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Dagegen ist nicht ganz klar, wieso man die Verkehrszeichen<br />

für Steigung und Gefälle nicht gespiegelt<br />

hat, wahrscheinlich, weil wir von links<br />

nach rechts zu lesen gewohnt sind. Aber auch<br />

da kann man unterschiedlicher Ansicht sein.<br />

Soweit ist das alles nur Theorie. Kann <strong>de</strong>r Autofahrer<br />

überhaupt auf alle Verkehrszeichen in<br />

vernünftiger Art reagieren? Schließlich hat ja<br />

die Missachtung <strong>de</strong>rselben häufig genug Folgen,<br />

teilweise schwerwiegend. Der Schil<strong>de</strong>rwald,<br />

<strong>de</strong>m wir uns ausgesetzt sehen, insbeson<strong>de</strong>re<br />

bei schlechter Beleuchtung und behin<strong>de</strong>rt<br />

durch Pflanzenwuchs, erfor<strong>de</strong>rt höchste Aufmerksamkeit.<br />

Und eigentlich, so steht geschrieben<br />

nach einem BGH Urteil von 1970, sind die<br />

Verkehrszeichen so anzubringen, dass sie schon<br />

„mit einem raschen und beiläufigen Blick“ zu<br />

erfassen sind, wobei <strong>de</strong>r beiläufige Blick <strong>als</strong> das<br />

„nicht suchen<strong>de</strong> Auge“ interpretiert wird. Ist<br />

doch irgendwie klar, o<strong>de</strong>r? Der ganze Prozess<br />

soll dann so um die 1,2 Sekun<strong>de</strong>n in Anspruch<br />

nehmen. Je<strong>de</strong>r kann das ja mal bei sich selbst<br />

testen. Abweichungen nach oben sind durchaus<br />

möglich!<br />

Aber auch das bewusste Wahrnehmen <strong>de</strong>r Verkehrszeichen<br />

veranlasst nicht unbedingt zur<br />

Befolgung <strong>de</strong>rselben. Es gibt da einen bestimmten<br />

Qualitätsunterschied zwischen <strong>de</strong>n „Blechschil<strong>de</strong>rn“,<br />

<strong>de</strong>nen man wenig Intelligenz unterstellt,<br />

im Gegensatz zu <strong>de</strong>n variablen Verkehrszeichen<br />

auf Schil<strong>de</strong>rbrücken o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n neueren<br />

„dWiSta’s“ (dynamische Wegweiser mit integrierten<br />

Stauinformationen), die aktuell auf das<br />

Verkehrsgeschehen reagieren (o<strong>de</strong>r besser: reagieren<br />

sollen!). Im Zuge <strong>de</strong>r WM 2006 sind diese<br />

im Umfeld <strong>de</strong>r relevanten Stadien aufwändig<br />

installiert wor<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r hält sich <strong>de</strong>r Informationsgehalt<br />

jedoch bis heute in überschaubaren<br />

Grenzen.<br />

Am häufigsten ist natürlich die Geschwindigkeitsbeschränkung<br />

ein Thema. Sie hält ja <strong>de</strong>n<br />

Autofahrer von <strong>de</strong>r freien Entfaltung seiner Fähigkeiten<br />

ab. Untersuchungen haben ergeben,<br />

dass die variablen Beschränkungen nicht ganz<br />

ernst genommen wer<strong>de</strong>n. Entwe<strong>de</strong>r kann man<br />

nicht schneller fahren <strong>als</strong> angezeigt wird aufgrund<br />

von Stau, o<strong>de</strong>r es ist Stau angezeigt, aber<br />

man kann zügig fahren. Bei<strong>de</strong>s för<strong>de</strong>rt nicht<br />

das Vertrauen in diese Systeme.<br />

Hin und wie<strong>de</strong>r versucht ein Verkehrsminister,<br />

<strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rwald ein wenig zu lichten und dies<br />

<strong>als</strong> be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Verkehrspolitik zu verkaufen.<br />

Das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Verkehrszeichen wird <strong>als</strong><br />

überflüssig erkannt und auf <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x gesetzt.<br />

Heftige Diskussionen sind jeweils die Folge, im<br />

Ergebnis än<strong>de</strong>rt sich dann eigentlich Nichts.<br />

Klar ist je<strong>de</strong>nfalls, dass das Gefühl, wir hätten<br />

zu viele Schil<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Straßen („Verkehrsschildbürgerstreich“)<br />

keineswegs trügerisch<br />

ist. Viele Untersuchungen sind dazu angestellt<br />

wor<strong>de</strong>n und es wer<strong>de</strong>n Zahlen von 30% an Überfluss<br />

gehan<strong>de</strong>lt. In NRW wur<strong>de</strong> sogar ein „Kopfgeld“<br />

von immerhin 10 Euro pro gemel<strong>de</strong>tem<br />

und wirklich obsoletem Verkehrszeichen ausgesetzt,<br />

allerdings galt das Angebot nur für die<br />

Bediensteten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sbetriebs.<br />

Professor Michael Schreckenberg,<br />

geboren 1956 in Düsseldorf, studierte<br />

Theoretische Physik an <strong>de</strong>r<br />

Universität zu Köln, an <strong>de</strong>r er 1985<br />

in Statistischer Physik promovierte.<br />

1994 wechselte er zur Universität<br />

Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste<br />

<strong>de</strong>utsche Professur für Physik von<br />

Transport und Verkehr erhielt. Seit<br />

mehr <strong>als</strong> 15 Jahren arbeitet er an<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llierung, Simulation und<br />

Optimierung von Transportsystemen<br />

in großen Netzwerken, beson<strong>de</strong>rs<br />

im Straßenverkehr, und <strong>de</strong>m Einfluss<br />

von menschlichem Verhalten<br />

darauf.<br />

Kolumne 117<br />

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen,<br />

die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen<br />

bei Evakuierungen.<br />

Mit <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rn lässt sich auch or<strong>de</strong>ntlich<br />

Geld verdienen. Das scheint ein Anbieter auf<br />

Mallorca auch geahnt zu haben. Ich erinnere<br />

mich an diverse Urlaube dort mit Überlandfahrten<br />

im Mietfahrzeug. Vor je<strong>de</strong>m noch so kleinen<br />

Anstieg mit direkt anschließen<strong>de</strong>m geringen<br />

Gefälle stand das Verkehrszeichen 276: Überholverbot,<br />

in maximal 50 Meter Entfernung gefolgt<br />

von <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>sselben (Verkehrszeichen<br />

280). Es muss hun<strong>de</strong>rte Paare dieser Art<br />

auf Mallorca geben.<br />

Die größten Verän<strong>de</strong>rungen haben sich in<br />

Deutschland aber im Bereich <strong>de</strong>r Kreisverkehre<br />

ergeben. Irgendwie hat dieser in Deutschland<br />

keine Tradition. Böse Zungen behaupten, das<br />

hätte etwas mit <strong>de</strong>n lukrativen Verdienstmöglichkeiten<br />

durch Lichtsignalanlagen zu tun, die<br />

dann ja auch noch gewartet wer<strong>de</strong>n müssen…<br />

Während beispielsweise in Frankreich und<br />

England <strong>de</strong>r Kreisverkehr zum Alltagsbild gehört,<br />

hielt er bei uns eher durch die Hintertüre<br />

wie<strong>de</strong>r Einzug, allerdings nur mit einer Spur.<br />

Man wollte die Autofahrer nicht überfor<strong>de</strong>rn.<br />

Tatsächlich ist eine Umrundung <strong>de</strong>s Arc <strong>de</strong><br />

Triomphe in Paris mit etwa acht Spuren (weiß<br />

man nicht so genau) schon eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

auch für geübte „Kreiselfahrer“, mal ganz<br />

abgesehen von <strong>de</strong>m schon mal von mir thematisierten<br />

„Magic Roundabout“ in England bei<br />

Linksverkehr (ein Kreisverkehr mit fünf Unterkreisverkehren).<br />

Der Grund für das vermehrte<br />

Auftreten von Kreisverkehren bei uns ist <strong>de</strong>r<br />

Sicherheitsaspekt: man muss beim Einfahren<br />

auf ca. 30 km/h abbremsen, bei Kreuzungen<br />

mit Ampeln kann man mit 70 km/h durchrauschen,<br />

mit entsprechen<strong>de</strong>n Folgen bei Unfällen<br />

mit <strong>de</strong>m Querverkehr.<br />

Allerdings hat das Konzept seine <strong>de</strong>utlichen<br />

Grenzen. Hat man eine dominante Vorzugsrichtung,<br />

hat man kaum eine Chance „dazwischen<br />

zu kommen“. Das hat etwas von „Dauerrot“.<br />

Häufig musste dann mit einer weiteren Spur<br />

nachgebessert wer<strong>de</strong>n.<br />

Der erste Kreisverkehr weltweit wur<strong>de</strong> übrigens<br />

1904 in New York (wo sonst!) am Columbus Cir-<br />

cle (Central Park) eingerichtet. Schon dam<strong>als</strong><br />

war nicht ganz klar, wer <strong>de</strong>nn nun eigentlich<br />

Vorfahrt hat: die Fahrzeuge im Kreisel o<strong>de</strong>r die<br />

Einfahren<strong>de</strong>n. Diese Unsicherheit hat sich bis<br />

heute erhalten. Seit 2001 gibt es daher eine<br />

neue Regelung mit entsprechen<strong>de</strong>m Verkehrszeichen:<br />

Vorfahrt gewähren (VZ 205) plus Kreisverkehr<br />

<strong>als</strong> run<strong>de</strong>r blauer Kreisel (VZ 215). Der<br />

Kreisel hat dort Vorfahrt und erst beim Ausfahren<br />

muss man <strong>de</strong>n Blinker („Fahrtrichtungsanzeiger“)<br />

betätigen, beim Einfahren ist dies sogar<br />

unzulässig. Bei Abstän<strong>de</strong>n von wenigen Metern<br />

zwischen <strong>de</strong>n Ausfahrten ein schwieriges,<br />

teilweise kaum realisierbares Unterfangen. Man<br />

darf die abgeböschte Insel zum beschleunigten<br />

Durchfahren übrigens nicht mitbenutzen<br />

(Rechtsfahrgebot!) und schon gar nicht halten.<br />

Allerdings gibt es je<strong>de</strong> Menge Kreisverkehre mit<br />

nur einem <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Verkehrszeichen 205 o<strong>de</strong>r<br />

215 o<strong>de</strong>r keinem von bei<strong>de</strong>n. Hier ist Fantasie<br />

gefragt, in je<strong>de</strong>m Falle aber Vorsicht. Lei<strong>de</strong>r<br />

sind selbst mo<strong>de</strong>rne Navigationssysteme <strong>de</strong>r<br />

„Kreisverkehrhysterie“ nicht gewachsen. Überall<br />

sprießen sie wie Pilze aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Dies<br />

habe ich gera<strong>de</strong> noch bei meinem diesjährigen<br />

Urlaub an <strong>de</strong>r Nordseeküste eindrucksvoll erfahren<br />

können.<br />

Dass man Verkehrszeichen stets beachten sollte,<br />

zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil zu einem<br />

Einspruch gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> einem Verkehrsteilnehmer<br />

<strong>de</strong>r Führerschein bei 18 Punkten in Flensburg<br />

wegen F<strong>als</strong>chparkens entzogen. Den Punkten,<br />

so das Gericht, sei schließlich egal, woher sie<br />

kämen und ab 40 Euro gibt es halt einen Punkt.<br />

Punkte kann man sich aber auch leicht durch<br />

einfache Gesten einhan<strong>de</strong>ln. Sollten die Hän<strong>de</strong><br />

eigentlich zur Verständigung in unklaren Situationen<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n (um fehlen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

unklare Verkehrszeichen zu ersetzen), wer<strong>de</strong>n<br />

sie aber auch zu, ich sage mal, Meinungsäußerungen<br />

missbraucht. Der bekannte „Effe“-<br />

Stinkefinger kostet dann schon mal 4.000 Euro,<br />

auch wenn man damit keine unklare Situation<br />

geklärt hat, ganz im Gegenteil!<br />

<strong>Flotte</strong>nmanagement 5/2010

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