Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...
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www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />
Bestandteil des Lebens zu akzeptieren <strong>und</strong> Umgangsformen, beispielsweise <strong>Trauer</strong>rituale, zu entwickeln<br />
(vgl. Heller/Heller 2003, S. 11). „[...] die meisten Religionen [stellen] komplizierte Systeme der<br />
Vorbereitung auf den <strong>Tod</strong> dar. Religionen sind Sinngebungssysteme.“ (ebd.) Elias zufolge gibt es<br />
keine Vorstellung, so merkwürdig sie auch zu sein scheint, an die die Menschen nicht glauben, um<br />
ihre Hoffnung auf eine Weiterexistenz zu erhalten (vgl. Elias 2002, S. 13).<br />
Kulturvergleichend findet „das Sterben <strong>von</strong> Menschen [...] vor dem Hintergr<strong>und</strong> unterschiedlicher<br />
Vorstellungen <strong>und</strong> Werte statt. Der <strong>Tod</strong> gehört zu den universalen Erfahrungen aller Formen des Lebens,<br />
aber der Mensch ist das einzige Lebewesen, das weiß, dass es sterben wird <strong>und</strong> aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> ein Verhalten gegenüber dem <strong>Tod</strong> entwickeln kann“ (Heller/Heller 2003, S. 10/11).<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen machen deutlich, dass ‚der <strong>Tod</strong>‘ nicht eindeutig definierbar ist. In dieser Arbeit<br />
wird jedoch vom Begriff des ‚natürlichen <strong>Tod</strong>es‘, als Ende aller Lebensfunktionen, ausgegangen. Des<br />
Weiteren wird versucht vorrangig zu klären, wie es gelingen kann den <strong>Tod</strong> anderer verarbeiten <strong>und</strong><br />
die Realität des eigenen <strong>Tod</strong>es akzeptieren zu können.<br />
1.2 Was ist <strong>Trauer</strong>?<br />
Nach Jorgos Canacakis ist die <strong>Trauer</strong> ein angeborenes Gefühl, welches uns bis zum <strong>Tod</strong> erhalten<br />
bleibt. <strong>Trauer</strong> ist die selbstverständliche Reaktion unseres Organismus auf Verlust, Trennung <strong>und</strong><br />
Abschied (vgl. Canacakis 2002, S. 23/24). Sie kann durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder eines<br />
Fre<strong>und</strong>es, die Scheidung der Eltern oder den Abschied <strong>von</strong> einem Wohnort, einem Ideal oder einem<br />
Vorbild hervorgerufen werden (vgl. Lammer 2003, S. 32). „Es ist die leib-seelische Antwort auf die<br />
täglichen kleinen <strong>und</strong> großen Abschiede, die wir immer <strong>und</strong> unausweichlich zu bewältigen haben. (...)<br />
<strong>Trauer</strong> tritt nicht nur auf, wenn wir dem <strong>Tod</strong> begegnen.“ (Canacakis 1992, S. 182/183) Der <strong>Tod</strong> sei<br />
jedoch die stärkste Verlusterfahrung (vgl. Franz 2002, S. 85). <strong>Trauer</strong> löst vielfältige Gefühle, wie<br />
Scham, Leere, Wut, Schmerz aus <strong>und</strong> regt existentielle Gedanken an. Solche Gedanken können zum<br />
Beispiel folgende sein: „Es wird nie wieder gut werden“ oder „Ich hasse dich, du hast mich allein<br />
gelassen“. Zudem wirft <strong>Trauer</strong> viel Fragen auf, wie: „Warum musste das passieren?“, „Warum du<br />
nicht ich?“ Außerdem kann sie körperliche Reaktionen hervorrufen, wie Appetitlosigkeit <strong>und</strong> Müdigkeit<br />
(vgl. Tausch-Flammer/Bickel 1995, S. 48-50). <strong>Trauer</strong> kann demnach auf sehr vielfältige Weise<br />
zum Ausdruck gebracht werden.<br />
Kerstin Lammer unterscheidet diesbezüglich in einen intra- <strong>und</strong> einen interpersonalen Aspekt <strong>von</strong><br />
<strong>Trauer</strong>. Intrapersonale Aspekte der <strong>Trauer</strong> sind in dieser Hinsicht psychologische <strong>und</strong> innerpsychische<br />
Reaktionen, sowie das Verhalten der Person in Bezug auf sich selbst, wie zum Beispiel Appetitlosigkeit,<br />
Angst, Wahrnehmungsstörungen oder Apathie. Als interpersonale Aspekte beschreibt sie den<br />
sozialen Aspekt der <strong>Trauer</strong>, das Verhalten der <strong>Trauer</strong>nden in der Öffentlichkeit beziehungsweise anderen<br />
Personen gegenüber, wie zum Beispiel eine gewisse Zeit nicht zur Arbeit zu gehen oder den<br />
Rückzug vor Fre<strong>und</strong>en (vgl. Lammer 2003, S. 34). <strong>Trauer</strong> hat demnach einen psychologischen, physiologischen<br />
<strong>und</strong> einen soziologischen Aspekt.<br />
Im Gegensatz zum ‚Gefühl der <strong>Trauer</strong>‘ ist unter <strong>Trauer</strong> auch ein Prozess des <strong>Trauer</strong>ns zu verstehen,<br />
der in der Literatur durch leicht differierende Phasenmodelle, zum Beispiel <strong>von</strong> John Bowlby (1983)<br />
oder Verena Kast (2002), beschrieben wird, deren Basis das Modell <strong>von</strong> Elisabeth Kübler-Ross ist.<br />
Nach Kübler-Ross sind die Phasen wie folgt zu benennen:<br />
1. „Nicht-wahrhaben wollen,<br />
2. Zorn,<br />
3. Verhandeln,<br />
4. Depression beziehungsweise Resignation,<br />
5. Zustimmung beziehungsweise Annahme“<br />
(Kübler-Ross 1978, S. 16 nach Plieth 2002, S. 105)<br />
<strong>Die</strong> Phasen sind als Orientierung zu verstehen, da <strong>Trauer</strong> so individuell wie die Menschen selbst ist<br />
<strong>und</strong> somit nicht explizit durch starre Kategorien beschrieben werden kann (vgl. Canacakis 2002, S.<br />
39). Sie können sich abwechseln, überschneiden oder vermischen (vgl. Hövelmann 2004, S. 19).<br />
„<strong>Trauer</strong>n ist kein linearer Vorgang mit Anfang <strong>und</strong> Ende, sondern ein eher zyklisch verlaufendes<br />
Geschehen.“ (Ennulat 2003, S. 55) Es birgt die positive Funktion, den Verlust zu bewältigen. Demzufolge<br />
beinhaltet jede der Phasen spezielle Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, um die <strong>Trauer</strong> zu verarbeiten<br />
(vgl. Hövelmann 2004, S. 25). <strong>Die</strong> Bewältigung dieser Aufgaben ist als <strong>Trauer</strong>arbeit zu verstehen.<br />
„<strong>Die</strong>se Arbeit beginnt mit der Erkenntnis der Realität des <strong>Tod</strong>es <strong>und</strong> endet in der Aufnahme<br />
neuer Beziehungen.“ (Franz 2002, S. 85) Zu unterscheiden ist dabei die <strong>Trauer</strong>arbeit, die ein Subjekt<br />
selbst tun muss <strong>und</strong> die zur Unterstützung anderer (vgl. ebd.). In Bezug auf verschiedene Verluste<br />
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