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Rechtsprechung<br />
BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 4 A 15/01 -<br />
Verbandsklage; faktisches Vogelschutzgebiet; Eignungsmerkmale; IBA-Verzeichnis 2000; potentielles<br />
FFH- Gebiet, Ostseeautobahn A 20 bei Lübeck<br />
FStrG § 17 Abs. 1; VwVfG § 46; BNatSchG § 8 Abs 2 u. 3, § 29 Abs. 1; NatSchG SH § 7a Abs. 3, § 8<br />
Abs. 1 u. 2, § 51c Abs 1; RL 409/79/EWG Art 4 Abs. 1, 2 u. 4, RL 43/92/EWG Art. 4 Abs. 1, Art. 6<br />
Abs. 4, Art. 10<br />
1. Die in einem Planfeststellungsverfahren eingeholte Stellungnahme der EU-Kommission zu<br />
Fragen der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie kann die Merkmale eines „einschlägigen<br />
Sachverständigengutachtens“ i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG aufweisen.<br />
2. Eröff<strong>net</strong> das Landesrecht anerkannten Naturschutzvereinen die Möglichkeit einer Verbandsklage,<br />
die eine materiellrechtliche Prüfung eines Planfeststellungsbeschlusses einschließt, so<br />
bleibt eine Verletzung des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG im Regelfall folgenlos, wenn der Beteiligungsmangel<br />
die Entsche<strong>id</strong>ung in der Sache nicht beeinflusst haben kann.<br />
3. Als faktisches Vogelschutzgebiet ist ein Gebiet nur dann zu qualifizieren, wenn es aus ornithologischer<br />
Sicht für die Erhaltung der im Anhang I der VRL aufgeführten Vogelarten oder der<br />
in Art. 4 Abs. 2 VRL genannten Zugvogelarten von so hervorragender Bedeutung ist, dass es in<br />
dem Mitgliedstaat zu den zahlen- und flächenmäßig geeig<strong>net</strong>sten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz<br />
4 VRL gehört.<br />
4. Zum Kreis der potentiellen FFH-Gebiete im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. BVerwG<br />
Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 und vom 27. Oktober 2000 -<br />
BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140) zählt ein Gebiet u.a. dann, wenn die in ihm vorhandenen<br />
Lebensraumtypen im Sinne des Anhangs I oder Arten im Sinne des Anhangs II der FFH-Richtlinie<br />
eindeutig den im Anhang III (Phase 1) genannten Merkmalen entsprechen. Eine Gebietsmeldung<br />
kann unterbleiben, wenn dies gemessen an den Kriterien des Anhangs III (Phase 1), die so<br />
formuliert sind, dass sie unterschiedliche Wertungen nicht ausschließen, fachwissenschaftlich<br />
vertretbar ist.<br />
5. Gesichtspunkte der Kostenhöhe einer Maßnahme haben bei der fachplanerischen Abwägung<br />
ein höheres Gewicht als im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 Satz 3 FFH-RL (in Ergänzung zu BVerwG,<br />
Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302).<br />
6. § 8 Abs. 3 BNatSchG nimmt selbst schwere Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und des<br />
Landschaftsbildes in Kauf, wenn den für den Eingriff sprechenden Gründen größeres Gewicht<br />
zukommt. Ein weitergehender Schutz von Natur und Landschaft lässt sich nur über Schutzgebietsausweisungen<br />
im Sinne der §§ 12 ff. BNatSchG erreichen.<br />
Zum Sachverhalt:<br />
Die Kläger, zwei in Schleswig-Holstein anerkannte Naturschutzverbände, wenden sich mit ihrer Klage<br />
gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 19. Januar 2001 für den Neubau der Bundesautobahn<br />
A 20 - der so genannten Ostsee-Autobahn - in dem Abschnitt zwischen der Landesstraße<br />
L 92 im Westen und der Landesgrenze Schleswig- Holstein im Osten, der in die Teilstrecke 2 a von der<br />
L 92 bis zur Bundesstraße B 207 und die Teilstrecke 2 b von der B 207 bis zum Ostufer der Wakenitz<br />
unterteilt ist. Auf mecklenburgischer Seite schließt sich ein Abschnitt an, der Gegenstand eines ebenfalls<br />
im Klageweg angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses vom 2. Februar 2001 ist (BVerwG 4 A<br />
77.01). Die Ostseeautobahn, die im Westen mit der Bundesautobahn A 1 und im Osten mit der Bundesautobahn<br />
A 11 verknüpft werden soll, ist Teil des geplanten transeuropäischen Straßen<strong>net</strong>zes. Sie<br />
gehört zu den 17 Verkehrsprojekten Deutsche Einheit und ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen<br />
als vordringlicher Bedarf dargestellt. Der planfestgestellte Abschnitt dient zusammen mit<br />
dem Abschnitt, der den Gegenstand des inzwischen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses<br />
vom 28. April 1997 bildet, auch als Südumfahrung Lübecks. Die Trasse lehnt sich an die Linienbestimmung<br />
des Bundesministers für Verkehr vom 26. Juli 1995 an. Sie ist das Ergebnis einer Prüfung, bei<br />
der eine Reihe von Trassenvarianten unter Einschluss von Linienführungen in dem Bereich nördlich<br />
von Lübeck miteinander verglichen wurden. Der Abschnitt ist 12,8 km lang. Er durchschne<strong>id</strong>et die<br />
Wakenitzniederung, die Teil des Naturparks „Lauenburgische Seen“ und des Naturschutzgebiets<br />
„Wakenitz“ ist. Als Wakenitzquerung dient eine gut 294 m lange Talraumbrücke, die im Flussbereich<br />
eine lichte Höhe von 6 m aufweist. Im Brückenbereich ist der Mittelstreifen auf 3 m aufzuweiten und als<br />
offener Spalt auszugestalten. Entlang der Brücke sind 2,5 m hohe Lärmschutzwände zu errichten, die<br />
Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 44