29.09.2012 Aufrufe

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Fallanalysen<br />

Luana hat gemäss ihrem Vater ihre ersten sechs Lebensjahre in der Wohnung der Eltern<br />

verbracht, ohne rauszukommen. Zum Zeitpunkt des <strong>Interview</strong>s geht sie erst seit einem<br />

halben Jahr zum <strong>Kinder</strong>garten, bzw. verlässt erst seit einem halben Jahr das Versteck<br />

Wohnung. Die <strong>Kinder</strong>gartenlehrerin ist daher eine der ersten erwachsenen Personen, wenn<br />

nicht überhaupt die einzige, mit denen Luana Kontakt hat, abgesehen von ihren Eltern. Sie<br />

zeigt ihr auf, dass Normen nicht starr sind, bzw. dass die familiären Normen nicht auf der<br />

ganzen Welt gültig sind. Zudem setzt ihre Beziehung zu Frau Meier einen starken Gegenpol<br />

zur Beziehung, die sie zur eigenen Mutter hat. Das Verhalten der Mutter ist für Luana<br />

unberechenbar, immer wieder sucht sie die Nähe zur Mutter, weiss aber nie, wie diese<br />

reagieren wird. Das Verhalten der <strong>Kinder</strong>gartenlehrerin dagegen scheint für Luana viel<br />

durchschaubarer zu sein. Sie hat keine Angst vor ihr, denn ihr Verhalten ist nachvollziehbar<br />

statt unberechenbar und sie wird von ihr nicht geschlagen. Luana wünscht ihrer<br />

<strong>Kinder</strong>gartenlehrerin alles Gute und Schöne. Sie möchte ihr nicht nur irgendeine Zeichnung<br />

schenken, sondern eine, die mehrfach zeigt, wie gern sie Frau Meier hat.<br />

Der <strong>Kinder</strong>garten ist für Luana nicht nur der Ort, an dem sie Frau Meier sieht. Es ist auch ein<br />

Ort, an dem sie viele Spielsachen zur Verfügung hat und nicht wie zu Hause auf so vieles<br />

verzichten muss. Kurze Zeit vor dem <strong>Interview</strong> hat sie dort gar ein Geschenk bekommen. Sie<br />

hat Farbstifte erhalten, die sie mit nach Hause nehmen durfte, wo sie jetzt auch malen kann.<br />

Luanas Familie kann sich nicht viel leisten. Für die <strong>Kinder</strong> gibt es nur das Nötigste –<br />

Farbstifte, wie auch Spielsachen, haben keinen Platz im Budget. Luana geniesst es,<br />

während des <strong>Interview</strong>s mit vielen Farb- und Filzstiften zeichnen zu können. Es wird deutlich,<br />

dass sie daran gewohnt ist, nicht alles haben zu können. So fragt sie die <strong>Interview</strong>erin mit<br />

einer gewissen Schüchternheit, aber auch Vorfreude, ob sie für die zweite Zeichnung die<br />

Filzstifte benützen dürfe, nachdem sie die erste mit den Farbstiften gezeichnet hat.<br />

‚Bluemä, hät i gern’<br />

Wenn Luana gross ist, möchte sie gerne Blumen haben. Ausserdem möchte sie dann<br />

spielen. Die Blume stellt für sie etwas sehr Schönes dar. Dies wird auch klar, als sie anderen<br />

Leuten Blumen wünscht. Auch Spielen ist etwas Schönes. Luana spielt sehr gerne. Luana<br />

möchte also, wenn sie gross ist, etwas machen, das ihr Spass macht und sie möchte schöne<br />

Sachen besitzen. Diese Wünsche verweisen ein weiteres Mal darauf, dass die Gegenwart<br />

für Luana häufig entbehrungsreich ist. Ihre grössten geäusserten Wünsche zeigen auf, dass<br />

sie gerne spielen möchte, was sie zurzeit vielleicht nicht immer so kann wie sie gern möchte,<br />

bedenkt man nur die Wohnverhältnisse. In der Gegenwart kann Luana nicht viele Dinge<br />

besitzen die sie gerne möchte, so war es für sie ein besonderes Geschenk, als sie im<br />

93

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!