20.04.2020 Views

VGB POWERTECH 11 (2019)

VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 11 (2019). Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us! Power plant operation: legal & technology. Pumped hydro storage. Latent heat storages.

VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 11 (2019).
Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us!
Power plant operation: legal & technology. Pumped hydro storage. Latent heat storages.

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

<strong>VGB</strong> PowerTech <strong>11</strong> l <strong>2019</strong><br />

Der Grundsatz der Technologieoffenheit als Rechtsprinzip<br />

Das Prinzip der Technologieoffenheit,<br />

das der Klimaschutzplan 2050 an vielen<br />

Stellen betont, ist somit das Prinzip<br />

schlechthin zur Erreichung der Klimaschutzziele<br />

2050. Es geht ersichtlich um<br />

ein Prinzip und nicht etwa nur um einen<br />

politischen Programmsatz. Gemeint ist,<br />

und dies soll im Folgenden entwickelt und<br />

gezeigt werden, ein Rechtsprinzip, denn<br />

Ziele des Pariser Abkommens 2015 sind<br />

verbindlich formulierte (völkerrechtliche)<br />

Prinzipien, an die sich die Unterzeichnerstaaten<br />

gebunden haben. Nach Art. 1 des<br />

Gesetzes zum Pariser Übereinkommen<br />

[17] vom 28.09.2016 hat die Bundesrepublik<br />

Deutschland dem in New York am<br />

22.04.2016 unterzeichneten Übereinkommen<br />

zugestimmt. Nach Art. 2 zielt das Abkommen<br />

darauf ab, den Anstieg der durchschnittlichen<br />

Erdtemperatur deutlich unter<br />

2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu<br />

halten und darauf, dass Anstrengungen<br />

unternommen werden, um den Temperaturanstieg<br />

auf 1,5 °C über dem vorindustriellen<br />

Niveau zu begrenzen. Nach Art. 4<br />

Abs. 1 sind die Vertragsparteien, also die<br />

Bundesrepublik Deutschland, bestrebt so<br />

bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt<br />

der Emissionen von Treibhausgasen<br />

zu erreichen, um in der zweiten Hälfte dieses<br />

Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen<br />

den Emissionen und ihrem Abbau<br />

herzustellen. In Abs. 2 heißt es, dass jede<br />

Vertragspartei innerstaatliche Minderungsmaßnahmen<br />

ergreift, um die Ziele zu<br />

verwirklichen. Darüber berichten die Vertragsparteien<br />

alle 5 Jahre (Abs. 9). Die von<br />

den Vertragsparteien national festgelegten<br />

Beiträge werden in ein öffentliches Register<br />

eingetragen (Abs. 12). Jede Partei ist<br />

für ihr Emissionsniveau auf der Grundlage<br />

der geschlossenen Vereinbarung verantwortlich<br />

(Abs. 17).<br />

Daraus folgt, dass die im Klimaschutzplan<br />

2050 festgelegten Ziele für die Bundesrepublik<br />

Deutschland verbindlich sind. Es<br />

handelt sich also um Rechtsprinzipien.<br />

Dem Recht kommt somit die Aufgabe zu,<br />

diese Bindungen durchzusetzen und auf<br />

Sachgerechtigkeit im Einzelfall zu überprüfen.<br />

Diese Erkenntnis ist grundlegend. Sie<br />

zeigt, dass die Judikative im Zusammenspiel<br />

zwischen Exekutive und Legislative<br />

eine wichtige Aufgabe, nämlich die der<br />

Überprüfung, der Sachgerechtigkeitskontrolle<br />

und der Durchsetzung von Grundprinzipien<br />

hat, die sich Rechtsstaaten völkerrechtlich<br />

verbindlich geben. Das bedeutet,<br />

der Grundsatz der Technologieoffenheit<br />

als Rechtsprinzip sorgt für die Funktionalität<br />

des Rechtsstaates indem die Erreichung<br />

der völkerrechtlichen Ziele, etwa aus dem<br />

Pariser Klimaschutzabkommen 2015, Gegenstand<br />

des Rechtes und damit auch der<br />

Rechtsprechung werden.<br />

Technologieoffenheit –<br />

Rechtliche Grundfragen<br />

Die Erkenntnis, dass völkerrechtliche<br />

Grundziele, wie etwa die Erreichung und<br />

Durchsetzung der Emissionsreduktionsziele<br />

im Pariser Abkommen, rechtlich<br />

überprüfbar sind, gewinnt in Deutschland<br />

und Europa zunehmend an Gestalt. Am<br />

09.10.2018 hat der Oberste Gerichtshof in<br />

Den Haag den niederländischen Staat zur<br />

Ergreifung von Maßnahmen verurteilt, die<br />

die Reduktion der Treibhausgasemissionen<br />

um mindestens 25 % bis Ende 2020 sicherstellen<br />

müssen. [18]<br />

Mit Urteil vom 19.01.2017 [19] hat der<br />

EuGH klargestellt, dass unter Emissionen<br />

die Freisetzung von Treibhausgasen in die<br />

Atmosphäre zu verstehen ist. Wird demgegenüber<br />

CO 2 nicht freigesetzt, sondern in<br />

einen anderen stabilen chemischen Stoff<br />

umgewandelt, so fehlt es an einer CO 2 -<br />

Emission. Ausgehend vom Grundsatz der<br />

Technologieoffenheit folgt hieraus, dass in<br />

einem solchen Fall das Unternehmen, das<br />

CO 2 stabil bindet, für die so gebundene<br />

Menge kein ETS-Zertifikat erwerben muss.<br />

Eine entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift<br />

ist insoweit nichtig. [20] Sie geht<br />

nämlich über das zur Erreichung des CO 2 -<br />

Minderungsziels Erforderliche hinaus. [21]<br />

Vor dem Verwaltungsgericht Berlin ist eine<br />

Klage anhängig, die die Bundesregierung<br />

zur Einhaltung ihrer eigenen Klimaziele<br />

zwingen will. [22] Hintergrund ist die Verpflichtung<br />

der Bundesregierung aus dem<br />

Jahr 2007 bis Ende 2020 die deutschen<br />

Emissionen um 40 % gegenüber 1990 zu<br />

begrenzen. Dieses Versprechen sei rechtlich<br />

bindend gewesen (Grundsatz der<br />

Selbstbindung der Verwaltung). Es werde<br />

aber tatsächlich um weit mehr als<br />

8 % verfehlt. [23] Auch in den USA sind<br />

solche Klimaklagen anhängig. [24] Am<br />

08.05.<strong>2019</strong> hat das EuG bei einer Klage<br />

gegen das Europäische Parlament und gegen<br />

den Europäischen Rat immerhin anerkannt,<br />

dass jeder Einzelne auf die eine oder<br />

andere Weise vom Klimawandel betroffen<br />

sein könne. [25] In der Sache wird nunmehr<br />

der EuGH zu entscheiden haben- es<br />

klagen 35 Personen aus 5 EU-Ländern, sowie<br />

Kenia und Fidschi. [26]<br />

Als Folge des Klimawandels beklagen Betreiber<br />

landwirtschaftlicher Betriebe Ernteeinbußen<br />

von ca. 30 %, etwa auf der Nordseeinsel<br />

Pellworm oder in Südbrandenburg.<br />

[27] Die Landwirte werfen der<br />

Bundesregierung Unterlassung bei der<br />

Durch-und Umsetzung des Pariser Abkommens<br />

2015 vor. Dadurch seien sie in ihren<br />

Eigentumsrechten (Art. 14 GG) und in ihrer<br />

Berufsfreiheit (Art.12 GG), sowie in ihrer<br />

allgemeinen Handlungsfreiheit (Art.2<br />

Abs.2 GG) verletzt.<br />

Vor dem OLG Hamm macht ein peruanischer<br />

Bauer den Energiekonzern RWE für<br />

das Abschmelzen des Gletschers vor seiner<br />

Haustür verantwortlich. [28] Die Richter<br />

fanden die Forderung auf Schadensersatz<br />

so nachvollziehbar, dass sie in die Beweisaufnahme<br />

einstiegen und einen Sachverständigen<br />

bestimmten, der den Einfluss<br />

des Konzerns auf das lokale Klima untersuchen<br />

soll. [29]<br />

Auch die Autoindustrie argumentiert ähnlich.<br />

Technologieoffenheit sei für die<br />

künftige Mobilität entscheidend. [30] Es<br />

gäbe nicht die eine Lösung, die alle Frage<br />

beantworte. Dringend gefordert seien einheitliche<br />

regulatorische Rahmenbedingungen<br />

für die E-Mobilität in Europa. Eine weitere<br />

Zersplitterung des Binnenmarktes<br />

durch einseitige Technologiebegrenzung<br />

müsse vermieden werden. Ankündigungen<br />

zum Verbot einzelner Mitgliedstaaten von<br />

Verbrennungsmotoren rüttelten am Kern<br />

des Binnenmarktes. Die technischen Verbesserungen<br />

an Verbrennungsmotoren<br />

würden nicht ausreichen, um das von der<br />

EU beschlossene CO 2 -Minderungsziel von<br />

37,5 % bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Allenfalls<br />

10 % seien möglich. Deshalb müsse<br />

über Hybridlösungen nachgedacht werden,<br />

etwa über den Einsatz der wasserstoffbasierten<br />

Brennstoffzelle, oder über<br />

strombasierte synthetische Kraftstoffe (E-<br />

Fuels). [31]<br />

Die Erkenntnis, dass es sich beim Begriff<br />

der Technologieoffenheit um ein (überprüfbares)<br />

Rechtsprinzip handelt, nimmt<br />

zunehmend Gestalt an. Das ist auch durchaus<br />

nachvollziehbar, denn nicht nur die<br />

Bewegung Fridays for Future, sondern vorallem<br />

die Zahlen, Daten und Fakten belegen,<br />

dass in der Bundesrepublik Deutschland-<br />

und in vielen anderen Mitgliedstaaten<br />

der EU, die völkerrechtlich verbindlich<br />

vereinbarten Klimaschutzziele bei weitem<br />

nicht erreicht, sondern in Wahrheit verfehlt<br />

werden. Je länger die Zielverfehlung<br />

dauert, desto schwieriger sind Korrekturen,<br />

denn CO 2 -Anreicherungen in der Atmosphäre<br />

lassen sich nicht einfach von<br />

heute auf morgen durch Reduktionen beseitigen-<br />

es entstehen Langzeiteffekte.<br />

Vor allem aber belegt ein Blick in die Welt<br />

der CO 2 -Reduktionstechnologien, dass die<br />

Bundesregierung den Begriff der Technologieoffenheit<br />

in Wahrheit nicht umsetzt.<br />

Technologieoffenheit bedeutet auf einem<br />

Markt, der von Marktversagen geprägt ist,<br />

dass alle Techniken die zur CO 2 -Reduktion<br />

geeignet sind, diskriminierungsfrei, gleich<br />

und transparent unterstützt und gefördert<br />

werden. Das ist eigentlich ganz selbstverständlich.<br />

Die Tatsache, dass die CO 2 -Reduktionen<br />

wie im Pariser Abkommen vereinbart,<br />

nicht durch marktförmige Prozesse<br />

allein erreicht werden, ist dabei<br />

offenkundig und wird im Klimaschutzplan<br />

2050 von der Bundesregierung vielfach<br />

unterstrichen und belegt.<br />

Wenn das aber so ist, so müsste es einen<br />

strukturellen Gesamtplan über ein technologieoffenes<br />

Fördersystem geben, mit dessen<br />

Hilfe die Reduktionsziele des Pariser<br />

35

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!