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Übertragung und Gegenübertragung Frühlingsfest der KJHB 2011

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noch „funktionieren“ <strong>und</strong> - wenn niemand unterstützend<br />

zur Seite steht -, diese Muster auch an die<br />

nächste Generation weiter geben.<br />

Es ist inzwischen erwiesen, dass ein Mensch in <strong>der</strong><br />

Begegnung mit einem an<strong>der</strong>en Menschen über seinen<br />

Spiegelneurone Abbil<strong>der</strong> seines Gegenübers in<br />

sich aufnimmt. Dies gibt ihm im „Normalfall“ die<br />

Chance, sich in den an<strong>der</strong>en hineinzuversetzen <strong>und</strong><br />

die Welt aus seiner Perspektive heraus zu betrachten.<br />

Aber auch die Kin<strong>der</strong>, die Gewalt <strong>und</strong> Misshandlung<br />

erlebt haben durch ihre Eltern, nehmen im<br />

Kontakt zu diesen über ihre Spiegelneurone „Spiegel-Splitter“<br />

in sich auf, die später dann im alltäglichen<br />

Verhalten plötzlich vor ihrem inneren Auge<br />

auftauchen. Dann spricht man vom „Trigger“, <strong>der</strong><br />

bekanntlich zu heftigen <strong>Übertragung</strong>ssituationen<br />

führen kann. Aber auch sobald das Verhalten des<br />

Kindes von dem Verhalten abzuweichen scheint,<br />

das die misshandelnden Eltern von ihm for<strong>der</strong>ten<br />

bzw. sobald das Kind ein Verhalten zeigt, das die<br />

Täter nicht mehr akzeptabel finden würden, tauchen<br />

diese Spiegelsplitter in den Gedanken <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

auf. Sie werden so allmählich zu einem Teil <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> bewirken letztlich, dass<br />

viele <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mit Gewalterfahrungen lebenslang<br />

an die Täter geb<strong>und</strong>en bleiben.<br />

Das Perfide im Erleben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ist, dass ihre<br />

Gewalterfahrungen dabei von den Personen ausgehen,<br />

die eigentlich Schutz bieten, Pflege <strong>und</strong> Versorgung<br />

geben <strong>und</strong> liebevolle Zuwendung schenken<br />

sollten. Das macht das Erleben für die Kin<strong>der</strong> zu<br />

einem Trauma, dessen Folgen inzwischen sehr detailliert<br />

erforscht wurden. Neben den bekannten<br />

Bindungsstörungen <strong>und</strong> dissoziativen Erkrankungsbil<strong>der</strong>n,<br />

den affektiven Störungen <strong>und</strong> dem erwähnten<br />

PTBS sowie diversen Abhängigkeiten wie Alkohol,<br />

Medikamente, Drogen, sind heute sogar auch<br />

körperliche Erkrankungen wie Diabetes II, Erkrankungen<br />

des Verdauungstraktes <strong>und</strong> Herz-<br />

Kreislaufproblematiken sowie eine insgesamt geringere<br />

Lebenserwartung als mögliche Folgen anerkannt.<br />

Dabei gilt die These: Je früher die Schädigung<br />

einsetzt, desto eher werden Aggressionen/Depressionen<br />

bei Jungen bzw. Dissoziationen/Ängste/<br />

Selbstverletzungen bei Mädchen zu<br />

Teilen <strong>der</strong> Persönlichkeit. Das Fatale daran ist, dass<br />

die Opfer nicht selten gleichgültig werden gegenüber<br />

ihren eigenen Opfererfahrungen <strong>und</strong> damit auch<br />

gegenüber an<strong>der</strong>en Opfern.<br />

Mit konkreten Ansätzen ging Frau Huber dann auf<br />

die Arbeit mit den Kin<strong>der</strong>n ein, wie diese von einem<br />

äußeren Schutz allmählich zur inneren Arbeit gelangen<br />

– sozusagen das tägliche Brot <strong>der</strong> Profieltern.<br />

Das Bändigen starker Gefühle <strong>und</strong> das langsame<br />

Einleiten des Mentalisierens beim Kind, Beziehungsarbeit<br />

<strong>und</strong> Ego-State-Arbeit, Mitgefühl <strong>und</strong><br />

positive Nutzung von Introjekten seien an dieser<br />

Stelle exemplarisch erwähnt.<br />

Nachdem Frau Huber auch die rechtlichen Aspekte<br />

zum Kindeswohl <strong>und</strong> Elternrecht veranschaulicht<br />

hatte, kam sie zu ihrer - für Profieltern wohl spannendsten<br />

- These: „Erwachsene verantwortliche<br />

Pflegepersonen (Eltern etc.), die ihr schutzbefohlenes<br />

Kind misshandelt haben, <strong>und</strong> nichts für sich tun<br />

(keine nachgewiesene Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ung)<br />

haben das Recht verwirkt auf Umgang.“<br />

Denn: Die Voraussetzung zum Aufbau einer sicheren<br />

Bindung gelingt nur dann, wenn das Kind in <strong>der</strong><br />

Lage sein wird, destruktive Bindungen loszulassen.<br />

Es geht bei einer Traumatisierung für ein Kind immer<br />

um „Leben <strong>und</strong> Tod“. Das Dreieck Täter-Opfer-<br />

Retter erfor<strong>der</strong>t daher von den Profieltern immer<br />

wie<strong>der</strong> aufs Neue die Bereitschaft zur intensiven<br />

Bearbeitung <strong>der</strong> kindlichen Vergangenheit. Die innere<br />

Not des Kindes – z.B. ausgelöst durch Schuldgefühle,<br />

Schamabwehr, unsichere Bindungserfahrungen<br />

etc. - führt immer wie<strong>der</strong> neu zu <strong>Übertragung</strong>en,<br />

die wie<strong>der</strong>um den Alltag einer Profifamilie ® <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />

Umfeld ganz massiv belasten können. Dies aber<br />

löst in den Profieltern womöglich <strong>Gegenübertragung</strong>en<br />

aus, welche wie<strong>der</strong>um eine Gefahr für die Bindung<br />

zum Kind bedeuten können, wenn sie nicht<br />

bewusst reflektiert <strong>und</strong> sorgfältig betrachtet werden.<br />

Nicht ein Ansatz wie: „Das muss es doch jetzt endlich<br />

mal verstehen!“ o<strong>der</strong> etwa: „Irgendwann muss<br />

es doch mal vorbei sein!“ sollte die Arbeit <strong>der</strong> Profieltern<br />

<strong>und</strong> aller verantwortlich am Prozess Beteiligten<br />

prägen.<br />

Ausschlaggebend sollte sein: “Dieses Kind wird sein<br />

Leben lang eine große Bürde mit sich tragen, für die<br />

es nur mit Bedacht <strong>und</strong> mit behutsamer Unterstützung<br />

durch an<strong>der</strong>e Menschen einen guten Platz<br />

finden kann, um sie abzulegen, damit es sich auf ein<br />

positiv besetztes, schützendes neues Umfeld einlassen<br />

kann <strong>und</strong> neugierig wird auf die Welt.“<br />

Für Profieltern bedeutet dies letztendlich ein extrem<br />

hohes Burnout-Risiko, aber auch eine außerordentlich<br />

hohe Befriedigung durch ihre Arbeit.<br />

Wir danken Ihnen, Frau Huber, für Ihren bereichernden,<br />

fachlich-informativen Vortrag mit intensivem<br />

Praxisbezug <strong>und</strong> einfühlsamer Beachtung <strong>und</strong> Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Arbeit von Profieltern, <strong>und</strong> wünschen<br />

Ihnen für Ihre weitere Arbeit in Forschung, Lehre<br />

<strong>und</strong> Therapie viel Kraft <strong>und</strong> alles<br />

Gute!<br />

Christa Lüken<br />

Profimutter <strong>und</strong> Erziehungsleitung<br />

GfS Emsland / Lingen<br />

Ausgabe 81 15 KiM ®

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