S. 71). Das bedeutet, dass sie sich<br />

den <strong>Tod</strong> zum Beispiel als Engel, Skelett oder Komplize des Teufels vorstellen. In welcher Gestalt der<br />

<strong>Tod</strong> in der Vorstellung der Kinder auch auftritt, zumeist ist dieses Wesen unsichtbar <strong>und</strong> lebt in der<br />

Dunkelheit (vgl. Fleck-Bohaumlitzky 2003, S. 14). Damit zeigen Kinder, dass sie wissen, was <strong>Tod</strong><br />

bedeutet, beziehungsweise bedeuten kann. Sie versuchen gleichsam ihn <strong>von</strong> sich fernzuhalten, indem<br />

sie ihn personifizieren <strong>und</strong> somit <strong>von</strong> sich trennen (vgl. Fischer 2003, S. 41).<br />

Das Ich-Bewusstsein ist bei Gr<strong>und</strong>schulkindern schon sehr ausgeprägt, wenn auch nicht vollständig.<br />

<strong>Die</strong>se Tatsache führt zu einer zunehmenden Angst vor dem <strong>Tod</strong>, vor dem Zerfall des Körpers.<br />

Der <strong>Tod</strong> bedeutet somit den Ich-Verlust <strong>und</strong> ist gleichzusetzen mit Vorstellungen <strong>von</strong> der Selbstauflösung.<br />

Um ihre Angst <strong>und</strong> Gedanken zu verarbeiten, stellen Kinder diesbezüglich häufig Fragen (vgl.<br />

Plieth 2002, S. 75). „Sie möchten wissen, warum Menschen sterben, wer den <strong>Tod</strong> schuldhaft zu verantworten<br />

hat <strong>und</strong> ob es ein beglückendes Weiterleben nach dem <strong>Tod</strong> gibt.“ (ebd.) Im Vordergr<strong>und</strong><br />

steht dabei die Frage nach der eigenen Person. Kinder möchten erfahren, was mit ihnen passiert, wenn<br />

sie sterben (vgl. ebd., S. 78). Sie wollen wissen, wie es sich anfühlt, wenn man stirbt, wo man dann<br />

hinkommt <strong>und</strong> ob dort jemand auf sie wartet. Auf diese Fragen gilt es einzugehen. <strong>Die</strong> Kinder brauchen<br />

ehrliche Antworten, um ihr <strong>Tod</strong>eskonzept weiterentwickeln zu können.<br />

2.3.4 Zwischenfazit III<br />

Abschließend ist festzustellen, dass „[...] es kein allgemein gültiges, für alle Kinder gleichermaßen<br />

verbindliches <strong>Tod</strong>eskonzept [gibt], da sie in jeder Entwicklungsphase die Welt <strong>und</strong> somit auch den<br />

<strong>Tod</strong> anders verstehen“ (Franz 2002, S. 60). Es gibt keine konkret altersspezifischen <strong>Tod</strong>esvorstellungen,<br />

da diese sehr stark <strong>von</strong> den Erfahrungen der Kinder abhängen. Den <strong>Tod</strong> zu erfahren, in welcher<br />

Form auch immer, ist vielmehr eine Grenzerfahrung, die über das bis dahin entwickelte „Ich“ hinausheben<br />

kann (vgl. Kipenhauer 1993, S. 71).<br />

Demzufolge ist es für Kinder besonders wichtig, klare Auskünfte zu bekommen, da sie diese aus<br />

der <strong>Trauer</strong> <strong>von</strong> Personen ihres Umfelds nicht selbstständig entnehmen können (vgl. Leist 1993, S.<br />

161). Im Gegenteil: Das häufig vorkommende geheimnisvolle Verhalten <strong>von</strong> Erwachsenen, wie es oft<br />

der Fall ist, kann zu diffusen Ängsten <strong>und</strong> Fantasien führen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Erkenntnis, dass das <strong>Tod</strong>eskonzept <strong>von</strong> Kindern stark <strong>von</strong> den individuellen Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> dem kognitiven Entwicklungsstand abhängt, ergibt sich die Frage nach der <strong>Trauer</strong> <strong>von</strong><br />

Kindern. In diesem Kontext ist <strong>von</strong> besonderem Interesse die Frage: „Wenn Kinder angeblich so diffuse,<br />

aus Sicht der Erwachsenen unfertige Vorstellungen vom <strong>Tod</strong> haben, können sie dann nach der<br />

Definition der <strong>Trauer</strong> in Bezug auf Erwachsene überhaupt trauern?“<br />

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