zum selbständigen Trader
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PEOPLE<br />
du es genau wissen willst, komm doch einfach rein, und<br />
ich zeig es dir.“ Der Vater meines Freundes ist dann zu<br />
einem Wandschrank gegangen, hat eine Papierrolle hervorgeholt<br />
und breitete diese auf einem Zeichentisch aus.<br />
Er sagte: „Ich arbeite mit diesem Chart und anderen solchen<br />
Bildern.“ Ich erkannte aber darauf nur jede Menge<br />
Dinge, die wie Striche aussahen, und stellte deswegen<br />
die Frage: „Sie beschäftigen sich damit, Striche zu zeichnen?“<br />
– „Nein, diese Striche stehen für Aktien.“ – „Was<br />
ist denn eine Aktie? Sieht eine Aktie wie ein Strich aus?“<br />
Er beschrieb dann, worum es sich bei Aktien handelte,<br />
und erklärte mir, dass die Striche für die Aktienkurse eines<br />
Unternehmens standen. Mich fasziniert es unheimlich,<br />
dass er mit dem, was sich als ganz simples Balkendiagramm<br />
entpuppte, Geld verdienen konnte.<br />
Damals waren meine Eltern beide berufstätig. Jeden<br />
Tag mussten sie sich durch den Berufsverkehr kämpfen,<br />
der ziemlich heftig war. Der Vater meines Freundes konnte<br />
dagegen ein viel bequemeres Leben führen. Als mir<br />
das klar wurde, fasste ich direkt den Entschluss, genau<br />
das auch zu lernen.<br />
und legte größten Wert auf Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung.<br />
Er meinte, dass ich nie wie er selbst traden<br />
würde und dass ich meinen eigenen Handelsstil entwickeln<br />
müsse. Ich müsse unbedingt an mich selbst und<br />
an meine Taten glauben – das gab er mir mit auf den Weg.<br />
Nach meiner Zeit bei ihm kehrte ich wieder nach Hause<br />
zurück, um ein Studium an der University of California<br />
in Los Angeles (UCLA) zu beginnen. Damals gab es so etwas<br />
wie Daytrading noch nicht, es sei denn, man tradete<br />
direkt an der Börse. Ich beschäftigte mich daher als langfristiger<br />
Positions-<strong>Trader</strong> an den Futures-Märkten, wobei<br />
ich gelegentlich auch am Aktienmarkt investiert war. Ich<br />
hatte von meinem Großonkel die klassische Charttechnik<br />
gelernt, und der einzige technische Indikator, den ich<br />
nutzte, war ein Gleitender Durchschnitt (GD). Ich hatte ein<br />
Abonnement beim Dunn and Hargitt-Chart-Service, von<br />
dem ich einmal in der Woche eine Reihe von Charts erhielt,<br />
die ich mithilfe der in den Zeitungen erscheinenden<br />
Kurse täglich aktualisieren musste.<br />
Man konnte damals nur dann ausschließlich vom<br />
Handel mit Rohstoff-Termingeschäften leben, wenn man<br />
Trennen Sie sich von Aktien, mit denen Sie Geld verlieren.<br />
TRADERS´: Könnten Sie die wichtigsten Stationen in Ihrer<br />
58-jährigen Karriere als <strong>Trader</strong> beschreiben und erklären,<br />
wie sich alles entwickelt hat?<br />
Ross: Als der Vater meines Freundes erkannte, dass ich<br />
echtes Interesse am Traden hatte, nahm er mich mit in<br />
ein Büro der Pacific Coast Stock Exchange, wo ich in der<br />
Galerie saß und die Menschen beim Traden beobachten<br />
konnte. Das war ein faszinierendes Erlebnis. Ich investierte<br />
in meine erste Aktie und hielt diese bis ich 20 Jahre alt<br />
war. Innerhalb weniger Tage machte ich schon Verlust mit<br />
dieser Aktie, hielt den Verlust-Trade aber so lange, bis das<br />
Unternehmen am Ende von der Bildfläche verschwand.<br />
Ich bin dankbar für diese Lektion: Trennen Sie sich von<br />
Aktien, mit denen Sie Geld verlieren!<br />
Mit 17 ging ich dann zur US-Kriegsmarine und diente<br />
dort bis ich 22 wurde. Im Laufe dieser Jahre habe ich einiges<br />
über die Märkte gelesen, aber nie eine echte Möglichkeit<br />
<strong>zum</strong> Traden gehabt. Nach meinem Dienst bei der<br />
Marine besuchte ich meinen Großonkel. Dabei stellte sich<br />
heraus, dass er Rohstoffhändler war und auch im Alter von<br />
76 Jahren immer noch an der Börse aktiv handelte. Ich verbrachte<br />
viele Monate bei ihm und er erklärte mir alles über<br />
die Märkte und wie sie funktionieren. Er war sehr streng<br />
auch über eine Menge Geld verfügte, was bei mir nicht<br />
der Fall war. Wenn ich mich recht erinnere, gab es nur<br />
wenig ausreichend liquide handelbare Märkte: Mais, Weizen,<br />
Soja, Zucker, Schweine, Rinder, Silber, Heizöl und<br />
Benzin. Die Trades waren dünn gesät. Es gab keine Aktienindizes,<br />
keine Devisenmärkte und keine Zins-Futures.<br />
Um die Zeit tagsüber zu nutzen, beschäftige ich mich mit<br />
einer Vielzahl von Unternehmen. Dabei konnte ich viel<br />
über den Einzelhandel, Import/Export, Versicherungen<br />
sowie Computer-Programmierung und -Analyse lernen.<br />
Ich habe einen Deo-Automaten erfunden, den wir hergestellt,<br />
verkauft und gewartet haben, und uns gehörte<br />
auch ein Chemieunternehmen. Drei Mal in meinem Leben<br />
lebte ich auf einer Farm und lernte dabei viel über Landwirtschaft.<br />
Bis heute bin ich immer noch eng mit dem<br />
Land verbunden und liebe fast alles, was die Natur und<br />
nicht der Mensch geschaffen hat.<br />
TRADERS´: Wann haben Sie es so weit gebracht,<br />
dass Sie als Vollzeit-<strong>Trader</strong> arbeiten konnten?<br />
Ross: Im Jahr 1980 kamen drei Dinge zusammen, die es<br />
mir ermöglicht haben, Vollzeit-Daytrader zu werden. Ich<br />
fand damals einen Daten-Provider namens „The Source“,<br />
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