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Übertragung und Gegenübertragung Frühlingsfest der KJHB 2011

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ei fast allen unterschiedliche Gefühle aus: Angst,<br />

Trauer, Zuversicht, Hoffnung, „ab morgen weht ein<br />

an<strong>der</strong>er Wind“- Stimmung, Erstaunen o<strong>der</strong> Entsetzen.<br />

Die einen erleben den Dialog über das Thema<br />

als zu tief gehend, an<strong>der</strong>e als zu oberflächlich. Wie<strong>der</strong>um<br />

an<strong>der</strong>e hinterlässt das gemeinsame Gespräch<br />

sehr nachdenklich bzw. erstaunt über die<br />

Verschiedenheit <strong>der</strong> Aspekte, auf die je<strong>der</strong> einzelne<br />

allein zu Hause nicht gekommen wäre.<br />

Dann plötzlich „Entwarnung“!?. Der Seminarleiter<br />

liest eine Sequenz aus einem Buch von Walter Kin<strong>der</strong>mann<br />

vor, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>psychologe Bruno<br />

Bettelheim in einer Diskussion befragt wurde, wie er<br />

seine eigenen Kin<strong>der</strong> in Bezug auf Drogen erzogen<br />

habe. Seine Antwort:<br />

Nun, wissen Sie, an amerikanischen Colleges ist<br />

Marihuana so normal wie Coca-Cola… Mein Sohn<br />

sagte zu mir: “Paps, wenn Du mir Marihuana verbietest,<br />

verbietest Du mir einen großen Teil meiner<br />

Fre<strong>und</strong>e.“<br />

Mir gefiel das nicht beson<strong>der</strong>s, aber hätte ich das<br />

College än<strong>der</strong>n können? Doch als ich ihn das erste<br />

Mal von <strong>der</strong> Polizei abholen musste, habe ich zu ihm<br />

gesagt: „Das habe ich zum letzten Mal gemacht.<br />

Stelle dich darauf ein!“<br />

Mit leiser Stimme fügte Bettelheim hinzu:<br />

„Natürlich hätte ich ihn wie<strong>der</strong> abgeholt.“<br />

Kin<strong>der</strong>mann fasst dann zusammen: „Dies ist weniger<br />

ein Tipp für den Umgang mit Drogen, als vielmehr<br />

ein Beispiel für das Erziehungsparadoxon <strong>der</strong><br />

„flexiblen Konsequenz.“<br />

Diese Geschichte, die die Seminarteilnehmer, stets<br />

zum Schmunzeln o<strong>der</strong> zum erleichterten, offenen<br />

Gelächter einlädt, endet mit <strong>der</strong> Erkenntnis, dass<br />

Erziehung letztlich immer aus <strong>der</strong> Gratwan<strong>der</strong>ung<br />

zwischen Konsequenz <strong>und</strong> Liebe besteht. „Das richtige<br />

Maß müssen Sie selbst finden“, fügt Kin<strong>der</strong>mann<br />

hinzu. (Kin<strong>der</strong>mann, 1991, S118f)<br />

Ob dies als tröstlich empf<strong>und</strong>en wird o<strong>der</strong> nicht, sei<br />

dahin gestellt. Am Schluss bleiben jedenfalls für alle<br />

die Unterschiedlichkeiten als Mosaiksteine eines<br />

lebendigen Gedankenprozesses übrig mit <strong>der</strong> Botschaft:<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, die Dinge zu sehen <strong>und</strong><br />

zu bewerten. Aber letztlich ist je<strong>der</strong> doch wie<strong>der</strong> auf<br />

sich gestellt. Und es gibt auch in diesem Fall keine<br />

Patentlösung. Die Gefühle schwanken wie auch in<br />

an<strong>der</strong>en Situationen wie<strong>der</strong> zwischen Irritation <strong>und</strong><br />

Entlastung.<br />

Elternbildung ist von ihrer Intention her so komplex,<br />

weil sie mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> Teile aus allen fünf Lernebenen<br />

berührt. Eingeschlossen sind damit sowohl<br />

die Sach- <strong>und</strong> Informationsebene, die Reflexion <strong>und</strong><br />

Beziehungsebene, die sehr persönliche Fragestellungen,<br />

beispielsweise, was denn ich als Mutter,<br />

Vater, Lehrer, Erzieher, Arzt o<strong>der</strong> als Fortbildner mit<br />

dem jeweiligen Thema zu tun habe, <strong>der</strong> Blick hinter<br />

die Kulissen <strong>der</strong> eigenen Biographie <strong>und</strong> last not<br />

least, existentielle Fragen nach dem Lebenssinn.<br />

Die Gratwan<strong>der</strong>ung für den Dialogbegleiter besteht<br />

darin, die Balance zu halten zwischen dem Vermitteln<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Interessen, <strong>der</strong> Ermutigung<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer, sich auf etwas Neues einzulassen,<br />

<strong>und</strong> dem Sicherheits- <strong>und</strong> Schutzbedürfnis <strong>der</strong> Einzelnen.<br />

Es geht nicht darum, die Ebenen einer positiven<br />

bzw. einer negativen Bewertung zu unterziehen - sie<br />

haben nebeneinan<strong>der</strong> ihre Bedeutung - noch geht<br />

es darum, einen chronologischen Ablauf von Lernprozessen<br />

in fünf Schritten zu skizzieren. Im Fortbildungsgeschehen<br />

sind die Ebenen prozessual miteinan<strong>der</strong><br />

vermischt, die Übergänge sind fließend, sie<br />

können je nach Fragestellung, Entwicklungsstand<br />

<strong>und</strong> Erwartungen <strong>der</strong> Lerngruppe flexibel, zeitlich<br />

parallel o<strong>der</strong> nacheinan<strong>der</strong> in die Lernprozesse einfließen,<br />

<strong>und</strong> zwar unabhängig davon ob wir die Prozesse<br />

steuern o<strong>der</strong> nicht.<br />

Wie vollzieht sich Lernen im Dialog? - Das Modell<br />

<strong>der</strong> „Fünf Lernebenen“ in <strong>der</strong> Elternbildung<br />

Ebene I - Information<br />

Was gibt es Neues? Wie passt das zu dem, was ich<br />

schon kenne? Wie erzieht man „richtig“?<br />

Ebene II - Reflexion des Handelns<br />

Wie verhalte ich mich? Wie erziehe ich? Wie erziehen<br />

die an<strong>der</strong>en? Was kann ich davon lernen?<br />

Ebene III - Erkenne dich selbst<br />

Wer bin ich? (dass ich mich mit Erziehung, mit<br />

Sucht, mit Konflikten…. beschäftige), Wer will ich<br />

sein<br />

Ebene IV - Biographie u. Lebensplan<br />

Woher komme ich? Wie bin ich so geworden, wie<br />

ich jetzt bin? Was trage ich an persönlichen Erfahrungen<br />

in meinem „Rucksack“ mit mir herum?<br />

Ebene V - Lebenssinn u. Spiritualität<br />

Wohin gehe ich? Was hat mir das Leben bisher<br />

gebracht? Wo liegen meine Chancen? Wohin werde<br />

ich mich mit meinen Potentialen hin entwickeln?<br />

Welche Ideale <strong>und</strong> Visionen lebe ich?<br />

Ich habe dieses Konzept für mich gef<strong>und</strong>en, viel<br />

über mich gelernt, meine eigenen Stärken <strong>und</strong><br />

Schwächen erkannt. Es würde mich freuen, wenn<br />

an<strong>der</strong>e neugierig werden <strong>und</strong> auch den Dialog für<br />

sich entdecken. Für weitere Fragen stehe ich gern<br />

zur Verfügung.<br />

Ich möchte mich bei Herrn J.<br />

Schopp für die Abdruckgenehmigung<br />

bedanken.<br />

Irene Stehmann<br />

Erziehungsleitung<br />

GfS Emsland<br />

Ausgabe 81 10 KiM ®

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