Christian F. Majer - Zeitschrift Jura Studium & Examen
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AUSGABE 4 | 2012<br />
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Eilanträge gegen Ratifikation<br />
von ESM-Vertrag und Fiskalpakt<br />
BVerfG, Urteil vom 12.09.2012 – 2 BvR 1390/12, NJW 2012, 3145<br />
1. Die über eine reine Folgenabwägung hinausgehende summarische Prüfung<br />
der Verfassungsmäßigkeit eines Zustimmungsgesetzes zu einem völkerrechtlichen<br />
Vertrag bereits im Eilrechtsschutzverfahren nach § 32 BVerfGG ist insbesondere<br />
dann geboten, wenn eine Verletzung der Schutzgüter des Art. 79 III GG<br />
in Rede steht. In einer derartigen Situation muss es Aufgabe des BVerfG sein,<br />
die Identität der Verfassung zu schützen. Ergibt die summarische Prüfung, dass<br />
eine behauptete Verletzung von Art. 79 III GG mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
gegeben ist, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil<br />
für das gemeine Wohl i.S. des § 32 BVerfGG […]. Dieser Maßstab gilt auch für<br />
begleitende gesetzliche Regelungen, wenn ein enger Sachzusammenhang mit<br />
der zugleich angegriffenen völkerrechtlichen Vereinbarung besteht.<br />
2. Ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch ohne eigene Rechtsbetroffenheit<br />
lässt sich weder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) noch<br />
aus Art. 19 IV GG oder Art. 2 I GG ableiten.<br />
3. Eine Kontrolle wirtschafts- und finanzpolitischer Maßnahmen auf negative<br />
Folgen für die Geldwertstabilität durch das BVerfG kommt allenfalls in Fällen<br />
einer evidenten Minderung des Geldwerts in Betracht […].<br />
4. Ein wesentliches Element zur unionsrechtlichen Absicherung der verfassungsrechtlichen<br />
Anforderungen aus Art. 20 I und II i.V. mit Art. 79 III GG an<br />
die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestags ist<br />
das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank<br />
[…]. Dieses Verbot wird durch den ESM-Vertrag nicht tangiert.<br />
5. Zwar kann sich das BVerfG in Bezug auf die demokratischen Gestaltungs- und<br />
Entscheidungsspielräume für zukünftiges Ausgabeverhalten nicht mit eigener<br />
Sachkompetenz an die Stelle der dazu zuvörderst berufenen Gesetzgebungskörperschaften<br />
setzen; es hat jedoch sicherzustellen, dass der demokratische<br />
Prozess offen bleibt, auf Grund anderer Mehrheitsentscheidungen rechtliche<br />
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