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Die Thematisierung von Tod und Trauer. - d-nb, Archivserver ...

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www.widerstreit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 7/Oktober 2006<br />

über die Farben des Sarges. Er stellte fest, dass er seinen eigenen Sarg bunt anmalen möchte, dieses<br />

jedoch mit Naturfarben gemacht werden müsste, da sonst bei der Verbrennung giftige Gase <strong>und</strong><br />

Rauch entstehen würden. Besonders interessiert waren die Kinder auch an den technischen Kontrollinstrumenten<br />

des Ofens. Nach der Verbrennung wollten einige Kinder einen toten Menschen sehen<br />

<strong>und</strong> durften dieses auch. Sie schauten sich die Leiche ruhig an, beschrieben sie <strong>und</strong> fassten sie an.<br />

Danach gingen die Lehrkräfte mit der Klasse raus <strong>und</strong> sahen sich Urnengräber <strong>und</strong> ‚normale‘ Gräber<br />

an. In der drauffolgenden St<strong>und</strong>e in der Klasse wurden noch einmal alle Erlebnisse besprochen <strong>und</strong><br />

ausgetauscht <strong>und</strong> die Kinder wurden dazu aufgefordert, diese aufzumalen. <strong>Die</strong> Lehrerinnen stellten<br />

dabei fest, das die Vorstellungen der Kinder nun viel differenzierter <strong>und</strong> klarer waren. Sie hatten ihre<br />

noch stark <strong>von</strong> der Fantasie geleiteten Vorstellungen vom <strong>Tod</strong> relativiert <strong>und</strong> der Realität, die sie<br />

kennengelernt hatten angepasst (vgl. Lesemann/Stei<strong>nb</strong>rinker 2003, S. 39-42).<br />

3.2.3 Unterrichtserfahrungen aus dem evangelischen Religionsunterricht – „Der überfahrene H<strong>und</strong>“<br />

<strong>und</strong> „Der Engel“<br />

<strong>Die</strong> im Folgenden dargestellten Unterrichtsmomente stammen aus dem Unterricht <strong>von</strong> dritten Klassen.<br />

In einer Klasse zeigte die Lehrerin den Kindern ein Bild <strong>von</strong> einem H<strong>und</strong>, der nach ihrer Aussage<br />

überfahren wurde. <strong>Die</strong> Kinder besonders ein Schüler, dessen H<strong>und</strong> auch überfahren wurde, reagierten<br />

sofort mit diversen Fragen <strong>und</strong> wollten genau wissen, wo der H<strong>und</strong> des Mitschülers nach dem <strong>Tod</strong><br />

hingekommen sei. Sie stellten Fragen, wie: „Kommen H<strong>und</strong>e auch in den Himmel?“, „Wenn ja, in<br />

den katholischen oder den evangelischen Himmel?“, „Wird seine Seele auch wiedergeboren?“ etc. <strong>Die</strong><br />

Lehrerin war mit den Fragen der Kinder überfordert, da sie das Bild nur als Einstieg nutzen wollte,<br />

beziehungsweise als Überleitung zum <strong>Tod</strong> <strong>von</strong> Menschen.<br />

Eine andere Religionslehrerin zeigte den Kindern ihrer Klasse, die den <strong>Tod</strong> einer neunjährigen<br />

Mitschülerin zu verkraften hatte, ein Bild <strong>von</strong> einem Engel, der ein Kind auf dem Arm trägt. <strong>Die</strong>ses<br />

Bild sollte die Auferstehungshoffnung symbolisieren. <strong>Die</strong> Kinder interpretierten das Bild <strong>und</strong> die<br />

Auferstehungshoffnung, die dadurch gezeigt werden sollte, einerseits positiv, andererseits behaupteten<br />

sie, dass Gott gewollt hat, dass das Kind stirbt, weil der Engel offensichtlich das Kind zu sich holt.<br />

<strong>Die</strong>se Lehrerin hatte augenscheinlich übersehen, dass die Auferstehungshoffnung ein Sprachsymbol<br />

ist, welches sich niemals in einem Bild definieren lässt (vgl. Mokrosch 2003, S. 34/35).<br />

3.2.4 Unterrichtsvorschlag nicht fachspezifisch – „Das Paradies <strong>und</strong> der <strong>Tod</strong>“<br />

Brigitte Völlering kritisiert in ihrem Artikel eine Religionsunterrichtseinheit <strong>von</strong> Martina Plieth u. a.,<br />

in der Kindern zunächst berichtet wurde, was das Paradies ist <strong>und</strong> wie es da aussehen könnte. Anschließend<br />

sollten die Kinder ihre <strong>Tod</strong>esvorstellungen aufmalen <strong>und</strong> ‚überraschenderweise‘ hatten<br />

40% der Schüler dieser Klasse eine Vorstellung vom Leben nach dem <strong>Tod</strong>, zum Beispiel im Paradies.<br />

Eine derart normativ-religiöse Ausrichtung im Vorhinein, kann in diesem Fall kaum noch als realistische<br />

Spiegelung der <strong>Tod</strong>esvorstellungen dieser Kinder gelten.<br />

Völlering hat aus diesem Gr<strong>und</strong> in einer vierten Klasse eine Unterrichtsgestaltung vorgenommen,<br />

in der die Kinder durch freies Zeichnen ihre <strong>Tod</strong>esvorstellungen ausdrücken sollten. <strong>Die</strong>s geschah in<br />

einer fachunspezifisch <strong>und</strong> ohne Vorbereitung durchgeführten Unterrichtsst<strong>und</strong>e, um zu realistischen<br />

Ergebnissen zu kommen, bei denen den Kindern nicht das Gefühl vermittelt werden sollte, ein gewünschtes<br />

Ziel in Form einer Lösung wiedergeben zu müssen. Dabei entstand eine Vielzahl <strong>von</strong> Bildern<br />

mit den unterschiedlichsten <strong>Tod</strong>esvorstellungen – <strong>von</strong> dem <strong>Tod</strong> als Mord, Weiterleben nach dem<br />

<strong>Tod</strong>, realistischen Darstellung eines durch Unfall verstorbenen Vaters <strong>und</strong> dem <strong>Tod</strong> des durch Altersschwäche<br />

verstorbenen Großvaters (vgl. Völlering 2003, S. 30-33).<br />

3.3 Fazit II: <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> im Sachunterricht<br />

Das dargestellte Bildungsverständnis des Sachunterrichts verdeutlicht die Relevanz einer <strong>Thematisierung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> in diesem.<br />

Wenn Sachunterricht Kindern beim Erschließen ihrer Lebenswelt helfen soll, sollten diese Themen<br />

nicht ausgeklammert werden, da sie, wie in Kapitel 3.1.1 dargestellt, Teil der Lebenswelt (Kultur,<br />

Gesellschaft, Persönlichkeit) sind. Ein gr<strong>und</strong>legendes Verständnis <strong>von</strong> Leben(swelt) ist meines Erachtens<br />

ohne ein Verständnis <strong>von</strong> <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauer</strong> nicht zu denken. Egbert Daum geht noch einen Schritt<br />

weiter, indem er Lebenswelt durch das ‚eigene Leben‘ begrifflich ersetzt (vgl. Daum 2004, S. 139).<br />

Seines Erachtens ist es sinnvoll „aus der gewonnenen Freiheit – Lebenssinn – zu machen, <strong>und</strong> zwar<br />

durch selbstbestimmte Entscheidungen für eine produktive Lebensverbringung. Da die Zuversicht auf<br />

ein ersprießliches Leben im Jenseits mehr <strong>und</strong> mehr ins Wanken gerät oder gar gänzlich schwindet,<br />

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