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Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />
BVerwG, Urt. v. 19.05.1998 - 4 C 11/96 - Fernstraßenrechtliche Planfeststellung; Abschnittsbildung<br />
und erforderliche Gesamtbilanzierung der gegen das Vorhaben sprechenden Umweltbelange;<br />
Abwägungserheblichkeit möglicherweise bestehender faktischer Vogelschutzgebiete<br />
bzw. potentieller FFH-Räume<br />
1. Die Bindungswirkung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Fernstraßenausbaugesetz ist mit der Richtlinie des<br />
Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/<br />
337/EWG) - UVP-RL - vom 27. Juni 1985 (ABl EG Nr. L 175 vom 5. Juli 1985, S. 40) vereinbar.<br />
2. Bei einem in mehrere Streckenabschnitte "aufgeteilten" Vorhaben ist gesamtvorhabenbezogen zu<br />
prüfen, ob die Gründe, die für die Planung sprechen, so gewichtig sind, dass sie die Beeinträchtigung<br />
der entgegenstehenden Belange unter Einschluss der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />
rechtfertigen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - BVerwG 4 C 5.96 -<br />
BVerwGE 104, 236).<br />
3. Aufgrund der Vogelschutz-RL (79/409/EWG) gibt es "faktische" Vogelschutzgebiete, welche die<br />
Qualität des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz- RL besitzen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. August 1993<br />
- Rs. C 355/90 - Slg. I 4221 ff. - NuR 1994, 521 - Santoña). An dem damit begründeten Schutzstatus<br />
hat die FFH-RL (92/43/EWG) - unabhängig von dem maßgebenden Schutzregime - nichts geändert (im<br />
Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - Rs. C-44/95 - Slg. I-3805 = NuR 1997, 36 - Lappel<br />
Bank).<br />
4. Der enteignungsbetroffene Grundeigentümer kann sich auf die Missachtung der Vogelschutz-RL<br />
berufen, wenn und soweit die Vogelschutz-RL als objektives Recht anwendungsfähig und von den nationalen<br />
Behörden zu beachten ist.<br />
5. In welcher Form der Vorhabenträger die erforderlichen Angaben über die Auswirkungen des Vorhabens<br />
auf die Umwelt dem Antrag auf Planfeststellung beizufügen hat, bestimmt weder das Gesetz über<br />
die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) noch die UVP-RL (85/337/EWG).<br />
BVerwG, Urt. v. 19.05.1998 - 4 A 9/97 - Zur Beachtung europäischer Richtlinien - hier: die Vogelschutzrichtlinie<br />
(79/409/EWG) und die FFH- Richtlinie (92/43/EWG) - bei Realisierung einer Fernstraßenplanung<br />
(A 20 - Ostsee-Autobahn - Entsche<strong>id</strong>ung)<br />
1. Ist nach Landesrecht die Klage eines anerkannten Naturschutzverbandes auf das Vorbringen<br />
begrenzt, das der angegriffene Planfeststellungsbeschluss den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes,<br />
des Landesnaturschutzgesetzes oder anderen Rechtsvorschriften w<strong>id</strong>erspricht, die auch den<br />
Belangen des Naturschutzes zu dienen bestimmt sind, dann hat diese Begrenzung zur Folge, daß Fragen<br />
des Verkehrsbedarfs, der Kostenberechnung, der Lärmauswirkungen und andere Fragen nichtnaturschutzrechtlicher<br />
Art grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssen (hier: § 51c Abs. 1 LSchG<br />
SH).<br />
2. Eine straßenrechtliche Planung, die sich im nachfolgenden Streckenabschnitt objektiv vor nicht überwindbaren<br />
Hindernissen sieht, verfehlt ihren gestaltenden Auftrag. Die damit aufgeworfene Frage der<br />
Realisierungsfähigkeit ist nicht aus der subjektiven Sicht der Planfeststellungsbehörde, sondern<br />
anhand objektiver Gegebenheiten zu beantworten.<br />
3. Als ein mögliches rechtliches Hindernis der Planverwirklichung sind auch die Richtlinie des Rates<br />
der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten<br />
(79/409/EWG) - Vogelschutz-RL - (ABl EG Nr. L 103/1 vom 25. April 1979) und die Richtlinie des Rates<br />
vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen<br />
(92/43/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) - (ABl EG Nr. L 206/7 vom 22. Juli 1992)<br />
zu beachten.<br />
4. Das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-RL erfasst auch erhebliche Auswirkungen (Beeinträchtigungen),<br />
die Ursachen außerhalb des Gebietes haben.<br />
5. Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-RL ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat der EU nicht befugt ist, die<br />
wirtschaftlichen Erfordernisse als Gründe des Gemeinwohls zur Durchbrechung des Schutzregimes<br />
zugrunde zu legen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. August 1993 - Rs. C-355/90 - Slg. I-4221 ff. -<br />
NuR 1994, 521 - Santoña).<br />
6. Es unterliegt rechtlichen Zweifeln, zu welchem Zeitpunkt Art. 7 FFH-RL dahin angewandt werden<br />
kann, dass für ein Vogelschutzgebiet das geminderte Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL<br />
maßgebend ist.<br />
Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 18