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Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Fallanalysen<br />

Zusammenhänge zwischen elterlichem Erziehungsstil und kindlichem Wohlbefinden in der<br />

Familie. Sie stellten dabei fest, dass geschlagen werden (eine in ihrer Studie seltene<br />

Bestrafungsform der Eltern) sich negativ auf das Wohlbefinden des Kindes in der Familie<br />

auswirkt. Positiv auf das Wohlbefinden wirkt sich hingegen aus, wenn <strong>Kinder</strong> die auferlegten<br />

Strafen gerecht finden (vgl. Griebel/Beisenkamp 2002, S. 145f). Luana wird geschlagen und<br />

fühlt sich ungerecht behandelt, sie empfindet die Schläge überhaupt nicht als gerecht. Die<br />

Ergebnisse aus der oben genannten Studie verfestigen die Annahme, dass Luanas<br />

Wohlbefinden in der Familie dadurch negativ beeinflusst wird.<br />

Luana kann nicht grundsätzlich als ängstlich bezeichnet werden. Weder vor Frau Meier, ihrer<br />

<strong>Kinder</strong>gartenlehrerin, noch vor der ihr gänzlich fremden <strong>Interview</strong>erin fürchtet sie sich. Dass<br />

sich Luana eine Phantasiewelt aufgebaut hat, die in ihrer Lebenswelt einen wichtigen Platz<br />

einnimmt, kann neben ihren deutlichen Aussagen als weiteres Zeichen dafür gesehen<br />

werden, dass Angst ihre Lebenswelt prägt. Phantasiewelten können <strong>Kinder</strong>n helfen, Angst<br />

zu bewältigen (vgl. Taylor/Maring 2001, S. 57).<br />

‚Ich mol no öpis für d’Frau Meier’<br />

Die <strong>Kinder</strong>gartenlehrerin, Frau Meier, nimmt in Luanas Leben einen wichtigen Platz ein. Sie<br />

ist eine erwachsene, weibliche Bezugsperson, der gegenüber Luana nicht die zwiespältigen<br />

Gefühle verspürt, welche die Beziehung zur Mutter prägen. Sie hat einen Tag vor dem<br />

<strong>Interview</strong> wegen der Mutter und wegen der <strong>Kinder</strong>gartenlehrerin geweint. Die Analyse der<br />

Daten lässt vermuten, dass dies im Zusammenhang damit steht, dass sie sich die Beziehung<br />

zur Mutter manchmal so positiv wünschen würde, wie diejenige zu Frau Meier.<br />

Frau Meier konfrontiert Luana mit neuen, anderen Werten. Dies wird klar, als Luana erzählt,<br />

dass sie gerne mit Knaben spiele, aber dass sich das nicht gehöre. Dass Mädchen sich<br />

vorwiegend unter Mädchen und Jungen sich vorwiegend unter Jungen bewegen, ist nicht nur<br />

eine Wertvorstellung, die Luana erlernt hat. Vielmehr entspricht dies den Ergebnissen<br />

mehrerer Studien zu <strong>Kinder</strong>-Freundschaften (vgl. Krappmann 2002, S. 270f). Luana hat,<br />

wahrscheinlich in der Familie, denn mit vielen anderen Personen hat sie nicht Kontakt,<br />

gelernt, dass ein Mädchen gar nicht mit Knaben spielen sollte. Im <strong>Kinder</strong>garten scheint dies<br />

nun plötzlich kein Problem mehr zu sein. Im Gegenteil, Frau Meier sieht es sogar gerne,<br />

wenn Mädchen mit Knaben spielen. Bei ihr muss es nicht so sein ‚wie es sich gehört’. Dies<br />

macht sie für Luana zu einer grossartigen Person. Frau Meier löst ein Problem, welches für<br />

das Mädchen ein grosses sein könnte oder bereits gewesen war.<br />

umfasst jährlich ca. 2000 <strong>Kinder</strong> zwischen neun und vierzehn Jahren aus Nordrhein-Westfalen (vgl.<br />

Klöckner/Beisenkamp/Schröder 2002, S. 21-26).<br />

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