hier - Herbert Bruhn
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Kapitel 6: „Inklusive Schule- Leben und Lernen mittendrin“ (Pius Thoma und Cornelia Rehle)<br />
die Schulen für Schwerhörige und Körperbehinderte. 31 Die Absicht war, Kinder<br />
anzunehmen, die aus der Gesellschaft „exkludiert“ waren (S. 36). Im Zuge der<br />
Moderne entwickelten sich neben der Entstehung von Kleinfamilien die<br />
Wirtschafts- und Produktionssysteme und daraufhin die soziale Frage. Es folgte ein<br />
utilitaristisches Denken, wobei der Mensch als hochwertig und nützlich oder als<br />
minderwertig und unnütz angesehen wurde. Die Menschen, die nicht leistungsfähig<br />
waren entpuppten sich als „Störfaktoren“. Demnach lohnte sich die Ausgabe für<br />
soziale Institutionen immer mehr, da stetig leistungsfähige Familienangehörige für<br />
die Produktion verfügbar waren. So entstanden<br />
„Netze von Irrenanstalten, Anstalten für behinderte Menschen, Krüppelheime,<br />
Zuchthäuser und Gefängnisse, aber auch von Waisenhäusern und Kindergärten<br />
sowie Alten- und Pflegeheimen“. 32<br />
Später wurde mit Beginn der Industrialisierung dieses Denken durch das<br />
Verteilungsprinzip abgelöst. Es sollte jeder Mensch eine gleich verteilte Chance in<br />
der Gesellschaft haben. Mit dem sozialdarwinistischen Ansatz veränderte sich das<br />
traditionelle Menschenbild zu einem naturwissenschaftlich, biologisch orientiertem<br />
Menschenbild. Jeder musste sich in der Wirtschaft beweisen und in verschiedensten<br />
Konkurrenzkämpfen behaupten. Der Engländer <strong>Herbert</strong> Spencer setzte das Soziale<br />
mit Biologischem und biologisches Überlegen mit wirtschaftlicher Konkurrenz<br />
gleich (S. 37). In der Mitte des 19.Jahrhunderts bekam das sozialdarwinistische<br />
Denken Einfluss auf den Umgang mit Menschen mit Behinderungen:<br />
„ Die Hilfsschule entlastet die Volksschule, damit ihre Kräfte ungehemmt der<br />
Erziehung der gesunden Jugend dienen können […]“ 33 .<br />
1960 kam durch die Kultusministerkonferenz ein Wende. Es hieß:<br />
„utilitaristische Ziele der Entlastung der Regelschule gekoppelt mit ökonomischen<br />
Erwägungen treten in der Begründungsebene zurück und werden ersetzt durch das<br />
Recht der jeweiligen Kinder auf „angemessene Bildung und Erziehung“.<br />
Es wird also an „die Achtung vor der Menschenwürde“ angeknüpft und zugleich<br />
Abstand von dem Denken der „Bildungsunfähigkeit“ gewonnen (S. 38).<br />
Desweiteren heißt es, dass das Ansehen der Sonderschulen in der Öffentlichkeit<br />
gehoben werden solle. Jeder Schüler habe ein Anrecht auf ein sinnerfülltes Leben<br />
und dürfe nicht als weniger wertvoll betrachtet werden. In den 70er Jahren kam es<br />
zur ersten offenkundigen Integrationsbewegung, die Zweifel an dem Schulsystem<br />
ausübte. Schließlich erzielte diese Bewegung wenig Erfolg und wurde schnell<br />
wieder von dem Denken der „Separation“ abgelöst.<br />
Eine alternative Denkweise spiegelt sich in dem ökonomischen Ansatz wieder, in<br />
dem das Kategorisieren keinen Sinn mehr macht. Jedes Kind ist <strong>hier</strong> bildungsfähig<br />
und hat einen individuellen Förderbedarf. Das Denken ist inklusiv.<br />
„Inklusives Denken bedeutet, bis an die Wurzeln unseres Denkens, unserer<br />
Gestaltung von Bildung und unserer Weltkonstruktion nach Elementen zu graben,<br />
31 Prengel, A. 1995, S. 175<br />
32 Hobbes 1994, S. 374ff.<br />
33 Eberwein 1994, S. 33<br />
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