Christian F. Majer - Zeitschrift Jura Studium & Examen
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AUSGABE 4 | 2012<br />
__________________________________________________________________________________________<br />
dem Gesetzgeber auf, die zukünftige<br />
Entwicklung zu überwachen und notfalls<br />
bei Bedarf entsprechend einzuschreiten.<br />
Zu Recht führt das Gericht<br />
aber aus, dass ein Verstoß gegen Art. 6<br />
Abs. 2 S. 1 GG nicht generell von der<br />
Hand zu weisen ist.<br />
Auch im Anschluss war das Thema<br />
noch heiß diskutiert. Spangenberg 22<br />
stellt die These auf, dass sich die Verfassungswidrigkeit<br />
von § 1626a BGB aus<br />
der Ungleichbehandlung von nichtehe-<br />
lichen und ehelichen Kindern ergibt. 23<br />
Während der Kindeswille im Rahmen<br />
von § 1671 Abs. 1 S. 2 BGB bei der Frage<br />
des Aufenthaltes des Kindes zu berücksichtigen<br />
ist, findet – wie bereits oben<br />
erwähnt – der Wille des nichtehelichen<br />
Kindes, das bei seinem Vater leben will,<br />
unterhalb der Schwelle der §§ 1666,<br />
1666a BGB keine Beachtung. 24<br />
Nach und nach wurden statistische Erhebungen<br />
durchgeführt, welche die<br />
Anzahl der Sorgerechtserklärungen be-<br />
trafen. 25 Vier Jahre später reagierte das<br />
Bundesministerium mit einem Forschungsvorhaben<br />
„Gemeinsames Sorgerecht<br />
nicht miteinander verheirateter<br />
22 OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 132 ff.<br />
23 Auslöser war das Urteil des OLG Frankfurt in<br />
FamRZ 2003, 1314 f.<br />
24 So in Rakete-Dombeck a.a.O., § 1626a BGB<br />
Rdnr. 4.<br />
25 Näher hierzu Höfelmann, FamRZ 2004, 65 f.<br />
Eltern“, 26 um sich der Sache anzunehmen.<br />
Plötzlich gestand das Ministerium,<br />
dass „Rollenverteilungen, Familien-<br />
und Lebensformen im Wandel sind“. 27<br />
Ein Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft<br />
ist daher nicht zu verkennen.<br />
c) Entscheidung des EGMR am<br />
03.12.2009 28<br />
Der EGMR folgte der Auffassung des<br />
Gesetzgebers und des Verfassungsgerichtes<br />
in seiner Entscheidung gerade<br />
nicht. Für ihn läuft ein gemeinsames<br />
Sorgerecht gegen den Willen der Mutter<br />
dem Kindeswohl nicht entgegen. Er<br />
führt aus:<br />
„Weil das deutsche Recht eine gerichtliche<br />
Überprüfung der Sorgerechtsregelung<br />
in Trennungsfällen, in denen die<br />
Eltern verheiratet sind oder waren oder<br />
eine gemeinsame Sorgerechtserklärung<br />
abgegeben haben, vorsieht, gibt es keine<br />
hinreichenden Gründe, warum der nichteheliche<br />
Vater weniger Prüfungsmög-<br />
lichkeiten haben sollte“. 29<br />
Dies deckt sich mit den obigen Ausführungen<br />
unter III. 4. a).<br />
26 Vgl. Pressemitteilung von 03.12.2009, nachzulesen<br />
unter:<br />
http://www.bmj.de/SharedDocs/EGMR/DE/200<br />
91203_22028-04.html<br />
27 Interessanterweise kam dieser Wandel mit<br />
der Entscheidung des EGMR (vgl. III. 4. c)).<br />
28 EGMR, NJW 2012, 501.<br />
29 Der EGMR sieht hierin einen Verstoß gegen<br />
Art. 14 und Art. 8 der EMRK.<br />
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