Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz
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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Fallvergleich<br />
Der Vergleich der <strong>Interview</strong>s spricht dafür, dass Zusammenhalt und emotionale<br />
Unterstützung innerhalb der Familie den <strong>Kinder</strong>n Kraft gibt, um ihr Leben zu bewältigen.<br />
Dank der Unterstützung von und der Nähe zu den Eltern fällt es ihnen leichter,<br />
Schwierigkeiten und Probleme zu bewältigen. Im Gegensatz dazu wird das Leben von <strong>Sans</strong>-<br />
<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n zusätzlich belastet, wenn die Verhältnisse und Beziehungen innerhalb der<br />
Familie schwierig sind, wie am Fall von Luana verdeutlicht wurde. Chassé/Zander/Rasch<br />
stellen in ihrer Studie ebenfalls fest, dass „die emotionalen Beziehungen zwischen Eltern und<br />
<strong>Kinder</strong>n, das Familienklima, Konfliktpotentiale und Konfliktlösungsstrategien“<br />
(Chassé/Zander/Rasch 2003, S. 154) für die Lebensbewältigung von <strong>Kinder</strong>n in prekären<br />
Lebenslagen entscheidend sind.<br />
5.2. Schule und <strong>Kinder</strong>garten als ‚Erholungsraum’<br />
Ausser, dass die Peers manchmal nerven (Lucia), oder dass es dort auch <strong>Kinder</strong> gibt, die<br />
nicht dieselben Interessen haben (José), wird von allen <strong>Kinder</strong>n nur Positives über Schule<br />
und <strong>Kinder</strong>garten berichtet. Die Schule oder der <strong>Kinder</strong>garten hat für die befragten <strong>Kinder</strong><br />
eine hohe Relevanz, weil sie nebst dem sozialökologischen Zentrum fast der einzige Raum<br />
sind, aus dem ihre Lebenswelten bestehen.<br />
Der sozialökologische Nahraum ist nach Baacke der Ort, in dem <strong>Kinder</strong> erste<br />
Aussenbeziehungen aufnehmen. Im Wohnquartier, auf der Strasse, in der Nachbarschaft<br />
macht das Kind seine ersten Erkundungen ausserhalb der Wohnung, knüpft die ersten<br />
Kontakte zu Personen, die nicht im selben Haushalt leben. Die ersten Bewegungen aus dem<br />
sozialökologischen Zentrum heraus in den sozialökologischen Nahraum, macht das Kind<br />
meistens in Begleitung und mit Unterstützung seiner Eltern oder weiterer<br />
Betreuungspersonen (vgl. Baacke 1999, S 113). Die befragten <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong> haben<br />
einen stark eingeschränkten Zugang zum sozialökologischen Nahraum. Durch die Angst des<br />
Entdecktwerdens und das damit zusammenhängende versteckte Leben der Familien, dürfen<br />
sich diese <strong>Kinder</strong> nur sehr begrenzt ausserhalb der Wohnung aufhalten. Ihre<br />
Freizeitaktivitäten sind solche, denen sie in ihrer Wohnung nachgehen können.<br />
Im Fall von Azad ist diese Einschränkung seiner Lebenswelt ihm selbst wie auch seinen<br />
Eltern bewusst und wird im <strong>Interview</strong> thematisiert. Er hat ein anderes Leben gekannt, kann<br />
sich gut daran erinnern. Seit seine Familie zwei Jahre vor dem <strong>Interview</strong> den<br />
Asylbewerberstatus verloren hat, kann sich Azad weniger frei bewegen. Draussen spielen ist<br />
nicht mehr ein Recht, das er jederzeit einfordern kann, vielmehr muss er jedes Mal mit der<br />
Mutter aushandeln, ob er gehen darf. Erhält er die Erlaubnis, dann immer nur für kurze Zeit<br />
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