Juli - Fokus
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Akteuren auch Umdenken<br />
einfordert: Akzeptanz<br />
von Ideen anderer<br />
Fachkräfte, Öffnung<br />
der Firmenkultur, verstärkte Kommunkation,<br />
keinerlei Berührungsängste. In der<br />
Praxis haben beispielsweise Volkswagen<br />
und das Energieunternehmen LichtBlick<br />
eine weltweit exklusive Partnerschaft unterzeichnet.<br />
Volkswagen produziert die<br />
Blockheizkraftwerke „EcoBlue“, angetrieben<br />
von Gas motoren aus eigener Fertigung.<br />
LichtBlick vertreibt besagte Anlagen<br />
als „ZuhauseKraftwerke“, eingesetzt als intelligentes<br />
Konzept für Wärme- und<br />
Stromversorgung. Beide Betriebe setzen<br />
dabei auf ihre Kernkompetenz. Volkswagen<br />
bringt sein Expertenwissen im Bau<br />
von Pkw-Serienmotoren sowie die Fähigkeit<br />
zur Produk tion großer Stückzahlen<br />
ein, während LichtBlick weiß, wie die<br />
Märkte funktionieren und wie ein guter<br />
Vertrieb funktionieren soll. Ein weiteres<br />
Beispiel liefern Computerhersteller Apple<br />
und Sportartikelprofi Nike mit ihrem<br />
Nike+iPod Sport Kit. Dabei handelt es sich<br />
um einen Sensor für das Laufobjekt plus<br />
Endgerät-Empfänger. Der Schuh ist mit<br />
der Musik-Hardware verbunden und zeigt<br />
auf dem Monitor Infos wie absolvierte<br />
Strecke, Laufzeit oder verbrannte Kalorien.<br />
„Joggen mit dem iPod ist sehr populär,<br />
deswegen machte die Kooperation Sinn“,<br />
so Apple-Sprecher Georg Albrecht.<br />
APPS-MODELL. Der kultige Apfel hat noch<br />
einen anderen Pfad in die Zukunft geöffnet,<br />
den Experten als wegweisend betrachten.<br />
Seit dem Triumph des iPhone sind Apps ein<br />
Megatrend – diese kommen von firmenfremden<br />
Einwicklern. So spart sich der US-<br />
Trendsetter nicht bloß Geld, sondern kann<br />
am Mobilfunkmarkt die Geschwindigkeit<br />
erhöhen. Mit der Perspektive, dass Applikationen<br />
vielleicht den Zugang zu anderen<br />
Branchen öffnen, wenn etwa Programme<br />
für Immobilienmakler oder Baumarktkunden<br />
kreiert werden. Wesentlich weniger<br />
spektakulär, aber publikumswirksam fährt<br />
auch die Nahrungsmittelindus trie auf der<br />
Schiene in neue Absatzgefilde. So genanntes<br />
„Functional Food“, das den Konsumenten<br />
gesundhalten soll, signalisiert die potenzielle<br />
Verschmelzung mit der<br />
Pharmabranche, egal ob vitaminangereicherte<br />
Säfte oder probiotische Jogurts.Jener<br />
betriebswirtschaftliche Kuschelkurs<br />
besitzt aber auch seine Tücken. Neben der<br />
JULI 2010<br />
Gemeinsam auf Trends hören, dann der<br />
Konkurrenz davonlaufen: iPod und Nike als<br />
Schrittmacher der neuen Kooperationskultur.<br />
erheblichen Schwierigkeit, über die Firmentore<br />
hinweg immer möglichst reibungslose<br />
Abläufe zu organisieren, lauert<br />
gleichermaßen der „Ego-Faktor“. Sollte die<br />
Kooperation Früchte tragen, möchte sich<br />
jeder Manager im Glanz sonnen. Wenn das<br />
Projekt scheitert, war natürlich hinterher<br />
niemand verantwortlich.<br />
FEHLSCHLAG. Das Beispiel eines global agierenden<br />
Herstellers von Küchengeräten illus -<br />
triert jene Gefahrenzone. Die Firma wollte<br />
ein Konzept realisieren, das schon seit den<br />
90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />
vorhanden ist: Steuerung von Eiskästen<br />
über das Internet. Mit allen Möglichkeiten<br />
wie Kontrolle von Nahrungsmittelbeständen<br />
bis zur automatischen Online-Bestellung,<br />
wenn wieder einmal kein Bier zu<br />
Hause ist oder der große Wochenendeinkauf<br />
ansteht. Enagiert wurde eine kleiner,<br />
aber feiner Lösungsanbieter, bekannt für<br />
technologische Weitsicht im Netzgeschäft.<br />
Schon beim ersten Briefing ließ der Big<br />
Player die reichlich verblüfften Spezialisten<br />
spüren, wer hier das Sagen hat – abseits<br />
jeglicher Kompetenz. Nach der ersten Präsentation<br />
des Systems platzte dem Chef<br />
des Start-up der Kragen wegen stetiger Arroganz<br />
der hier zuständigen Manager. Zur<br />
großen Premiere kam es ohnehin erst gar<br />
nicht. Als die Internet-Entwickler hinter<br />
vorgehaltener Hand Wind davon bekamen,<br />
dass sie gar nicht vor die Presse treten dürfen,<br />
wanderte das ambitionierte Projekt<br />
ins Archiv. Eine Konzernführungskraft<br />
kommentierte den Eklat locker: „Die werden<br />
nicht allen Ernstes geglaubt haben,<br />
dass wir uns in die zweite Reihe stellen<br />
oder die Lorbeeren teilen.“ n<br />
Zukunftsinstitut-<br />
Geschäftsführer<br />
Andreas Steinle<br />
im Blitzinterview.<br />
RADIKALE NEUERUNG<br />
FOKUS: Wie profitieren Betriebe von<br />
Cross Innovations?<br />
Steinle: Etablierte Denkansätze innerhalb<br />
einer Branche prägen allzu oft<br />
die Produkte, Dienstleistungen und<br />
Geschäftsmodelle. Dies gelingt durch<br />
Cross-Innovationen, die durch die Verknüpfung<br />
von Produkten, Services und<br />
Trends verschiedener Branchen entstehen.<br />
Die Strategie hilft, radikale Neuerungen<br />
hervorzubringen und sich vom<br />
Wettbewerb abzugrenzen.<br />
Wie reagieren Verantwortliche hier<br />
konkret?<br />
Procter & Gamble hat beispielsweise<br />
das Ziel formuliert, dass künftig die<br />
Hälfte aller Neuentwicklungen von<br />
außen kommen soll. Das Motto „Connect<br />
and Develop“ bewährt sich. 2000<br />
enthielten 15 Prozent der neuen Produkte<br />
externe Bestandteile. 2006 betrug<br />
der Anteil 35 Prozent. Gleichzeitig<br />
steigerte sich in diesem Zeitraum die<br />
F&E-Produktivität um nahezu 60 Prozent,<br />
die Innovationserfolgsquote hat<br />
sich mehr als verdoppelt. 2007 wurde<br />
die magische 50-Prozent-Quote erstmals<br />
erreicht.<br />
Wo liegen Problemfelder?<br />
In den patentrechtlichen Aspekten bei<br />
Kooperationen. Diese müssen durch<br />
Verträge, aber vor allem durch Vertrauen<br />
abgesichert sein. Es braucht also<br />
zunächst eine gewisse Kooperationskultur,<br />
die gepflegt werden muss. Dass<br />
solche Vorhaben selbst mit Wettbewerbern<br />
möglich sind, zeigt Philips mit seinem<br />
Hightech-Campus bei Eindhoven.<br />
Die Hälfte der Forscher kommt von diesem<br />
Konzern. Die restlichen arbeiten<br />
für eine von knapp 100 Firmen aus<br />
unterschiedlichen Branchen. In zahlreichen<br />
Forschungsprojekten wird kooperiert<br />
– trotz Konkurrenz. Klare Absprachen<br />
samt Verträge regeln, wie Ideen<br />
geschützt und genutzt werden.<br />
FOKUS I HOME & BUSINESS 45