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Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Theoretische und empirische Grundlagen<br />

zwischen vier und elf oder zwölf Jahren zusammen) um einen klar umschriebenen<br />

Lebensabschnitt handelt, dem er folgende Aspekte zuschreibt: Das Kind hat verschiedene<br />

Aufgaben zu bewältigen, bleibt aber noch frei von der Verantwortung, die Erwachsene<br />

übernehmen müssen. „Die Entfernung zur Erwachsenenwelt ist noch so gross, dass wenig<br />

Konflikte zwischen Erwachsenenrolle und Kindesrolle entstehen. Das Kind kann höchstens<br />

im Spiel die Rolle des Erwachsenen übernehmen, im Ernstfall tritt es nur ausnahmsweise<br />

zum Erwachsenen in Konkurrenz, z.B. in Musik und Sport“ (Oerter 2002, S. 209). Mag diese<br />

klare Trennung zwischen Erwachsenen- und <strong>Kinder</strong>rolle und die Verantwortungsfreiheit von<br />

<strong>Kinder</strong>n für eine grosse Mehrheit zutreffen, wird sich in den Auswertungen der vorliegenden<br />

Studie zeigen, dass dies nicht durchwegs der Fall ist. Oerter fährt wie folgt weiter mit seiner<br />

Beschreibung des Kindes: „Das Kind befindet sich noch in allen wesentlichen Lebensfragen<br />

und bezüglich seiner Entscheidungen in vollkommener Abhängigkeit vom Erwachsenen.<br />

Diese Regelung wird von beiden Seiten, den Erwachsenen wie den <strong>Kinder</strong>n, als<br />

selbstverständlich angesehen. Dennoch kann es in diesem Verhältnis Wechselseitigkeit in<br />

Form des Vertrauens, der Kooperation und des Austausches von Argumenten geben“ (ebd.).<br />

Die relevanten Aspekte der beschriebenen Altersphase lassen sich zusammenfassen, wie<br />

folgt: Das sechs- bis neunjährige Kind in unserer Gesellschaft<br />

• beginnt mit der aktiven Aneignung und Auseinandersetzung mit seinen „natürlichen<br />

Anlagen, der körperlichen und psychischen Konstitution (‚innere Realität’) und der<br />

sozialen und physikalischen Umwelt (‚äussere Realität’)“ (Hurrelmann/Bründel 2003, S.<br />

12).<br />

• lebt stark gegenwartorientiert. Es nimmt die es umgebende Welt als selbstverständlich<br />

hin (vgl. Baacke 1999, S. 60-64).<br />

• ist im Gegensatz zu Jugendlichen stark kontextbezogen, erfährt seine Umwelt als<br />

sinnlich-zusammenhängend, was nach Piaget der Periode der ‚konkreten<br />

Operationen’ 18 entspricht (vgl. op. cit., S. 60).<br />

• ist von Erwachsenen in vielen Belangen abhängig, strebt aber doch nach<br />

Selbständigkeit (vgl. op. cit., S. 61).<br />

18 Piaget bezeichnet die Phase des Kindes zwischen anderthalb bis zwei und elf bis dreizehn Jahren als Phase<br />

der konkreten Operationen: „Die Periode der Vorstellungsintelligenz führt zu konkreten Operationen (Klassen,<br />

Relationen und Zahlen, die an Objekte gebunden sind) mit einer ersten präoperatorischen Teilperiode (ohne<br />

Reversibilität und Erhaltung, aber mit den Anfängen gerichteter Funktionen und qualitativer Identitäten), die im<br />

Alter von ungefähr anderthalb bis zwei Jahren mit der Bildung semiotischer Prozesse wie Sprache und inneren<br />

Bildern beginnt. Daran schliesst sich (mit etwa sieben bis acht Jahren) eine zweite Teilperiode an, die<br />

gekennzeichnet ist durch die Anfänge operatorischer Gruppierungen in ihren verschiedenen konkreten Formen<br />

und mit ihren verschiedenen Arten von Erhaltung“ (Piaget 2003, S 66).<br />

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