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Berliner Zeitung 20.10.2018

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6** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 245 · 2 0./21. Oktober 2018<br />

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Politik<br />

NACHRICHTEN<br />

Union und SPD auf<br />

Umfragetiefstständen<br />

Union und SPD sind in zwei neuen<br />

Umfragen auf ihrebisherigen Tiefststände<br />

gefallen. Wenn am Sonntag<br />

Bundestagswahl wäre, kämen CDU<br />

und CSU laut dem ZDF-„Politbarometer“<br />

nur noch auf 27 Prozent der<br />

Wählerstimmen, die SPD nur noch<br />

auf 14 Prozent. Im ARD-„Deutschlandtrend“<br />

liegt die Union sogar bei<br />

25 Prozent, die SPD kommt auch<br />

dortauf 14 Prozent (minus 1). (dpa)<br />

Polen muss erzwungene<br />

Pensionierung stoppen<br />

Polen muss die umstrittene Zwangspensionierung<br />

vonRichternmit sofortiger<br />

Wirkung stoppen. Eine entsprechende<br />

einstweilige Anordnung<br />

erließ am Freitag der Europäische<br />

Gerichtshof in Luxemburg. DieAnordnung<br />

gilt sogar rückwirkend für<br />

die bereits pensionierten Richter des<br />

polnischen Obersten Gerichts. (dpa)<br />

Migranten durchbrechen<br />

Grenzanlagen zu Mexiko<br />

Migranten überwinden mit dem Ruf<br />

„Ja, wir können“ die Grenzanlagen.<br />

DPA<br />

Tausende Migranten aus Honduras<br />

haben am Freitag die Grenzezwischen<br />

Guatemala und Mexiko<br />

durchbrochen. Sieüberwanden eine<br />

Absperrung im GrenzortTecún<br />

Umán. IhrZiel sind die USA. Vergeblich<br />

versuchten Dutzende mexikanische<br />

Polizisten und Soldaten mit<br />

Panzerfahrzeugen, die Menge aufzuhalten.<br />

Tausende Honduraner sind<br />

derzeit zu Fußauf der Flucht vorArmut<br />

und Gewalt mit dem Ziel USA.<br />

US-Präsident Donald Trump hatte<br />

Mexiko aufgefordert, „diesen Ansturm“<br />

zu stoppen, andernfalls<br />

werdeerdas Militär einschalten und<br />

die Südgrenzeschließen. (AFP)<br />

Zahl der Bezieher von<br />

Sozialleistungen rückläufig<br />

DieZahl der in Deutschland auf Sozialleistungen<br />

angewiesenen Menschen<br />

ist das zweite Jahr in Folge gesunken.<br />

ZumJahresende 2017 seien<br />

noch knapp 7,6 Millionen Menschen<br />

auf die sogenannten sozialen Mindestsicherungsleistungen<br />

angewiesen<br />

gewesen, etwa 300 000 weniger<br />

als Ende 2016, teilte das Statistische<br />

Bundesamt am Freitag inWiesbaden<br />

mit. DerAnteil an der Bevölkerung<br />

verringerte sich damit von9,5 Prozent<br />

auf 9,2 Prozent. (AFP)<br />

Strafantrag gegen Russin<br />

wegen Wahleinmischung<br />

DieUS-Justiz geht gegen eine russische<br />

Staatsbürgerin wegen Verdachts<br />

der Einmischung in die bevorstehenden<br />

Kongress- und Regionalwahlen<br />

vor. Gegen Elena Chusjaynowa<br />

aus St.Petersburgsei<br />

Strafantrag gestellt worden, teilte das<br />

Justizministerium in Washington am<br />

Freitag mit. Die44-Jährige sei Chefbuchhalterin<br />

einer vondem Oligarchen<br />

Jewgeni Prigoschin gegründeten<br />

Organisation gewesen, die auf<br />

verdeckte politische Einflussnahme<br />

spezialisiertsei. Siehabe Zahlungen<br />

an Aktivisten in den USA sowie für<br />

Anzeigen und die Schaltung manipulativer<br />

Informationen in den Online-Netzwerken<br />

gesteuert.(AFP)<br />

Sahra Wagenknecht muss sich vor ihren Parteimitgliedernrechtfertigen.<br />

In der Bredouille<br />

Sahra Wagenknechts Skepsis gegenüber der Unteilbar-Demonstration stößt auf innerparteilichen Unwillen<br />

VonMarkus Decker<br />

Gegen Ende der vorigen<br />

Woche musste die Bewegung<br />

„Aufstehen“ kurz<br />

mal die Notbremse ziehen.<br />

Als der öffentliche Unmut<br />

schon ziemlich angeschwollen war,<br />

ließ die Sammlungsbewegung irgendwann<br />

spät abends via Pressemitteilung<br />

wissen, dass sie sich keineswegs<br />

von der Unteilbar-Demonstration<br />

am Sonnabend in Berlin<br />

distanziere und auch Sahra<br />

Wagenknecht dies nicht tue. Dawar<br />

das Kind indes schon in den Brunnen<br />

gefallen. Denn an der Demo<br />

nahmen knapp 250 000 Menschen<br />

teil – ein ungeahnter Erfolg der<br />

Kräfte links der Mitte.Und bei vielen<br />

war längst der Eindruck entstanden,<br />

als wolle „Aufstehen“ von dem Aufmarsch<br />

nichts wissen.<br />

Auslöser war eine öffentliche Veranstaltung<br />

der Linksfraktionschefin<br />

ein paar Tage zuvor in Berlin-Lichtenberg.<br />

Da wurdeWagenknecht von<br />

ihrer linken Fraktionskollegin Gesine<br />

Lötzsch gefragt, ob „Aufstehen“<br />

an der Unteilbar-Demonstration<br />

VonMarkus Decker<br />

Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen<br />

Länder, in denen<br />

Braunkohle abgebaut und verstromt<br />

wird, haben am Freitag eindringlich<br />

voreinem aus ihrer Sicht allzu rabiaten<br />

Ausstieg aus der Kohle gewarnt<br />

und dabei auf Gefahren für die Demokratie<br />

verwiesen.<br />

Als Begleitung des Prozesses forderten<br />

Michael Kretschmer (CDU,<br />

Sachsen), Reiner Haseloff (CDU,<br />

Sachsen-Anhalt) und Dietmar Woidke<br />

(SPD,Brandenburg) vorJournalisten<br />

in Berlin ein Gesetz für die<br />

langfristige Finanzierung des Strukturwandels.<br />

Darin müssten Pläne<br />

zur Schaffung neuer Arbeitsplätze<br />

festgeschrieben sein, um den Umbau<br />

der Wirtschaft etwa in der Lausitz<br />

auch über einen möglichen Regierungswechsel<br />

in Berlin hinaus zu<br />

sichern. Derzeit berät die Kohlekommission<br />

darüber, wie der Ausstieg<br />

konkret vollzogen werden soll.<br />

Noch im Oktober soll es einen Zwischenbericht<br />

geben, in dem es vor<br />

allem um Hilfen für die betroffenen<br />

Kohleregionen geht.<br />

Angst vorder AfD<br />

In zwei der drei Länder –inBrandenburg<br />

und Sachsen – finden 2019<br />

Landtagswahlen statt. In den Ost-<br />

Ländern ist die AfD sowohl in den<br />

teilnehmen werde. Wagenknecht<br />

verneinte dies.Wohl werde essicher<br />

Leute „von uns“ geben, die hingingen,<br />

wurde die 49-Jährige zitiert. Sie<br />

selbst allerdings sehe in dem Demonstrationsaufruf<br />

eine Tendenz<br />

hin zu einem Plädoyer für „offene<br />

Grenzen für alle“. Unddiese Position<br />

teiltWagenknecht bekanntlich nicht.<br />

Das rief unter anderem den linken<br />

Bundestagsabgeordneten Stefan<br />

Liebich auf den Plan, der darauf hinwies,dass<br />

die Linke in ihren Gremien<br />

etwas anderes beschlossen habe.<br />

DerVorgang zeigt, wie sehr sich Wagenknecht<br />

in die Bredouille gebracht<br />

hat –zubeiden Seiten.<br />

Zwar ist„Aufstehen“ seit der Gründung<br />

Anfang September stark gewachsen.<br />

Es gibt bisher etwa<br />

160 000 „Anmeldungen“ und bundesweit<br />

70 Gruppen, deren Existenz<br />

den Initiatoren bekannt ist. Freilich<br />

gibt es in der Bewegung auch Unmut.<br />

Das hat zum einen damit zu<br />

tun, dass die Strukturen dem<br />

Wachstum der Anmeldungen nicht<br />

gewachsen sind. Anhänger reagierenungeduldig,<br />

wenn sie auf Fragen<br />

keine oder keine schnelle Antwort<br />

bekommen. Wagenknecht selbst<br />

kann nicht zu jedem „Aufstehen“-<br />

Treffen fahren, weil sie im Kern ja<br />

Vorsitzende der Linksfraktion ist.<br />

Unter ihren Mitstreitern ist von<br />

„Kinderkrankheiten“ die Rede und<br />

dass es „immer mal Schwierigkeiten“<br />

gebe.<br />

Ablösung nicht ausgeschlossen<br />

Derinterne Unmut hat zum anderen<br />

damit zu tun, dass Wagenknechts<br />

Skepsis gegenüber Unteilbar nicht<br />

von allen bei „Aufstehen“ geteilt<br />

wird. So marschierte der ehemalige<br />

Grüne Ludger Volmer ebenso mit<br />

durch Berlin-Mitte wie der linke<br />

Bundestagsabgeordnete und Wagenknecht-Sympathisant<br />

Fabio de<br />

Masi. Letzterer rief bei Twitter auch<br />

ausdrücklich dazu auf.<br />

Aus der Linken verlautet wiederum:<br />

„Der Druck im Kessel nimmt<br />

zu.“ Denn Partei und Fraktion waren<br />

bei Unteilbar federführend. Parteichefin<br />

Katja Kipping hielt bei der<br />

Auftaktkundgebung am Alexanderplatz<br />

eine Rede. Aus Kippings Sicht<br />

und der ihres Ko-Vorsitzenden<br />

Bernd Riexinger tanzt Wagenknecht<br />

Demokratie in Gefahr<br />

Drei ostdeutsche Ministerpräsidenten warnen vor einem rabiaten Ausstieg aus der Kohle<br />

Ziel: Die Kohlekommission<br />

wurde am 6. Juni durch die<br />

Bundesregierung nach mehreren<br />

erfolglosen Anläufen<br />

eingesetzt. Sie soll einen<br />

Wegfür den Ausstieg aus der<br />

Kohle weisen und zugleich<br />

Strategien für den Strukturwandel<br />

in den Revieren entwickeln.<br />

Die Kommission hat<br />

vier Vorsitzende und insgesamt<br />

31 Mitglieder.<br />

Umfragen als auch bei Wahlen stärker<br />

als im Westen. Unddie Arbeitslosigkeit<br />

ist dorthöher.<br />

„Wir müssen den Klimaschutz<br />

ernst nehmen“, sagte Woidke. Zugleich<br />

dürfe man allerdings die betroffenen<br />

„Regionen nicht abschreiben“.<br />

Es müssten Industrieregionen<br />

bleiben. Im übrigen bleibe Deutschland<br />

weiter auf konventionelle Energieträger<br />

angewiesen, da auf die erneuerbaren<br />

Energien nicht ausreichend<br />

Verlass sei.<br />

Kretschmer mahnte, man müssen<br />

den um ihre Jobs bangenden<br />

KONVENTIONELLER ENERGIETRÄGER<br />

Klima: Deutschland steht unter<br />

großem internationalen<br />

Druck, seinen Klimagas-Ausstoß<br />

deutlich zu verringern. Ein<br />

Großteil der hiesigen Emissionen<br />

geht aufVerfeuerung von<br />

Braun- und Steinkohle zurück,<br />

die trotz des Ökostrom-Booms<br />

zusammen noch immer auf einenAnteil<br />

vonetwa 40 Prozent<br />

an der hiesigen Stromerzeugung<br />

kommen.<br />

Reviere: Deutschlandweit<br />

arbeiten in der Braunkohlebranche<br />

noch 21 000 Beschäftigte.<br />

Es gibt vier große<br />

Braunkohlegebiete: das<br />

Rheinische Revier westlich<br />

vonKöln, das Helmstedter<br />

Revier in Niedersachsen, das<br />

Mitteldeutsche Revier im<br />

Ballungsraum Halle/Leipzig<br />

und das Lausitzer Revier in<br />

Brandenburg und Sachsen.<br />

Menschen„klareSignale“ geben, wie<br />

es für sie weitergehen könne –und<br />

zwar Signale,„die die Leute auch verstehen“.<br />

Konkret forderte er eine<br />

ICE-Verbindung in die Lausitz, eine<br />

Stärkung des Hochschulstandortes<br />

Cottbus und schnelles Internet auf<br />

dem Land, um Investoren anzulocken.<br />

Haseloff sagte,inden 1990er-Jahren<br />

habe die Unterbeschäftigung in<br />

den ostdeutschen Ländern transformationsbedingt<br />

bei 50 Prozent gelegen;<br />

der 64-Jährige war seinerzeit Arbeitsamtsdirektor<br />

in Lutherstadt<br />

erneut aus der Reihe. Zudem wachen<br />

beide aufmerksam darüber,ob<br />

„Aufstehen“ parteiähnliche Strukturen<br />

bildet. Das nämlich, so heißt es<br />

im Karl-Liebknecht-Haus, wäre mit<br />

der Satzung nicht vereinbar.Der Rubikon<br />

wäre dann endgültig überschritten.<br />

Wagenknecht betont unterdessen,<br />

dass sie keine Parteigründung<br />

anstrebe.<br />

Ihre innerparteilichen Gegner<br />

führen schließlich ins Feld, dass die<br />

Linke wegen ihrer Zerstrittenheit in<br />

der Flüchtlingsfrage gegenüber den<br />

Grünen immer mehr ins Hintertreffen<br />

gerate. InBayern habe sie –wieder<br />

einmal – den Einzug in den<br />

Landtag verpasst. Undhabe die Ökopartei<br />

bei der Bundestagswahl noch<br />

hinter der Linken gelegen, liege sie in<br />

den aktuellen Umfragen weit, weit<br />

vorn. Einzelne schließen aus diesen<br />

und anderen Gründen auch eine Ablösung<br />

Wagenknechts vom Fraktionsvorsitz<br />

nicht mehr völlig aus.<br />

Sahra Wagenknecht wird sich, so<br />

scheint es, auf kurz oder lang entscheiden<br />

müssen – zwischen ihrer<br />

Partei einerseits und„Aufstehen“ andererseits.<br />

Wittenberg. „Soeine Transformation<br />

werden wir den Menschen nicht<br />

noch mal zumuten.“ Dabei gehe es<br />

auch, fügte der CDU-Politiker hinzu,<br />

um die „politische Stabilität im Rahmen<br />

der Freiheitlich-Demokratischen<br />

Grundordnung“. Er bezifferte<br />

die Kosten des Strukturwandels mit<br />

mindestens 60 Milliarden Euro. Diesen<br />

Betrag müssten die öffentliche<br />

Hand und die Wirtschaft gemeinsam<br />

aufbringen.<br />

Ungewisse Zukunft<br />

DPA/KAY NIETFELD<br />

Bei der Pressekonferenz wiesen<br />

Woidke und Haseloff die jüngste Kritik<br />

der Grünen-Vorsitzenden Annalena<br />

Baerbock zurück. Sieattestierte<br />

den Ost-Ministerpräsidenten in der<br />

Rheinischen Post Versäumnisse im<br />

Umgang mit dem Kohleausstieg. Anstatt<br />

zu handeln und ökonomische<br />

Alternativen auf denWegzubringen,<br />

hätten sie „die Hände in den Schoß<br />

gelegt und einWeiter-Sopropagiert“.<br />

Woidke warfBaerbock vor, aus einer<br />

sicheren Position heraus über<br />

das Schicksal von Menschen zu reden,<br />

die in eine ungewisse Zukunft<br />

blickten. Haseloff erklärte, Sachsen-<br />

Anhalts Landesregierung habe im<br />

Koalitionsvertrag festgelegt, dass die<br />

Braunkohleförderung bis 2035 andauern<br />

und erst danach auslaufen<br />

solle.Dem habe auch der grüne Landesverband<br />

zugestimmt.<br />

Todinder Zelle:<br />

Zweifel an<br />

Suizidtheorie<br />

Zu Unrecht inhaftierter<br />

Syrer löste Notruf aus<br />

VonGerhard Voogt, Kleve<br />

Wer ist der Mörder unseres Sohnes?“,<br />

stand auf dem T-Shirt,<br />

das der Vater des verstorbenen Häftlings<br />

Ahmad A. bei der Beerdigung<br />

trug. Der26-Jährige,der wegen einer<br />

Verwechslung fälschlicherweise in<br />

Haft saß, war nach einem Zellenbrand<br />

am 17. September in der JVA<br />

Kleve in Nordrhein-Westfalen ums<br />

Leben gekommen.<br />

Bislang verbreitete die NRW-Landesregierung<br />

die Theorie, der Mann<br />

habe höchstwahrscheinlich Selbstmord<br />

begangen. Daran gibt es nun<br />

allerdings begründete Zweifel. Nach<br />

Informationen des Kölner Stadtanzeigers<br />

hat Ahmed A. einen Notruf<br />

abgesendet, um den Brand zu melden.<br />

EinDatenträger,der jetzt bei einem<br />

in der JVA Geldern ansässigen<br />

Fremddienstleister aufgetaucht ist,<br />

belegt, dass die Gegensprechanlage<br />

im Haftraum des Syrers um 19:19:10<br />

Uhr betätigt wurde. Das geht aus einem<br />

internen Bericht des NRW-Justizministeriums<br />

hervor, der dem<br />

Kölner Stadtanzeiger vorliegt. Durch<br />

das Betätigen der Gegensprechanlage<br />

wurde offenbar auch ein Lichtsignal<br />

ausgelöst, das aber später<br />

deaktiviertwurde.<br />

DasJustizministerium wollte den<br />

Vorgang auf Anfrage mit dem Hinweis<br />

auf laufende Ermittlungen<br />

nicht kommentieren. Dem Fall<br />

werde durch die Staatsanwaltschaft<br />

Kleve „derzeit noch einmal intensiv<br />

nachgegangen“, erklärte ein Sprecher.Ineinem<br />

Bericht vom10. Oktober<br />

an den Landtag hatte NRW-Justizminister<br />

Peter Biesenbach (CDU)<br />

die Frage, obder Häftling auf sich<br />

aufmerksam gemacht habe, ausweichend<br />

beantwortet. Möglicherweise<br />

sei ein eventueller Hilferuf von dem<br />

Geschrei der anderen Gefangenen<br />

überdeckt worden, hieß es.Wörtlich<br />

heißt es:„Der Gefangene hat die Rufanlage<br />

jedenfalls nicht betätigt.“<br />

Diese Auskunft scheint sich nun<br />

als falsch zu erweisen. Das Justizministerium<br />

weist darauf hin, die Aussage<br />

basiere auf den Erkenntnissen,<br />

die der JVAKleveamBerichtstag vorgelegen<br />

hätten. Haben die JVA-Bediensteten<br />

nicht die Wahrheit gesagt?<br />

Was könnte das Motiv dafür<br />

sein? Fest steht: An einem zentralen<br />

Punkt stellen sich neue Fragen. Nach<br />

den folgenschweren Pannen bei der<br />

Polizei weitet sich der Todesfall nun<br />

möglicherweise zu einem Justizskandal<br />

aus.<br />

Opposition fordertEntlassung<br />

Die Opposition hatte bereits mit einem<br />

Untersuchungsausschuss gedroht<br />

und fordert nun die Ablösung<br />

von Justizminister Biesenbach. „Er<br />

hat in einer sehr zentralen Frage das<br />

Parlament und die Öffentlichkeit<br />

falsch informiert“, sagte der stellvertretende<br />

SPD-Fraktionsvorsitzende<br />

SvenWolf am Freitag in Düsseldorf.<br />

Die Selbstmordtheorie war nach<br />

demVorfall bereits vondem Leiter der<br />

JVAKleveverworfen worden. Er hatte<br />

in einem Interview erklärt, er halte<br />

den Suizid für unwahrscheinlich. Das<br />

begründete er damit, Ahmad A. wäre<br />

ja bereits in wenigen Wochen entlassen<br />

worden. „Für so ein paar Tage<br />

bringt sich kein Mensch um“, sagte<br />

der Anstaltsleiter.War der Brand tatsächlich<br />

ein Unfall?<br />

Auch die Angehörigen desVerstorbenen<br />

verlangen jetzt Aufklärung.<br />

Sven Wolf, Rechtsexperte der SPD im<br />

Düsseldorfer Landtag, kritisiert, dass<br />

der Vater des Verstorbenen erst auf<br />

Nachfrage im Thekenbereich einer<br />

Polizeiwache über denVorgang informiertworden<br />

war.Wolf schrieb in einem<br />

Brief an Justizminister Biesenbach:„Die<br />

Familie wirdnach demTod<br />

ihres Sohnes erst dann wieder Frieden<br />

finden können, wenn wir den<br />

Sachverhalt vollständig, rückhaltlos<br />

und transparent aufgeklärt haben.<br />

Dassind wir der Familie schuldig.“

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