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Übertragung und Gegenübertragung Frühlingsfest der KJHB 2011

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Presseschau: Tecklenburger Land<br />

Zweite Chance zum Kindsein<br />

Profifamilien wollen Mädchen <strong>und</strong> Jungen mit schwerer Vergangenheit ein neues Zuhause bieten<br />

Von Vera Konermann<br />

Tecklenburger Land. Julien<br />

(6) blickt verstohlen über den<br />

Tisch. Noch mag er sich nicht<br />

an dem Basteln vor seiner Nase<br />

beteiligen. Derweil werkelt<br />

Pflegemutter Petra Knoop an<br />

einem Gartenstecker aus Holz<br />

<strong>und</strong> Stroh für ihn. Auch wenn<br />

<strong>der</strong> Junior etwas verunsichert<br />

wirkt, ist Petra Knoop überzeugt:<br />

„Julien gehört schon<br />

ganz zu uns.“ Die Knoops sind<br />

eine von 15 Profifamilien, die<br />

unter dem Dach des Pädagogischen<br />

Zentrums in Schapen<br />

betreut werden <strong>und</strong> dort unlängst<br />

ihr Sommerfest feierten.<br />

Alle haben ein Ziel: Sie wollen<br />

ihren Schützlingen eine zweite<br />

Chance zum Kind sein geben.<br />

Auch Familien aus dem<br />

Tecklenburger Land werden in<br />

<strong>der</strong> Schapener Einrichtung<br />

unter dem Dach <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>-<br />

<strong>und</strong> Jugendhilfe Backhaus<br />

begleitet. Gleich zwei Brü<strong>der</strong><br />

im Alter von drei <strong>und</strong> fünf<br />

Jahren hat eine Familie aus dem<br />

Tecklenburger Land aufgenommen.<br />

Mit Rücksicht auf die<br />

Jungen soll ihr Name nicht in<br />

<strong>der</strong> Zeitung stehen, sagt die<br />

Pflegemutter. Über das erste<br />

Jahr mit dem Familienzuwachs<br />

nach zwei leiblichen Kin<strong>der</strong>n<br />

berichtet sie aber gern. „Das<br />

erste halbe Jahr war sehr<br />

anstrengend“, sagt sie unumw<strong>und</strong>en.<br />

Der damals Zweijährige<br />

habe anfangs nachts überhaupt<br />

nicht geschlafen. Inzwischen<br />

aber sei das Leben mit<br />

den beiden jeden Tag schön.<br />

„Es ist eine tolle Aufgabe. Man<br />

freut sich über jeden Schritt“, so<br />

die Pflegemutter.<br />

Einen solchen Schritt ist vor<br />

vielen Jahren auch Renate<br />

Weusthof, die Leiterin des Päd-<br />

In ungezwungener R<strong>und</strong>e basteln Profieltern <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Schützlinge beim Sommerfest <strong>der</strong> Profifamilien Gartenstecker aus Holz <strong>und</strong><br />

Stroh. Regelmäßig treffen sich die Familien bei Renate Weusthof (3.v.l.) im Pädagogischen Zentrum <strong>der</strong> Gesellschaft für familienorientierte<br />

Sozialpädagogik in Schapen. Foto: Vera Konermann<br />

agogischen Zentrums in Schapen,<br />

gegangen. Die gelernte<br />

Erzieherin <strong>und</strong> systemische<br />

Familienberaterin nahm mit<br />

ihrem Mann zusätzlich zu den<br />

zwei eigenen Kin<strong>der</strong>n zwei<br />

weitere auf. Seit 2002 begleitet<br />

die ehemalige Profimutter nun<br />

an<strong>der</strong>e Profifamilien.<br />

Alle Mädchen <strong>und</strong> Jungen, die<br />

an Profifamilien vermittelt<br />

werden, haben eine Vergangenheit,<br />

die schwer auf ihrem<br />

Leben lastet: Beziehungsabbrü-<br />

Links: Plakat<br />

entdeckt von<br />

Frau Back-<br />

haus<br />

che, Gewalt, Missbrauch. In<br />

den Profifamilien sollen sie<br />

neuen Halt finden. Vorsilbe<br />

„Profi“, weil mindestens ein<br />

Pflegeelternteil über eine<br />

pädagogische Ausbildung verfügt.<br />

Seit sieben Jahren ist Ingrid<br />

Tschorn Profimutter. Als ihr<br />

leiblicher Sohn elf Jahre alt<br />

war, nahmen sie <strong>und</strong> ihr Mann<br />

einen damals Achtjährigen auf.<br />

Und verän<strong>der</strong>ten damit ihre<br />

Familie von Gr<strong>und</strong> auf. “Alles<br />

Dies <strong>und</strong> Das<br />

was bislang Routine war, stellte<br />

das neue Kind auf den Kopf“,<br />

sagt Ingrid Tschorn. Doch auch,<br />

wenn <strong>der</strong> eigene Sohn die Zeit<br />

allein mit seinen Eltern fortan<br />

sehr vermisste, habe das Familienleben<br />

insgesamt an Tiefe<br />

gewonnen, so die Profimutter<br />

heute. „Man muss sich den<br />

Dingen stellen <strong>und</strong> kann nicht<br />

darüber hinweg gehen, wie das<br />

in an<strong>der</strong>en Familien möglich<br />

ist“, sagt Ingrid Tschorn. Ihre<br />

Entscheidung habe sie - trotz al-<br />

ler Sorgen <strong>und</strong> Turbulenzen -<br />

nie bereut. Dass sie das einmal<br />

sagen können wird, hofft auch<br />

die neue Profimutter <strong>der</strong> beiden<br />

Brü<strong>der</strong>. Warum sie nach zwei<br />

eigenen Kin<strong>der</strong>n die Familie<br />

vor eine so große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

stellen wollte? Sie braucht<br />

nicht lange zu überlegen: „Wir<br />

haben unseren Kin<strong>der</strong>n ins<br />

Leben geholfen <strong>und</strong> uns gesagt:<br />

„Wir haben noch Kapazitäten,<br />

Kin<strong>der</strong>n, die es schwer hatten,<br />

ins Leben zu helfen.“<br />

Ausgabe 81 23 KiM ®

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