VIRGILIO E STESICORO Una ricerca sulla Tabula Iliaca Capitolina *
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144 Herbert Heftner<br />
V<br />
Wenn wir nach den obigen Überlegungen dem Theophrast die<br />
Vorstellung eines Ostrakismosverfahrens zur Zeit des Theseus<br />
nicht unterstellen dürfen, wie haben wir dann seine Behauptung<br />
über die angebliche Ostrakisierung des attischen Staatsgründer-<br />
Heros zu verstehen?<br />
Raubitschek möchte den Ansatz zur Beantwortung dieser<br />
Frage in der Annahme suchen, daß Theophrast an der fraglichen<br />
Stelle der Politikå prÚw toÁw kairoÊw das Verbum Ùstrak¤zein im<br />
metaphorischen Sinne für ‚verbannt werden‘ verwendet habe:<br />
„There can be little doubt that Theophrastos did not mean to say<br />
that Theseus was ostracized: the word Ùstrak¤zv is evidently used<br />
metaphorically . . . Evidently Theophrastos considered Theseus the<br />
founder and the first victim of democracy.“ 36<br />
Die raubitschek’sche Deutung unserer Stelle böte eine simple<br />
und nachvollziehbare Lösung des Widerspruchs zwischen dem<br />
Wortlaut der theophrastischen Aussage und dem anzunehmenden<br />
historischen Kenntnisstand des Philosophen, sie wirft jedoch ihrerseits<br />
wieder Probleme auf: Wenn wir nicht annehmen wollen,<br />
daß Ùstrak¤zein zu Theophrasts Zeiten bereits ganz allgemein als<br />
Bezeichnung für jede Art der Exilierung verwendet werden konnte,<br />
hätte sich der Peripatetiker durch die unkommentierte Verwendung<br />
der Ùstrakisy∞nai-Metapher ganz bewußt der Gefahr ebenjener<br />
Mißdeutung ausgesetzt, die seiner Äußerung dann in der<br />
modernen Forschung auch tatsächlich zuteil geworden ist. 37 Es ist<br />
kaum anzunehmen, daß er in einer philosophisch-historischen<br />
Abhandlung um des bloßen rhetorischen Effekts willen ein derartiges<br />
Mißverständnis in Kauf genommen haben soll.<br />
Eine andere Möglichkeit läge in der Annahme, daß es sich gar<br />
nicht um eine genuine Äußerung des Theophrast handelt, sondern<br />
36) Raubitschek, Theophrastos (wie Anm. 35) 78 Anm. 3.<br />
37) Das einzige möglicherweise aus Theophrasts Zeit stammende Beispiel<br />
einer metaphorischen Verwendung von Ùstrak¤zein bietet [Demad.] ÑUp¢r t∞w dvdekat¤aw<br />
53: nËn dÉ §jvstrãkistai m¢n pçn tÚ xrÆsimon §k t«n pragmãtvn. Dort<br />
aber liegt, ganz abgesehen davon, daß es sich wahrscheinlich nicht um eine genuine<br />
Rede des Demades, sondern um ein wesentlich später entstandenes Produkt des<br />
rhetorischen Schulbetriebes handelt (dazu I. Worthington, The Context of [Demades]<br />
On the twelve years, CQ 41, 1991, 90–95 mit der älteren Lit.), der metaphorische<br />
Charakter der Ùstrak¤zein-Verwendung so offensichtlich auf der Hand, daß<br />
jede Möglichkeit eines Mißverständnisses ausgeschlossen ist.