Juli - Fokus

WIRTSCHAFT / FINANZEN
50 FOKUS I HOME & BUSINESS
TEXT WALTER SENK
FOTOS SHUTTERSTOCK
Wie die Wirtschaft tickt
Die Welt im wirtschaftlichen Umbruch
Der Geschäftsführer der REIWAG, KR Viktor Wagner, über die wirtschaftliche
Zusammenhänge, Moral in der Wirtschaft, „Zero Budgeting“, Leerwetten, die
Besteuerung von Kapitalflüssen und warum Bildung und Forschung so wichtig sind.
Wie sehen Sie die aktuelle Krise, wie schätzen
Sie diese ein?
Wagner: Wir haben natürlich eine Wirtschaftskrise,
aber auch eine Moralkrise.
Die Weltwirtschaftskrise ist durch Derivatenhandel
verursacht worden. Da sind unendlich
viele Geldgeschäfte getätigt worden,
hinter denen keine Leistung gestanden
ist. Es hat sich lange vorher vorsichtig angekündigt.
Aber niemand wollte das wahrhaben.
Es waren viele Krisen vorhersehbar.
Nur jeder Banker, der gesagt hätte, er
macht nicht mit, der hätte seinen Job verloren.
Die, die ethisch handeln wollten, die
konnten nicht. Jeder Mensch braucht Kontrolle
oder/und Rahmenbedingungen mit
Sanktionen. Der leichtfertige Umgang mit
fremdem Geld für künstliche Geldprodukte
war mit einer der Hauptverursacher
der Weltwirtschaftskrise.
Ihr Unternehmen ist trotz Krise im vergangenen
Jahr um zehn Prozent gewachsen.
Was macht den Erfolg aus?
Nachhaltigkeit. Österreich und die Europäische
Union basieren überwiegend darauf,
dass zirka 85 Prozent kleine und mittlere
Unternehmen sind, die Steuern bezahlen,
Arbeitsplätze schaffen und erhalten und
deren Eigentümer vom Unternehmen leben
müssen. Die können es sich gar nicht
leisten, nicht nachhaltig zu wirtschaften.
Großkonzerne ziehen von einem Markt in
den nächsten, je nachdem, wo es für sie am
besten ist. Und die Finanzvorstände werden
angehalten, die günstigsten Finanzkonditionen
zu suchen und das Unternehmen
dort anzusiedeln. Das bezahlt letztendlich
der kleine Mitbewerber. Wenn
man hier neue Spielregeln finden würde,
dann wäre das für die ganze Wirtschaft
gut, aber es gibt auch noch andere Bereiche,
die zu überdenken wären.
Welche?
Es wäre sinnvoll, unser gesamtes Fördersystem
von der „Basis null“ neu zu überdenken,
so genanntes „Zero Budgeting“.
Ich gehe von der Position null aus und gebe
nichts mehr her und prüfe neu, was wirklich
förderungswürdig ist. Eine beachtliche
JULI 2010