29.09.2012 Aufrufe

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Fallanalysen<br />

Musik als Ausdrucksform<br />

Im Rap kann Azad seinem Weltbild Ausdruck verleihen. Der Text hört sich an, als hätte er<br />

ihn übernommen von einem Rap, den ältere Personen als er selbst erfunden haben.<br />

Vielleicht macht er auch einen Mix zwischen spontan erfundenen Textstellen und solchen,<br />

die er schon mal gehört hat. Doch die Themen, von denen er singt, sind dieselben Themen,<br />

die sich im gesamten <strong>Interview</strong> als relevant erweisen. Es geht darin um ein Land, einen<br />

Menschen aus einem anderen Land, um Böse und um Gute, um Kämpfe gegen die Bösen.<br />

Freiheit / Hoffnung<br />

Das Foto, das Azads Vater zeigt, wie er lachend in einem türkischen Fluss schwimmt, ist für<br />

Azad ein Symbol für die Freiheit. Er schaut sich das Foto lange an und wünscht sich, in<br />

diesem Fluss schwimmen zu gehen, sobald die Probleme vorbei sind. Azad sieht zwar, dass<br />

das Leben seiner Familie nicht einfach ist, dass da Probleme sind. Er versteht die Welt in<br />

Gut und Böse, in Mächtige und Machtlose unterteilt. Er weiss, dass sie zurzeit zu den<br />

Machtlosen gehören, auch wenn er sich wünscht, mächtiger zu sein. Doch Azad hat die<br />

Hoffnung nicht verloren, dass sich seine Lebenswelt zum Guten wandelt. Er sieht den Tag<br />

kommen, an dem die Probleme beendet sind, an dem die Familie wieder frei ist. Er wird frei<br />

sein, wenn er, wie sein Vater auf dem Foto, lachend in einem türkischen Fluss schwimmen<br />

darf. Azad kämpft gegen das Böse. Er kämpft in seinem Rap, er kämpft als Spiderman, als<br />

Justizminister, als Architekt oder als Arzt gegen das Böse und für die Freiheit. Er möchte die<br />

Welt verändern, die Welt der Erwachsenen, die es ihm verunmöglicht, wie sein Vater<br />

lachend in einem Fluss in der Türkei zu schwimmen.<br />

Die Hoffnung, dass er eines Tages mehr Macht hat und dass die Probleme, die seine<br />

Lebenswelt berühren, vorbeigehen, hilft Azad, vorwärts zu gehen. Dank dieser Hoffnung ist<br />

er kein Kind, das traurig oder ohnmächtig wirkt. Die Hoffnung hilft Azad, seine prekäre<br />

Lebenssituation zu bewältigen.<br />

4.5. Fazit<br />

Die vorgestellten Fallanalysen geben Einblick in die Lebenswelten von vier sechs- bis<br />

neunjährigen <strong>Kinder</strong>n. Es sind vier Individuen, deren Lebenssituationen durch<br />

unterschiedliche Aspekte gekennzeichnet werden. Die Papierlosigkeit, welche alle vier<br />

<strong>Kinder</strong> verbindet, äussert sich in ihren Lebenswelten auf unterschiedliche Art und Weise. Die<br />

vorgestellten Ergebnisse der Einzelfallanalysen verdeutlichen einerseits die Prekarität der<br />

Lebenssituationen von <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n. Andererseits zeigen sie aber eindrücklich auf,<br />

wie sich keines der <strong>Kinder</strong> von den gegebenen Umständen erdrücken lässt. Alle haben sie<br />

107

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!