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VGB POWERTECH 11 (2019)

VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 11 (2019). Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us! Power plant operation: legal & technology. Pumped hydro storage. Latent heat storages.

VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 11 (2019).
Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us!
Power plant operation: legal & technology. Pumped hydro storage. Latent heat storages.

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Der Grundsatz der Technologieoffenheit als Rechtsprinzip <strong>VGB</strong> PowerTech <strong>11</strong> l <strong>2019</strong><br />

Abkommens erreicht werden. Einige Beispiele,<br />

die im Folgenden vertieft werden,<br />

die aber keineswegs vollständig sind, werden<br />

zeigen, dass von einer technologieoffen,<br />

gleichen, diskriminierungsfreien<br />

und transparenten Technologieförderung<br />

beim besten Willen keine Rede sein kann.<br />

Dies gilt beispielsweise für alle Formen moderner<br />

Energiespeicher. Weder die Batteriespeicher<br />

noch die Wärmespeicher sind<br />

aus der Perspektive der CO 2 -Minderung in<br />

den Förderfokus der Bundesregierung einbezogen.<br />

Das gilt insbesondere für Kleinspeicher<br />

in Haushalten, wenn man eine<br />

größere Anzahl dieser Speicher mit einander<br />

vernetzt. Brancheninsider berichten,<br />

dass auf diese Weise ca. 15 % der CO 2 -<br />

Emissionen von Haushalten können eingespart<br />

werden. Ferner werden in Deutschland<br />

Wind-und PV-Anlagen lieber abgeschaltet,<br />

anstatt den Strom, den der<br />

Verbraucher bezahlt, zum Beispiel in Batteriespeichern<br />

aufzufangen und später wieder<br />

zuverwenden. Allein im Jahre 2017<br />

wurden 5.528 GWh nicht geerntet, aber<br />

vom Verbraucher bezahlt – das heißt die<br />

deutschen Stromverbraucher haben in jenem<br />

Jahr 610 Millionen Euro aufgewendet,<br />

ohne diesen Strom tatsächlich zu verwerten.<br />

[32]<br />

Man kann sagen, dass nicht nur dieses Geld<br />

zum „Fenster hinaus“ geworfen wurde,<br />

sondern vor allem, dass der grüne Strom,<br />

der hätte geerntet werden können, keiner<br />

sinnvollen Verwendung zugeführt wurde.<br />

Stattdessen ist möglicherweise Strom aus<br />

Kohlekraftwerken importiert worden, sodass<br />

die CO 2 -Bilanz erhöht wurde. Der Aufwand<br />

für Härtefallentschädigungen durch<br />

Abschaltungen nimmt Jahr für Jahr erheblich<br />

zu (zwischen 2016 und 2017 war es<br />

fast eine Verdoppelung), so dass sich die<br />

Frage stellt, wieso die Abschaltungen nicht<br />

durch geeignete, technologische Maßnahmen<br />

vermieden werden.<br />

Rechtstechnisch heißt das Stichwort: Zuschaltbare<br />

Lasten – ein Gedanke der in<br />

§13 Abs. 6 EnWG bereits angelegt ist. Steht<br />

überschüssige grüne Energie zur Verfügung,<br />

so werden Anlagen zugeschaltet, die<br />

sie aufnehmen, aber nicht das Netz belasten.<br />

Das sind idealerweise Batteriespeicher,<br />

aber auch Anlagen, die die Fähigkeit<br />

haben standortnah aus grünem Strom unter<br />

Hinzufügung von CO 2 einen synthetischen<br />

Kraftstoff (wie etwa Wasserstoff<br />

und/oder E-Methanol) herzustellen. Man<br />

könnte die überschüssige Energie aber<br />

auch in Latentwärmespeicher auf Salzclusterbasis<br />

überführen.<br />

Alle Technologien, die hier erwähnt werden,<br />

sind am Markt durchaus vorhanden<br />

und einsatzfähig. Das Recht müsste nur<br />

dafür sorgen, dass die überschüssigen<br />

Strommengen diesen CO 2 -neutralen Technologien<br />

zugeführt werden, so das Abregelungen<br />

von EE-Anlagen nicht mehr erforderlich<br />

sind, sondern stattdessen darüber<br />

nachgedacht werden könnte, den Anteil an<br />

der Produktion grünen Stroms auch im<br />

Norden Deutschlands deutlich zu erhöhen.<br />

Würde man nämlich im Norden Deutschlands,<br />

etwa nahe der Windparks, E-Methanol<br />

Anlagen aufstellen und durch Speicher<br />

ergänzen, so könnte man in großem Stil<br />

grüne Kraftstoffe produzieren, die allesamt<br />

den CO 2 -Ausstoß sofort und nachhaltig<br />

reduzieren würden. Der Preis für diese<br />

Anlagen würde die CO 2 -Vermeidungskosten<br />

repräsentieren. Allerdings würde der<br />

Preis bei großen Mengen (Scaleneffekte)<br />

stark sinken. Fachleute weisen darauf hin,<br />

dass die Produktion eines Liters E-Methanol<br />

heute ca. 1 Euro kostet- bei größeren<br />

Mengen wird der Preis in Richtung<br />

50 €Cent schnell sinken. Das ist nicht mehr<br />

weit entfernt von den Erzeugungskosten<br />

eines Liters Benzin oder Diesel bei ansonsten<br />

gleichen Effizienzwerten.<br />

Im Süden Deutschlands werden täglich<br />

Redispatch-Maßnahmen nötig, weil in bestimmten<br />

Zeiten das Netz, das den Strom<br />

vom Norden transportieren soll, überlastet<br />

ist. Es werden somit Alternativkraftwerke<br />

zugeschaltet – dieser Strom ist teuer. Wie<br />

gesagt: einen Teil der Redispatch Maßnahmen<br />

könnte man vermeiden, indem man<br />

im Süden Deutschlands größere Speicherstandorte<br />

schafft und dort den Strom einspeichert,<br />

der beispielsweise zur Nachtzeit<br />

im Norden erzeugt, aber im Süden nicht<br />

gebraucht wird. Es mag sein, dass die Zwischenschaltung<br />

von Speichern im Augenblick<br />

teurer ist als eine klassische Redispatch<br />

Maßnahme. Mittel-und langfristig<br />

aber wird sich das ändern und vor allem:<br />

Die Einspeicherung von grünem Strom ist<br />

CO 2 -frei, während ein Kohlekraftwerk, das<br />

als Redispatch-Kraftwerk eingeschaltet<br />

wird, CO 2 emittiert.<br />

Moderne Wärmekonzepte für Unternehmen<br />

und Haushalte arbeiten mit einem<br />

Wärmevlies, verbunden mit einem (kleinen)<br />

Batteriespeicher. Sie ersparen den<br />

Nutzern ca. 30 % der Energiekosten, weil<br />

sie mit einer intelligenten Wärmesteuerung<br />

verbunden sind. Sie haben aber<br />

Schwierigkeiten, sich im Rahmen neuer<br />

Gebäude durchzusetzen, weil die Berechnung<br />

des Primärenergiefaktors traditionelle,<br />

zum Beispiel gasbasierte, Systeme<br />

bevorzugt. Es ist schwierig nachzuvollziehen,<br />

warum das so ist, denn mit Hilfe dieser<br />

modernen Techniken lässt sich, im Unterschied<br />

zu den traditionellen Wärmekonzepten,<br />

CO 2 deutlich reduzieren. [33]<br />

Auf die Tatsache, dass man mit Hilfe von<br />

Batteriespeichern CO 2 -frei erzeugten<br />

Strom in Zeiten einspeichern kann, in denen<br />

er nicht gebraucht wird, ist schon hingewiesen<br />

worden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

sorgen nun dafür, dass<br />

aus diesem grünen Strom durch das Zusammenmischen<br />

mit grauem Strom im<br />

Speicher letztlich nicht mehr förderfähiger<br />

Graustrom wird. [34] Dies ist überraschend,<br />

jedenfalls dann, wenn man mit<br />

Hilfe von Messgeräten genau zeigen kann,<br />

wie hoch der Anteil von Grün-und von<br />

Graustrom im Speicher jeweils ist. Nebenbei:<br />

im Übertragungsnetz mischen sich<br />

Grün-und Graustrom ohnehin. Das heißt,<br />

die rechtlichen Rahmenbedingen sorgen<br />

für eine Diskriminierung ausgerechnet jenen<br />

Stroms, der CO 2 -frei geerntet wurde.<br />

Als Folge davon wird ein Fehlanreiz gesetzt,<br />

der es verhindert, CO 2 zu reduzieren.<br />

Diese Beispiele, die gleich noch vertieft<br />

werden, sollen andeuten worum es geht.<br />

Der Rechtsgrundsatz der Technologieoffenheit<br />

müsste dazu führen, dass es Fälle<br />

und Fragen dieser Art gar nicht gibt. Jedenfalls<br />

müsste in Zukunft rechtlich überprüft<br />

werden, ob Fehlsteuerungen, wie<br />

hier angedeutet, mit dem Grundziel der<br />

CO 2 -Reduktion vereinbar sind. Sollte sich<br />

herausstellen, dass dieses Ziel durch sachlich<br />

nicht gerechtfertigte Steuerungsmaßnahmen<br />

verfehlt wird, so müsste zunächst<br />

die Politik und dann aber auch das Recht<br />

gegensteuern und jene Rahmenbedingungen<br />

schaffen, die dem Rechtsprinzip der<br />

Technologieoffenheit zum Durchbruch<br />

verhelfen.<br />

Der Grundsatz der<br />

Technologieoffenheit –<br />

Konkretisierung des<br />

Gleichheitsatzes<br />

Der Grundsatz der Technologieoffenheit<br />

wurde im Vorstehenden als Rechtsprinzip<br />

aus der völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtung<br />

im Pariser Abkommen 2015 in<br />

Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip<br />

(Art. 20 Abs. 3 GG) entwickelt. Zugleich<br />

aber konkretisiert der Begriff den Gleichheitssatz<br />

(Art. 3 GG). Der Gleichheitssatz<br />

verlangt Gleiches gleich und Ungleiches<br />

ungleich zu behandeln. Dabei ist allgemein<br />

anerkannt, dass der Gesetzgeber bei der<br />

gewährenden Staatstätigkeit entscheidet,<br />

welche Personen oder Unternehmen finanzielle<br />

Zuwendungen erhalten sollen. Der<br />

Gleichheitssatz verbietet in diesem Falle<br />

nur die Verteilung von Leistungen nach unsachlichen<br />

Gesichtspunkten. [35]<br />

Ob es im Falle der Umsetzung des Pariser<br />

Klimaabkommens 2015 um die typische<br />

gewährende Staatstätigkeit geht, erscheint<br />

fraglich, denn der Staat ist durch die völkerrechtlich<br />

verbindliche Vereinbarung,<br />

die er getroffen hat, gezwungen, die versprochene<br />

CO 2 -Reduktion vorzunehmen,<br />

auch wenn dies der Markt allein nicht leistet.<br />

Insoweit gewährt der Staat nicht, sondern<br />

er handelt und greift in den Wirtschaftskreislauf<br />

aktiv ein, um die von ihm<br />

verbindlich zugesicherten Reduktionsziele<br />

zu erreichen. Er beseitigt durch seinen aktiven<br />

Eingriff in die wirtschaftlichen Abläufe<br />

das Marktversagen und sorgt durch<br />

sein aktives Handeln für die Zielerreichung.<br />

Da der Staat in diesen Fällen aktiv<br />

eingreift und reguliert, ist er mit Blick auf<br />

alle Teilnehmer, die zur CO 2 -Minderung<br />

beitragen, zu einer gleichen, diskriminie-<br />

36

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