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Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Theoretische und empirische Grundlagen<br />

Menschen, die etwa wegen einer Behinderung beeinträchtigt sind oder die aus materiell<br />

depravierten [sic!] Familien stammen, die zugewandert sind und Integrationsprobleme haben<br />

usw. akkumulieren sich die Misserfolge und Effekte sozialer Ungleichheit aufs Neue“ (op. cit.,<br />

S. 43).<br />

Vor dem Hintergrund dieser Analyse von Kindheit in modernen Industriegesellschaften lässt<br />

sich die Lebenslage der interviewten <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong> in einen gesamtgesellschaftlichen<br />

Kontext einordnen. Das Lebenslagenkonzept bietet eine Möglichkeit, die Lebensumstände<br />

verschiedener Menschen in einer Gesellschaft zu vergleichen. Was dabei jedoch gerne<br />

vergessen wird, ist, dass der Mensch kein reines Objekt seiner Umstände ist. Die Strukturen<br />

der Gesellschaft prägen zwar ein Individuum und seine Lebenswelt, doch hat der Mensch als<br />

Akteur immer auch die Möglichkeit, innerhalb der strukturell vorgegebenen Grenzen<br />

selbsttätig zu wirken und damit seine Lebenslage zu beeinflussen. Um diesen aktiven Aspekt<br />

näher zu betrachten wird im folgenden Kapitel das Konzept der Lebensbewältigung nach<br />

Böhnisch (vgl. 1985) ausgeführt.<br />

2.2.5. Lebensbewältigung<br />

Versteht man den Menschen als aktives Subjekt, welches seine Lebenswelt, seine Umwelt<br />

und schliesslich seine Lebenslage durch sein Handeln beeinflussen und verändern kann,<br />

bietet das Konzept der Lebensbewältigung eine Möglichkeit, diese Selbsttätigkeit zu<br />

untersuchen. Böhnisch, als zentraler Vertreter des Lebensbewältigungsansatzes (vgl. 1985),<br />

geht nicht davon aus, dass in unserer Gesellschaft jedem Menschen dieselben Chancen<br />

offen stehen. „Wie ‚elastisch’ die Lebenslagen sind, das heisst welche Spielräume und<br />

Ressourcen man zur Lebensbewältigung und zur Wahrnehmung sozialer Chancen hat,<br />

hängt wesentlich davon ab, inwieweit spezifische Ansprüche und Bedürfnisse öffentlich<br />

angemeldet und gesellschaftlich anerkannt werden, bzw. wie sie durch sozialpolitisch<br />

gesetzte Zumutbarkeiten blockiert und privatisiert werden“ (op. cit., S. 44f). Der Mensch hat<br />

zwar die Möglichkeit, durch sein Handeln auf seine Lebenslage einzuwirken, doch bieten die<br />

gesellschaftlichen Umstände ihm mehr oder weniger Chancen und Möglichkeiten dazu.<br />

Lebensbewältigung heisst nach Böhnisch ‚über die Runden kommen’, wobei die Richtung<br />

und Form dieses über die Runden kommen offen gelassen werden (vgl. op. cit., S. 76). „Mit<br />

dem Paradigma ‚Lebensbewältigung’ wollen wir nun versuchen, die gesellschaftliche<br />

Situation jener Personen und Gruppen aufzunehmen, die sich und ihr Leben nicht länger im<br />

Horizont der Chancen und der Werte definieren können, welche der Sozialstaat in seiner<br />

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